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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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13. Heft
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Eine Erinnerung an Marie-Antoinette
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0383

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C -

Eine Erinnerung an Marie Antoinette.

2ick;-2ack.

fleichwie bei den Kulturvölkern des Altertums Niedergang und Verfall des
Staates mit Luxus und Üppigkeit, mit Prunksucht und Glanzentfaltung der
Machthaber Hand in Hand gingen, so kündigte sich auch das schwere, verderben-
bringende Gewitter, das am Ende
des achtzehnten Jahrhunderts die
Grundfesten des französischen
Königsthrones erzittern ließ und
die Herrschaft der Bourbonen
vollständig vernichtete, durch
unumschränkte Sitten- und Ge-
wissenlosigkeit des Hofes und
der obersten Gesellschaftsschich-
ten an. Das schamlose, wüste
Treiben Ludwigs XIV. hatte sich
unter der Ära seines Nachfolgers
nicht verringert, und als der
Thronerbe der österreichischen
Prinzessin Marie Antoinette die
Hand zum Bunde reichte, stand
der Hof zu Versaiiles in dent
Rufe der lasterhaftesten Stätte
der Welt. Als Ludwig XVI. das
Erbe seiner Väter antrat, befand
sich das Staatsschiff in der be-
denklichsten Verfassung. Von
dem gutmüligen, weichherzigen, Marie Antoinette.

aber wenig befähigten König war

eine Rettung kaum zu erwarten; die Gärung und Unzufrieden-
heit irn Volke hatte bereits einen so hohen Grad erreicht,
daß die Revolution nur noch eine Frage der Zeit sein konnte.
Die jugendschöne Königin erlag den verwerflichen Einflüssen
ihrer gewissenlosen Umgebung, sie opferte ungeheure Summen
ihrer ungezügelten Leidenschaft für dasSpiel, und der schranken-
lose Luxus, den der Hof entfaltete, konnte die tiefgehende
Erbitterung des Volkes nur steigern. Der Stein war ins
Rollen geraten, die Staatskunst der feigen Günstlinge, welche
die ersten Posten einnahmen, reichte nicht aus, ihn aufzuhalten
und das drohende Verderben abzuwenden. Auf solch günsti-
gem Boden mußte die Revolution vortrefflich gedeihen, die
Flammen der Wut und des Hasses gegen das Königshaus
lohten glühend empor, und die schäumenden Wogen des Auf-
standes dräuten den Thron wegzuspülen. Alle ehrlichen
Bemühungen des schwächlichen Königs, in diesen ungeheuren
Wirrungen Ordnung zu schaffen, blieben erfolglos. Das ent-
setzliche Verhängnis brach langsam über seinem Haupte zu-

[Nachdruck verboten.|

sammen, und auf dem Schafott sühnte er der Väter Schuld. Diese Zeiten
ununterbrochenen Entsetzens hatten in der Seele der Königin eine jähe Läute-
rung herbeigeführt, und während sie früher in Genußsucht gelebt hatte, zeigte
sie in jenen trüben Tagen schwerer Heimsuchung an der Seite ihres Gemahls
eine wahre Seelengröße. Nach der Hinrichtung des Gatten hatte die Schwer-
geprüfte mit dem Leben gänzlich abgeschlossen. Bald sollte auch sie der wilden
Wut des Pöbels in gleicher Weise zum Opfer fallen: am 16. Oktober 1793 erstieg
die Tochter der mächtigen Maria Theresia die Stufen des Blutgerüsts. Das furchtbare
Drama der Königsfamilie hatte seinen Abschluß gefunden. Jüngst wurde in dem
Museum einer französischen Provinzstadt das Gebetbuch entdeckt, welches die
unglückliche Frau noch kurz vor ihrer Enthauptung in den zitternden Händen
gehalten hatte. Der kostbare kleine Band, ein Zeuge unendlicher seelischer Leiden,
ist in olivenfarbiges Maroquin gebunden und mit reicher Goldpressung verziert.
Er trägt den Titel: „Office de la divine Providence, ä l’usage de la maison royale
de S.-Louis ä Saint-Cyr et de tous les fideles“ und ist Eigentum der Bibliothek
zu Chälons-sur-Marne, in deren Besitz er sich seit 1885 befindet. Auf dem Rücken
der Seite 219 lesen wir die von der Königin kurz vor ihrem Tode eigenhändig
geschriebenen ergreifenden Abschiedsworte an ihre Kinder: „Ce 16 octobre, ä
4 h. >/i du matin. Mon Dieu! ayez pitie de ntoi! Mes yeux n'ont plus de larmes
pour pleurer pour vous, mes pauvres enfants: adieu, adieu! — Marie Antoinette.“
(Am 16. Oktober 4 1/* Uhr morgens.

