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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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12. Heft
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Goldstein, Moritz: Der Dichter in der Dichtung
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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0355

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MODERNE KUNST.

156

Man wird auch Gerhart Hauptmanns in diesem Zusammenhange nicht ver-
gessen. Neben der Charakterstudie des verkommenden und überholten Künstlers
Kollege Crampton steht die tiefe Tragödie Gabriel Schillings, der sich mit seiner
allzu empfindlichen Seele in der Misere des Daseins und zwischen zwei Frauen
aufreibt. Streben und Mißlingen aus eigenster schmerzlicher Erfahrung stellt
Hauptmann am Glockengießer Heinrich dar, und der reisende Handwerksbursche
Michel Hellriegel aus dem Glashüttenmärchen „Und Pippa tanzt“, dieser liebens-
würdig-leidenschaftliche Phantast, für den die Träume und Wünsche wirklicher

sind als die Wirklichkeit, auch er ist im Grunde ein Dichter. Ja, hier ist der
W 7eg betreten, welcher aus dem oben angedeuteten verhängnisvollen Zirkel, daß
die Kunst sich selbst zum Gegenstande nimmt, wieder herausführt. Daß die
innere Welt stärker ist als die äußere, das ist das Menschliche am Künstler und
Dichter — und zugleich das Dichterische an jedem ausgezeichneten Menschen. Die
Macht der Idee ist für uns Ideutige das eigentlich Heldenhafte. Und nur inso-
fern er dieser Macht untertan ist, als ein Mensch, in dessen Leben das Ideelle
und Unwirkliche die größere Rolle spielt, ist auch der Künstler ein Held.

Unsere Bilder.

ßarl Hennig: Hochwild im Winter. Wenn der W 7inter sich von der
milden Seite zeigt, hat das Wild gute Tage: die Saaten stehen im üppigen Grün,
und überall gibt es in Wald und Fekl genug Äsung. Anders, wenn Frost und
Schnee längere Zeit ihre Herrschaft ausüben. Dann wird
sehr bald Schmalhans Küchenmeister, und besonders
das Schalenwild, die Rehe und Hirsche haben
zu leiden. Öfters stellt sich ein noch
größerer Feind ein. Das ist bei hohem
Schnee der l.arte Frost. Friert die
Oberfläche des Schnees zu einer
steinharten Kruste zusammen,
so beginnt für das Hochwild
die böse Zeit der Not. Bei
jedem Tritt brechen die
Läufe durch die harte
Decke und schon nach
kurzer Zeit haben sie
böse Wunden, die
immer größer werden,
so daß schließlich die
Tiere keinen Schritt
mehr gehen, um sich
nicht Schmerzen zu
machen, sondern sich
im Schnee niedertun
und dann oft an Ent-
behrung zugrunde ge-
hen. Da ist es Pflicht
eines hegenden Jägers,
nicht nur genügend Futter-
stellen einzurichten, son-
dern auch mit dem Schnee-
pflug Bahnen zu schaffen, auf
denen das Wild ungefährdet zu
den Futterstellen gelangen kann.

Im Gegensatz zu dieser Not des Whntcrs
hat M. J. Iwill in seinem Gemälde „Tief
verschneit“ das stimmungsvolle Idyll des
weißen, lichten Winters wiedergegeben. Dr. St.

* *

*

W.Stryowski: Peter der Große inAmsterdam.

Der Schöpfer des modernen russischen Reiches unter-
nahm weite Reisen, um die westeuropäischen Kulturverhältnisse kennen zu lernen.
Besonders interessierte er sich für den Schiffbau. So fuhr er nach England und
hielt sich dann längere Zeit in Holland auf, wo er unerkannt eine ganze W 7eile auf
einer Schiffswerft inZaandam arbeitete; noch jetzt kann man das einfache Stübchen
sehen, in dem der Zar als Zimmermann gelebt hat. Unser Bild führt uns nach
Amsterdam, wohin sich Peter der Große von Zaandam aus begab. Der Maler
zeigt uns das bewegte Leben am Ilafen. Stolze Schiffe liegen vor Anker und
eine Menge geschäftiger Menschen strömen nach dem sonnigen freien Platz am
Wasser. Eine Anzahl halbwüchsiger Burschen liegen in lustigem Streit an der
Erde, nicht achtend, daß ein Korb mit Fischen umgefallen ist, sie schlagen sich
und raufen sich und keiner von ihnen achtet des stolzen, schönen Jünglings,
der, an ihnen vorbeischreitend, auf sie herniederschaut. Nur ein Fischermädchen,
das mit Eimern voll Wasser daher kommt, beschaut neugierigen Blickes den
schönen Fremdling, und einige Händler, die in seinem aufrechten, stolzen Gang
einen vornehmen Herrn erkennen, drängen sich an ihn heran. — Den mächtigen
Gebieter des großen russischen Reiches ahnt keiner von allen in dem einfach
geldeideten, ohne alles Gefolge daher kommenden Manne. Er bahnt sich selbst
seinen W reg, mit offenen Augen sieht er die Menschen und die Dinge, wie sie sich
ihm ganz ungekünstelt und natürlich darstellen, und als kluger Herrscher lernt er
von allem, was ihm entgegentritt, und verwendet es dann später auf seine Weise bei
der Neugestaltung des gan'zen Reichswesens, das Rußland ihm zu Verdanken hat.

