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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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9. Heft
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Rüttenauer, Benno: Herman Frobenius
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0268

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Herman Frobenius.

Von Dr. Benno Rüttenauer.

ie hoch man auch den Wert der modernen impressionistischen Malerei
in ihren hervorragendsten Vertretern einschätzen mag — und wir
am wenigsten könnten darauf verfallen, die großen Errungenschaften
nach dieser Richtung zu leugnen —, so darf man doch anderseits neben den
Stärken und Vorzügen dieser Kunst ihre Schwächen und ihre Einseitigkeit nicht
übersehen und nicht ganz vergessen, daß es Forderungen, Ziele und Aufgaben
der Kunst gibt, die hier nicht erfüllt werden, ja vielleicht auf dem einge-
schlagenen Weg überhaupt nicht zu erfüllen sind. Und wirklicb, man hat bereits
angefangen, sich darauf wieder zu besinnen und einzusehen, daß es ein unerhörter
Terrorismus und eine verhängnisvolle Kurzsichtigkeit war, das „rein Malerische“
in impressionistischer Prägung, d. h. das Spiel von Farbe uri)d Licht, für das
ein und alles der Kunst auszugeben, also daß nicht nur die ausübenden Künstler
mit ihren Werken, sondern auch die Interpreten mit ihren Worten das intolerante
Dogma auf allen Gassen predigen durften, ohne je auf Widerspruch zu stoßen.
Denn es gibt eben — und immer deutlicher wird dies erkannt — von den im-
pressionistischen Errungenschaften schlechterdings keinen Weg zum Dekorativen,

[Nachdruck verboten.]

Frobenius hat sich niemals weder Böcklins Farbenbehandlung, noch Böcklins
Stoffwelten anzueignen gesucht; er würde, wenn er es getan hätte, wohl weniger
befremdend wirken, aber ich hätte dann kaurn Grund, hier von ihm zu reden.

Schon in seinen Landschaften ist Frobenius so unmodern wie möglich. Das
heißt aber: er stellt die Farben und andere Elemente der Darstellung weniger
in den Dienst des malerischen Natursehens, als der dekorativen Wirkung, der
Bildwirkung mit einem W Tort. Er begnügt sich nicht mit dem Naturausschnitt,
mit der Studie nach der Natur, sondern er rnalt Bilder.

Wenn man heute von einer Landschaft sagt, sie sei „komponiert“, so soll
das gewöhnlich ein zweifelhaftes Lob sein. Lassen wir uns nicht dadurch irre
machen, daß das Wort als solches vielleicht unglückliche Vorstellungen erweckt.
Frobenius „komponiert“ stark. Er komponiert besonders mit der Farbe; es ist
aber auch gar nicht einzusehen, wie auf anderm Weg ein Kunstwerk ent-
stehen soll.

Man wird Frobenius nicht gerade einen Koloristen nennen. Und doch ist
ihm die Farbenzusammenstimmung die Hauptsache. Auch auf seinen großen

Herman Frobenius: Judith und Holofernes. Aus den Kunstausstellungen Ed. Schulte, Berlin-Düsseldorf.

als dem Vorhof des Monumentalen. Wir haben also allen Grund, auf jene
Künstler zu achten, die diesen Weg offenzuhalten oder neuzueröffnen bestrebt
sind. Herman Frobenius ist einer von ihnen.

Es mag kein bloßer Zufall sein, daß die drei Künstler, die im vorigen Jahr-
hundert die Malerei in einem strengen und höheren Stil aufgefaßt und mit dieser
Auffassung Antipoden ihrer Zeit waren, Puvis de Chavannes in Frankreich,
Marees und Feuerbach in Deutschland, schon durch ihre Abstammung der sozialen
und geistigen Aristokratie angehört haben. Und sollte bei Frobenius — dessen
Vorfahren die Verleger eines Erasntus waren — nicht der gleiche Faktor von
Bedeutung sein? Merkwürdig genug ist es, daß Frobenius in England bis jetzt
mehr Beachtung gefunden hat als in Deutschland.

„Frobenius, so lasen wir im Studio, hat seine Abseitigkeit schwer büßen
müssen, denn bis zur heutigen Stunde ist er nur auf Mißbilligung gestoßen und
nicht nur von seiten des großen Publikums, das den Eigenschöpferischen immer
gern mit Lachen oder Kopfschütteln begrüßt, seine Kollegen standen ihm kaum
weniger feindlich gegenüber. Eias aber war schon oft das untrügliclie Zeugnis
eines ungewöhnlichen Talents.“

Frobenius hat in Florenz längere Zeit unter dem unmittelbaren Einfluß
Böcklins gestanden; aber niemand wird das seinen Bildern, am wenigsten seinen
figürlichen, heute anmerken. Diese Tatsactie ist allein schon ein Beweis für ein
starkes künstlerisches Rückgrat. Sie ist zugleich ein Beweis für eine weise
Selbstbescheidung. Einige Böcklinnachahmer haben sich iächerlich gemacht,
weil sie gar nicht merkten, daß sie sich um so weiter von dem Meister ent-
fernten, je mehr sie sich ihm zu nähern glaubten.

Figurenbijdern. Er macht in seinen Skizzen nicht zeichnerische Kompositionen,
wie man es vielleicht voraussetzen möchte. Die Idee seiner Bilder wächst
ihm aus einem bestimmt farbigen Klang heraus. Dieses ist immer das erste,
was er feststellt. Er war in den früheren Bildern noch etwas konventionell
quatrozentistisch, in den letzten Werken ist er vollständig eigentümlich und
eigenartig. Sein Farbenakkord ist ihm allein eigen. Es ist ein tiefer Akkord in
Moll. Die kühlen und gedämpften Töne sind vorherrschend. Violett in wärmeren
oder kälteren Schattierungen bildet den Grundton auf fast allen seinen neueren
Bildern. Seine Musik in Farben ist ihm im höchsten Grade persönlich, ist von
niemand anderem genommen, ja zeigt auch nicht die leiseste Anlehnung an Vor-
handenes bei Alten oder Neueren.

Dennoch ist Frobenius nicht Kolorist im ausschließlichen Sinne des Wortes.
Stärker als durch den Bewegungsrhythmus der Farben sprechen seine Bilder
durch den Bewegungsrhythmus der Linie. Das Kolorit ist ihm nicht Zweck,
sondern ein Mittel unter andern Mitteln.

Wahr mag soviel sein, daß die Begabung dieses Künstlers ,ihm die stil-
strenge und sinnreiche Dekoration näher legt als die intime Malerei des Tafel-
bildes, das in jeder Einzelform eine Fülle von Leben verlangt, die Frobenius im
Figurenbild mehr oder weniger vernachlässigt. Auf den Wänden, als .dekorativer
Schmuck, wären darum diese Gestalten, die uns auf den Tafelbildern oft allzu
unkörperlich, allzu unfleischlich anmuten, besser an ihrem Platz. Die Einzel-
durchbildung, das Leben bis in das kleinste Stiick Fleisch hinein, dürfte dort
niemand von ihnen fordern. Wandflächen aber müssen dem Künstler gegeben
werden. Und so ist es als ein Glücksfall für Frobenius zu betrachten, daß er
 
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