Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0536
DOI Heft:
18. Heft
DOI Artikel:Nordhausen, Richard: Auf Fluß und See
DOI Artikel:Ebolé, W. K.: Hermann Junker und sein Schaffen
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Hermann Junker und sein
Schaffen.
*uf kaum einem anderen Sondergebiete ist die Malerei so spät zu einer
wirldichen Kunst herangereift, wie auf dem der Darstellung von Pferden.
Dies ist um so befremdlicher, a!s das Pferd ja schon im Altertum bei den
Griechen, deren plastische Werke uns heute noch unerreichbare Vorbilder sind, als
edelstes Tier der Schöpfung galt und von bildenden Künstlern infolgedessen häufig
zum Gegenstande der Darstellung gewählt wurde. Aber ebensowenig wie die alten
Griechen und in späteren Jahrhunderten die Römer in ihren Pferdedarstellungen zu
vöüiger Naturwahrheit und künstlerischer Vollendung gelangten, gilt dies auch für
die Maler des Mittelalters und die der Früh- und Hoch-Renaissance. Man mag von
den Pferdebildern, die Meister wie Rubens, Raffael, Velasquez, Anton van Dyck
und andere geschaffen haben, sagen, was man will. Man mag die Komposition, die
Stimmung und Farbengebung in ihren Werken loben — aber es sind, streng genommen,
keine Pferde, die wir auf diesen Bildern sehen. Gewiß, die Pferde jener Zeiten glichen
den Produkten unserer heutigen Zucht nur wenig. Es mußten schon schwere, stark-
knochige Schiäge sein, die bestimmt waren, die Ritter in ihren gewichtigen Rüstungen
in die Schlacht zu tragen, aber auch damals bewegten sich die Pferde nach anatomischen
Gesetzen, von denen, ebenso wie von der wirklichen Bewegung der Pferde, die Maler
früherer Jahrhunderte nur geringe Kenntr.is gehabt haben. So ist z. B. der Schimmel
auf Anton van Dycks wundervollem Reiterbildnisse des Prinzen Thomas von Savoyen
nahezu eine anatomische Merkwiirdigkeit mit seinem kleinen Kopf und den kurzen
Vorderbeinen; und das Pferd, auf das Velasquez König Philipp IV. auf einem seiner
Bilder gesetzt hat, würde heute als lebendiges Exemplar eine Rarität für Barnum und
Bailey’s Abnormitätensammlung darstellen. Merkwürdigerweise haben auch noch im
ächtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nur wenige Maler das Pferd
wirklich lebenswahr darzustellen vermocht. Fast alle englischen Pferdebildnisse aus
jener Zeit sind geradezu absurd, obwohl das Pferd in England seit fast zwei Jahr-
hunderten das Hauptmittel für den Lieblingssport der oberen Zehntausend verkörpert.
Die meisten englischen Maler jener Zeitepoche stellten das Pferd, vornehmlich das
Rennpferd, in immer derselben steifen, fast schablonenmäßigen Gestalt dar und zeigen
damit, wie wenig Wert sie auf das eingehende Studium des Pferdes und seiner
Bewegung gelegt haben.
Professor Hermann Junker, dessen reichem Schaffen die vorliegenden Betrachtungen
gewidmet sind, gehört zu jenen Malern, die sich — sagen wir einmal von Franz
Krüger an — durch wirklich lebenswahre, natürliche Darstellung des Pferdes aus-
zeichnen. Aber Junker nimmt unter den heutigen Pferdemalern noch insofern eine
Sonderstellung ein, als er uns in seinen Bildern nicht nur getreue Pferdeporträts gibt,
—- [Nachdruck verboten.]
sondern zugleich auch Werke, die durch ihre gesamte Komposition und durch die
feine, künstlerische Behandlung des scheinbar Nebensächüchen hervorragen. Die Pferde,
die Junker malt, sind wirkliche Pferde; sie atmen förmlich Leben und sind nicht,
was leider von den neuzeitlichen Porträts so mancher beriihmten Rennpferde zu sagen
ist, in fast entstellender Weise idealisiert So manches dieser modernen Porträts zeigt
unsere vierbeinigen Helden vom grünen Rasen mit so kleinem Kopf, so dünnen Röhren
und so übertrieben zarten Fesseln, daß man sich beinahe an die seltsamen Pferde-
darstellungen von Ridinger, Bürde und anderen erinnert fiihlt.