Mein Gott sei mir gnädig! Meine
Augen können keine Tränen mehr
um Euch vergießen, meine armen
Kinder; Lebt wohl, lebt wohl! —

Marie Antoinette. —). Beim Anblick
dieser denkwürdigen Reliquie wird
das Herz von den seltsamsten Ge-
fühlen bewegt, sie ist ein trauriges
Zeugnis, das in beredten und ein-
dringlichen Worten die Vergäng-
lichkeit und den Wandel aller irdi-
schen Macht und Größe predigt.

Es trifft sich eigenartig, daß man
jüngst auch das Original des Hin-
richtungsbefehls gegen Marie An-
toinette wieder aufgefunden hat.

Man entdeckte es in einem alten
Hause der Stadt Washington. Der
Sohn des Scharfrichters Henri
Samson, der die Hinrichtung voll-
zog, hatte das geschichtliche Doku-
ment einem Freunde geschenkt, der
es mit nach Amerika nahm, wo es

nun jetzt gefunden wurde. P.G.A. Mane Antoinettes Gebetbuch.

Der Rücken
des Gebetbuches.

0) i e A v i a t i k e r
maschine, die größte
tausende alten Traum der Mensch-
heit endlich verwirklicht hat, be-
ruht bekanntlich auf dem Prinzip,
durch dieTragflächen des Apparats
einen Widerstand nach unten, also
gegen das Sinken, herzustellen und
durch den Motor mit seinen Pro-
pellern einen kräftigen Antrieb
tiach vorn zu erzeugen. Merk-
würdigerweise finden wir in der
Natur einen genau nach denselben
Prinzipien gebauten Flugapparat,
der schon viele Tausende von
Jahren tadellos funktioniert, und
zwar bei den fliegenden Fischen.

Wer jemals eine Reise in größeren
Breiten über den Ozean gemacht
hat, wird auch die Scharen der
f liegenden Fische beobachtet haben,
die plötzlich aus dem W rasser em-
porschnellen, sich in schräger Rich-
tung in die Luft erheben und dann
allmählich in flach abfallenderBahn

des W'assers. Die moderne Flug-
Erfindung der Neuzeit, die den Jahr-

fWgTl

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wieder die Oberfläche des Wassers erreichen. Betrachten wir den Bau eines
solchen Flugfisches, von denen zuweiien einige auf das Deck der Schiffe fallen,

genauer, so z. B. einen Schwalben-
fisch (Exocoetus volitans), so sehen
wir, daß die Brustflossen außer-
ordentlich stark entwickelt sind, sie
sind in die Länge und Breite ge-
zogen, ihre zahlreichen Flossen-
strahlen sind fein verzweigt, und
die Fische sind imstande, diese
Flugflossen weit auseinanderzu-
spreizen oder dicht zusammenzu-
falten; diese Flossen sind also die
Tragflächen des Flugfisches. —
Außer ihnen fällt die Schwanz-
flosse des Fisches sofort auf; sie
ist sehr groß und tief eingegabelt,
und ihr unterer Teil ist bedeutend
stärker und länger als der obere.
Diese Schwanzflosse ist der Pro-
peller des Flugfisches, dessen Flug
auf folgende Weise zustandekommt.
Durch eine sehr kräftige Bewegung
der Schwanzflosse, die wie eine
Schraube mit besonders starkem

Marie Antoinettes letzter Gruß an ihre Kinder.
 
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