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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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iarthe Kriwitz heißt ein neuer Stern an dem jetzt so dicht besäten
Berliner Operettenhimmel. Direktor Monti, der zweifellos mit beson-
derer Umsicht am Werk ist, für seine Operettenaufführungen Künstler zu
gewinnen, die gesangstechnisch hinreichend geschult sind, um auch der Partitur
wieder ihr Recht zu geben, darf sich rühmen, auch diesen neuen Stern für
Berlin entdeckt zu haben. Fräulein Kriwitz, eine junge Dame slawischen Geblüts,
empfing ihre musikalische Ausbildung auf dem Wiener Konservatorium und
genoß besonders den Unterricht der früheren be-
rühmten Altistin der Wiener Hofoper Frau Rosa
Papier-Paumgartner. Sechs Jahre widmete sie sich
eifrigsten Studien, bei denen sie besonderen Wert auf
eine umfassende und vertiefte musikalische Bildung
legte, so daß sie heute ebensowohl als Pianistin
wie als Bühnensängerin auftreten könnte. Natürlich
studierte die Elevin nicht auf Operette, sondern auf
Oper, und als sie ihre Studien beendet hatte, wurde
sie bald eines Engagementsantrags an die Dresdner
Ilofoper gewürdigt. Aber in der Voraussicht, daß
sie hier kaum die heiß ersehnte Gelegenheit zur Er-
werbung der unerläßlichen Bühnensicherheit erlangen
würde, zog sie ein Engagement an einer Bühne vor,
die ihr eine reichere Betätigung gewährleistete, und
so gitig sie an das Stadttheater in Zürich, Es ist
nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß sie
dort in den letzten drei Jahren das Opern- und
Operettenrepertoire geradezu beherrscht hat. Die
Carmen — ihre Lieblingspartie —, die Elsa im „Lohen-
grin“, die Mimi in „Boheme“, die Tosca wurden
ebenso von ihr verkörpert wie etwa „die geschiedene
Frau“ und alle die andern großen weiblichen Partien
der neuen Operetten. Wie lebhaft man in der Theater-
welt die Leistungen der jungen Opernsängerin ver-
folgte, geht daraus hervor, daß sowohl das Berliner
Kgl. Opernhaus als auch Direktor Moris während der
Zeit seiner Leitung der Kurfürsten-Oper mit ihr in Engagementsverhandlungen
traten; aber der die Künstlerwelt faszinierende Einfluß Max Reichardts trug auch
hier den Sieg davon: die Operettensängerin Marthe Kriwitz hatte seine Aufmerk-
samkeit erregt, und sie dünkte ihn die geeignetste Vertreterin für die Titelpartie
in Offenbachs „Schöner Helena“, mit deren Neuinszenierung er die Welt über-
raschen wollte. Bei der Aufführung in Wien kreierte sie denn auch die Partie,
und neben Pallenbergs Menelaus rettete sie die Ehren des Abends, der bekannt-
lich einen turbulenten Verlauf nahm. Nach ihrem dortigen Erfolge wäre sie auch
für die Berliner Aufführungen im Theater des Westens die gegebene Vertreterin
gewesen; aber erst zu Beginn dieser Spielzeit konnte sie hierher übersiedeln,
und es war fraglos ihrer
charmanten Darstellung
der Titelpartie, die sie
auch gesanglich völlig
einwandfrei bewältigte,
zu danken, daß das Offen-
bachsche Werk wieder
Häuser zu machen be-
gann. Da kam unerwar-
tet die schwere Ileim-
suchung des Theaters
durch die Brandkata-
strophe. Hoffentlich hat
sie nicht auch zur Folge,
daß das BerlinerTheater-
leben um die musika-
lische Vornehmheit und
das frische, unverdor-
bene Spieltalent der
Marthe Kriwitz ärmer
wird.