Die Reproduktionen, die wir hier von einer Anzahl Junkerscher Bilder geben,
lassen den gesunden, flotten Realismus, der alle seine Schöpfungen auszeichnet, deut-
lich erkennen. Besonders fein wirkt durchweg die Behandlung des Lichtes; und auch
die Art, wiejunker überall Pferd und Reiter in die richtige Umgebung hineinzustellen
weiß, so daß die Landschaft das Porträt fast plastisch hervortreten läßt, ist ein
charakteristisches Merkmal seiner Kunst. Von den Bildern, die wir hier wiedergeben,
interessieren durch Sujet und Ausführung vornehmlich zwei: die Porträts vom Kron-
prinzen und von Prinzessin Viktoria Luise von Preußen. Bekanntiich hat Professor
Junker, obwohl er noch keineswegs lange in Berlin ansässig ist, sich hier sehr schneli
einen reichen Wirkungskreis und eine gefestigte Stellung in der Künstlerwelt zu
schaffen vermocht, und sein größter Erfolg ist es wohl, daß er zu wiederholten Malen
dazu berufen wurde, Mitglieder unseres Kaiserhauses zu Pferde zu malen. Besonders
der Kronprinz, der ja mit Leib und Seele Reiter ist, interessiert sich für das Schaffen
Junkers und hat ihm zu verschiedenen Bildern gesessen. So malte Junker den Kron-
prinzen im Jahre 1910 in der Uniform der Pasewalker Kürassiere zu Pferde, und
dieses Gemälde, auf dem die meisterhafte Stimmung der Landschaft Roß und Reiter
besonders lebensvoll erscheinen läßt, ist ebenso virtuos gegeben wie jenes andere, das
den Thronfolger auf dem bekannten ehemaligen Rennpferde Barfatzke bei der Rück-
kehr von der Jagd zeigt. An diesen wie an anderen Bildern, die, was hervorzuheben
vielleicht überflüssig ist, auch in allen, selbst den geringsten Details, der Wiedergabe
der Bezäumung und der Uniform, mit einer peinlichen Akkuratesse gemalt sind, sieht
der Pferdekenner sofort, daß der Künstler nicht nur selbst Reiter ist, sondern das
Pferd auch mit „heißem Bemühn“ studiert hat. Ein Beispiel hierfiir ist das Porträt, das
Professor Junker für die Herren von Weinberg von ihrem berühmten „Fels" ausführte,
und das für eins der besten Bilder, ja vielleicht das beste Bild gilt, das je von dem
herrlichen Festa-Sohne gemalt wurde. Es stellt Fels als Deckhengst dar und führt
das edle Tier dem Beschauer in dem ganzen Adel seiner Erscbeinung vor Augen.
In der Galerie Schulte, wo Professor Junker seinerzeit eine ganze Kollektion seiner
XXVII. Fr.-No. 59.
Schaffen.
*uf kaum einem anderen Sondergebiete ist die Malerei so spät zu einer
wirldichen Kunst herangereift, wie auf dem der Darstellung von Pferden.
Dies ist um so befremdlicher, a!s das Pferd ja schon im Altertum bei den
Griechen, deren plastische Werke uns heute noch unerreichbare Vorbilder sind, als
edelstes Tier der Schöpfung galt und von bildenden Künstlern infolgedessen häufig
zum Gegenstande der Darstellung gewählt wurde. Aber ebensowenig wie die alten
Griechen und in späteren Jahrhunderten die Römer in ihren Pferdedarstellungen zu
vöüiger Naturwahrheit und künstlerischer Vollendung gelangten, gilt dies auch für
die Maler des Mittelalters und die der Früh- und Hoch-Renaissance. Man mag von
den Pferdebildern, die Meister wie Rubens, Raffael, Velasquez, Anton van Dyck
und andere geschaffen haben, sagen, was man will. Man mag die Komposition, die
Stimmung und Farbengebung in ihren Werken loben — aber es sind, streng genommen,
keine Pferde, die wir auf diesen Bildern sehen. Gewiß, die Pferde jener Zeiten glichen
den Produkten unserer heutigen Zucht nur wenig. Es mußten schon schwere, stark-
knochige Schiäge sein, die bestimmt waren, die Ritter in ihren gewichtigen Rüstungen
in die Schlacht zu tragen, aber auch damals bewegten sich die Pferde nach anatomischen
Gesetzen, von denen, ebenso wie von der wirklichen Bewegung der Pferde, die Maler
früherer Jahrhunderte nur geringe Kenntr.is gehabt haben. So ist z. B. der Schimmel
auf Anton van Dycks wundervollem Reiterbildnisse des Prinzen Thomas von Savoyen
nahezu eine anatomische Merkwiirdigkeit mit seinem kleinen Kopf und den kurzen
Vorderbeinen; und das Pferd, auf das Velasquez König Philipp IV. auf einem seiner
Bilder gesetzt hat, würde heute als lebendiges Exemplar eine Rarität für Barnum und
Bailey’s Abnormitätensammlung darstellen. Merkwürdigerweise haben auch noch im
ächtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nur wenige Maler das Pferd
wirklich lebenswahr darzustellen vermocht. Fast alle englischen Pferdebildnisse aus
jener Zeit sind geradezu absurd, obwohl das Pferd in England seit fast zwei Jahr-
hunderten das Hauptmittel für den Lieblingssport der oberen Zehntausend verkörpert.