* *

*

G. Broquet: Der verwundete Geier. Die französische Revolution be-
herrscht als blutiges Drama die ganze Geschichte am Ausgang des achtzehnten
Jahrhunderts. Die Anstifter selbst haben es nicht geahnt, mit welchem unend-

lichen Schrecken ihr Beginnen enden würde. Die gemäßigten Parteien verlangten
nur erst Beschränkung der königlichen Gewalt und Teilnahme des dritten
Standes an der Regierung, beides wurde nicht in gewünschtem Maße gewährt,
und der Haß des Volkes loderte empor. Danton und
Robespierre, die beiden Fanatiker, stellten sich an
dieSpitze der großen Menge, und die ursprüng-
lichen Führer wurden beiseite geschoben.
Die Schreckensherrschaft begann. Ro-
bespierre, ein Mann von einfachen
Sitten und bescheidenem Leben,
ging weiter und weiter in sei-
nem wilden Haß. Dcr König,
Ludwig XVI. beendete sein
Leben auf dem Schaffot,
und die unglückliche Köni-
gin mußte ihm folgen.
Immer größer zogen
sich die Kreise, bald
wußte keiner mehr,
wie lange ihm noch
die Sonne scheinen
würde. Da wandte
sich denn der Zorn
gegen den, der derÄn-
stifter all dieses Un-
heils war, gegen Robe-
spierre selbst. Erwurde
verurteilt, gefangen ge-
nommen und. mußte seine
vielen Schreckenstaten mit
dem Tode büßen. Unser
Bild zeigt ihn vor der Ge-
fangennahme; er hat sich sei-
ner Widersacher erwehrt, doch
er ist unterlegen, und mit trotzigem,
höhnischem Gesicht, wie ein verwun-
deter Geier, sieht er der letzten Stunde
auf dem Schaffot entgegen.

* *

J. C. Dollman: „Um Tod und Leben“. Während
die andern Bärenarten flüchten, geht der Grislybär
ohne weiteres auf den Menschen los. Und wehe, wenn
die Kugel des Jägers nicht tödlich ist. Der rasende Bär umarmt ihn, sobald
er ihn eingeholt hat, und zerpreßt ihm die Rippen oder zerreißt ihm mit
einem einzigen Tatzenschlage den Leib. Diese Gefahren hielten den jagenden
Indianer nicht ab, sobald er die Fährten Ephraims entdeckt hatte, den Kampf
um Leben und Tod zu wagen. Bei der Lebenszähigkeit des Ungeheuers hatte
der Schuß, obgleich er aus nächster Nähe abgegeben wurde, den Bären nicht
tödlich verwundet; von rasendem Schmerz erfüllt, suchte er um jeden Preis
seinen Gegner zu packen. Jetzt konnte den kühnen Gegner nur noch seine Gelenkig-
keit retten, deshalb warf er schnell seine Waffe von sich. In die steilste Felspartie,
die er kennt, fiüchtete er sich, aber öffenbar ist er dennoch verloren. L. B.

* *

Winslow Iiomer: „Fuchs von Krälien verfolgt“. Alle Krähenvögel
sind wegen ihrer Dreistigkeit, mit der sie weit stärkere Geschöpfe sozusagen an-
pöbeln, seit langem bekannt. Weshalb jedoch die Krähen den Adler regelmäßig
belästigen, ist unklar, denn die schwarzen Gesellen frißt er wohl nur ausnahms-
weise, wie das gleiche auch bei Reinecke der Fall ist. Bei beiden wird die
Sache wohl so liegen: sie fliehen vor den lästigen Krähen, weil sie wissen;
einmal ist eine Krähe kaum zu fangen, wenn sie aber durch Zufall wirklich
erhascht ist, dann schmeckt sie abscheulich. Ausschlaggebend ist ferner für
Adler und Fuchs die Erwägung, daß dort, wo die Krähen lärmen, keine Beute
zu machen ist, denn alle Tiere der Umgebung sind ja gewarnt. Deshalb läßt
sich selbst der starke Wolf von einem Schwarm Krähen vertreiben. — Feine,
rassig-adlige Züge, ein Antlitz, in dem sich Uberlegenheit mit einem Beigeschmack
von Hochmut mischt, hat H. Fenner-Behmer in seinem schönen Frauenkopfe
„Edles Blut“ wiedergegeben. L.

G.Dubufet Entwurf für eineu Plafond im Elysee-Palast.
 
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