*

Minnie Saltzman-
Stevens. Die deutsch-
amerikanische Sängerin
Frau Minnie Saltzman-
Stevens hat in Bayreuth
als „wildeReiterin“ Kun-
dry und als Siegmunds
„bräutliche Schwester“

Sieglinde einen außer-
ordentlichen Erfolg er-

rungen. Es fließt teils elsässisches, teils amerikanisclies Blut in ihren Adern;
im Lande des Dollars aber erblickte sie das Licht der Welt, wie sie dort auch
ihre erste Jugend verlebte. Um ihre Stimme auszubilden, kam sie schon früh-
zeitig nach Paris zu dem weltberühmten Gesangsmeister Jean de Reszke, der
aus dem umfangreichen, ursprünglich Altcharakter tragenden kostbaren Organ
einen echten dramatischen Sopran machte. Nach vierjährigem Studium machte
die junge Künstlerin an der Covent-Garden Opera zu London ihren ersten

dramatischen Versuch als Brünnhilde. Der Name
der so schnell zu internationalem Ruf und Ansehen
gelangten Sängerin drang sehr bald auch nach
Bayreuth, und es war entschieden ein sehr glück-
licher Griff der Festspielverwaltung, sich dieser Künst-
lerin für die obengenannten Partien zu versichern.
Frau Saltzman-Stevens, die für diesen Winter übri-
gens an die Chicago Opera engagiert ist, gehört zu
den fleißigen Künstlerinnen, die — wie die berühmte
Pariserin Frau Felia Litvinnees sich nicht nehmen
lassen, ihre Rollen jedesmal in der Sprache des-
jenigen Landes zu singen, in welchem sie zu Gaste
weilen, also je nachdem deutsch, englisch, fran-
zösisch, italienisch. Frau Saltzman-Stevens verleugnet
in ihrer Eigenschaft als Wagnersängerin nicht den
Einfluß der romanischen Schule und Ausbildung, die
sie genossen. Sie besitzt desto warmblütigeres
Empfinden, wahre Poesie und echt frauenhaften
Charme. So ist auch ihre Stimme, die übrigens einen
wundervollen Timbre aufweist, keineswegs über-
mäßig groß, dafür aber vorzüglich geschult und ge-
horcht allen Intentionen ihrer Trägerin. Den Wagner-
schen Deklamationsstil hat sich die Sängerin treff-
lich zu eigen zu machen gewußt. So vereinigt Frau
Saltzman-Stevens im hohen Maaße alle Eigenschaften
einer exzellenten Wagnerkünstlerin, und ihr Name

Marthe Kriwitz.

dürfte noch lange unter den besten genannt werden, wo
immer auch Bayreuther Kunst und Tradition gepflegt und geübt wird. C. Droste.

Der Kongreß von Sevilla. Kurz vor Schluß der Saison ging im Neuen
Operettentheater ein Dreiakter, „Der Kongreß von Sevilla“, über die Bühne.
Die liebenswürdige Musik zu dieser Operette stammt von dem bekannten Kom-
ponisten Claude Terrasse in Paris. Natürlich mußte sich das Libretto auch dies-
mal einige Streichungen der Zensur gefallen lassen, aber durch diese Zensur-
striche hat die Aufführung in ihrer Wirkung keineswegs Einbuße erlitten.
Bekanntlich erging es vor einigen Jahren einer einaktigen Operette „Paris“

desselben Komponisten
ebenso. Die Polizei ent-
sandte damals aliabend-
lich einen Vertreter zum
Theater, der an der Hand
eines Textbuches auf das
peinlichste verfolgte, ob
die Bühnenleitung nicht
etwa zum Gaudium des
Publikums hier und da
etwas stehen gelassen
hatte. Es war dem Neuen
Operettentheater zu gön-
nen, daß es kurz vor
Schluß der Saison noch
einige Male volle Häuser
erzielte, und es ist wirk-
lich zu bedauern, daß
das Stück so rasch von
der Rampe verabschie-
det worden ist. Text
und Musik wetteiferten
miteinander, das Publi-
kum bei guter Laune zu
erhalten, und jedesmal
brachte die Vorstellung
einen vollen Erfolg. Das
ganze Stück baut sich
auf einer höchst drol-
ligen Begebenheit auf.
Ein musikalischer Kraut-
junker, ein geborener

Madame Saltzman-Stevens als „Kundry“.

Copyright Photograph by the Dover Street Studios Ltd. London W.
 
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