Die meisten englischen Maler jener Zeitepoche stellten das Pferd, vornehmlich das
Rennpferd, in immer derselben steifen, fast schablonenmäßigen Gestalt dar und zeigen
damit, wie wenig Wert sie auf das eingehende Studium des Pferdes und seiner
Bewegung gelegt haben.
Professor Hermann Junker, dessen reichem Schaffen die vorliegenden Betrachtungen
gewidmet sind, gehört zu jenen Malern, die sich — sagen wir einmal von Franz
Krüger an — durch wirklich lebenswahre, natürliche Darstellung des Pferdes aus-
zeichnen. Aber Junker nimmt unter den heutigen Pferdemalern noch insofern eine
Sonderstellung ein, als er uns in seinen Bildern nicht nur getreue Pferdeporträts gibt,
—- [Nachdruck verboten.]
sondern zugleich auch Werke, die durch ihre gesamte Komposition und durch die
feine, künstlerische Behandlung des scheinbar Nebensächüchen hervorragen. Die Pferde,
die Junker malt, sind wirkliche Pferde; sie atmen förmlich Leben und sind nicht,
was leider von den neuzeitlichen Porträts so mancher beriihmten Rennpferde zu sagen
ist, in fast entstellender Weise idealisiert So manches dieser modernen Porträts zeigt
unsere vierbeinigen Helden vom grünen Rasen mit so kleinem Kopf, so dünnen Röhren
und so übertrieben zarten Fesseln, daß man sich beinahe an die seltsamen Pferde-
darstellungen von Ridinger, Bürde und anderen erinnert fiihlt.
Die Reproduktionen, die wir hier von einer Anzahl Junkerscher Bilder geben,
lassen den gesunden, flotten Realismus, der alle seine Schöpfungen auszeichnet, deut-
lich erkennen. Besonders fein wirkt durchweg die Behandlung des Lichtes; und auch
die Art, wiejunker überall Pferd und Reiter in die richtige Umgebung hineinzustellen
weiß, so daß die Landschaft das Porträt fast plastisch hervortreten läßt, ist ein
charakteristisches Merkmal seiner Kunst. Von den Bildern, die wir hier wiedergeben,
interessieren durch Sujet und Ausführung vornehmlich zwei: die Porträts vom Kron-
prinzen und von Prinzessin Viktoria Luise von Preußen. Bekanntiich hat Professor
Junker, obwohl er noch keineswegs lange in Berlin ansässig ist, sich hier sehr schneli
einen reichen Wirkungskreis und eine gefestigte Stellung in der Künstlerwelt zu
schaffen vermocht, und sein größter Erfolg ist es wohl, daß er zu wiederholten Malen
dazu berufen wurde, Mitglieder unseres Kaiserhauses zu Pferde zu malen. Besonders
der Kronprinz, der ja mit Leib und Seele Reiter ist, interessiert sich für das Schaffen
Junkers und hat ihm zu verschiedenen Bildern gesessen. So malte Junker den Kron-
prinzen im Jahre 1910 in der Uniform der Pasewalker Kürassiere zu Pferde, und
dieses Gemälde, auf dem die meisterhafte Stimmung der Landschaft Roß und Reiter
besonders lebensvoll erscheinen läßt, ist ebenso virtuos gegeben wie jenes andere, das
den Thronfolger auf dem bekannten ehemaligen Rennpferde Barfatzke bei der Rück-
kehr von der Jagd zeigt. An diesen wie an anderen Bildern, die, was hervorzuheben
vielleicht überflüssig ist, auch in allen, selbst den geringsten Details, der Wiedergabe
der Bezäumung und der Uniform, mit einer peinlichen Akkuratesse gemalt sind, sieht
der Pferdekenner sofort, daß der Künstler nicht nur selbst Reiter ist, sondern das
Pferd auch mit „heißem Bemühn“ studiert hat. Ein Beispiel hierfiir ist das Porträt, das
Professor Junker für die Herren von Weinberg von ihrem berühmten „Fels" ausführte,
und das für eins der besten Bilder, ja vielleicht das beste Bild gilt, das je von dem
herrlichen Festa-Sohne gemalt wurde. Es stellt Fels als Deckhengst dar und führt
das edle Tier dem Beschauer in dem ganzen Adel seiner Erscbeinung vor Augen.
In der Galerie Schulte, wo Professor Junker seinerzeit eine ganze Kollektion seiner
XXVII. Fr.-No. 59.