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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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15. Heft
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Ostler, Rudolf: Die Studentengräfin: Lola Montez in der Dichtung unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0440

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Die Studentengräfin.


Lola Montez in der Dichtung unserer Zeit.

[Nachdruck verhoten.]

ast scheint es, als ob sie noch einmal der Welt die Köpfe verdrehen wollte:
\ Lola Montez, die feueräugige, leichtgliedrige Spanierin, die sich München
zum Tanzplatze erkoren hatte und in ihren Reigen einen König und
seine Minister, die Universitätsprofessoren und
Studenten, die Offiziere und das Bayernvolk
hineinriß. Die Münchener Revolution, Lola
Montez, die Universität und das Ilofbräuhaus
sind mit Ludwigs I. Thronentsagung 1848
aufs engste verknüpft. Gewiß, auch das Hof-
bräuhaus! Denn die Verteuerung des Bieres
trug mit dazu bei, dem Faß der empörten
Volksseele im wahren Sinne des Wortes den
Boden auszuschlagen und sie zum Überlaufen
zu bringen. Welch ein Stoff also — von Ernst
und Ilumor schillernd, je nachdem man ihn
wenden mag! Der Bär des bayrischen Volkes
macht auf den leichtsinnigen Schmetterling,
der seinen König umgaukelt, mit derber Tatze
Jagd, bis der Falter endlich unter wilder Er-
regung aller davonflattert. Ein vormärzliches
I'anzidj'll hat Eduard Fuchs sein Werk, das
Lola Montez in der zeitgenössischen Karikatur
darstellt, treffend zubenannt.

Frejlich auf die Bühne des Lebens gelangt
die kühne, kokette Abenteuerin, die fern dem
Glanze der Krone in einem Armenviertel
New Yorks starb, nicht mehr zurück. Immer-
hin weht ein Hauch jener Zeit in die unsere
hinüber, da Lola Montez ihren Einfluß auf
die Geschicke des Staates mit Entschiedenheit
gegen die Jesuiten eingesetzt hat. Aber über
die Bühne des Theaters und der Literatur ist
sie in letzter Zeit wiederholt geschritten, und
zwar bringt man sie am liebsten mit der
akademischen Jugend als „Studentengräfin“
in Beziehung. Denn diesen Beinamen hatte die
zur Gräfin Landsfeld erhobene Tänzerin er-
halten! Die Bedeutung der Universität war
ihrem beweglichen Geiste keineswegs ver-
borgen. Deshalb hat sie die Feindseligkeit der Studenten, die es gelegentlich an
Beleidigungen nicht fehlen ließen und einmal LoIaMontez vor der Theatiner Kirche
sich spöttisch gegenseitig zureichten, herb empfunden. Ja, sie soll auch Ludwig I.
kniefällig gebeten haben, von seinem Vorhaben, den Universitätslehrer Lasaulx
seiner Stellung zu entsetzen, abzustehen. Daß ihr dagegen die hohe, sowohl
gastronomische wie politische Wichtigkeit des Bieres resp. seiner Wohlfeilheit
unbekannt war, mag für cine Ausländerin, die eben leider keinen deutschen
Magen hat, immerhin
entschuldbar bleiben.

Die Studenten-
verbindungen hatten
sich gegen Lola Mon-
tez erklärt. So suchte
die Energiereiche
ihnen ein Paroli zu
bieten, iudem sie ein
neues Korps, die Ale-
mannen insLeben rief,
das ihrer Gunst und
der des Königs sichcr
sein konnte. Aber von
den übrigen Studenten
wurden sie bald mit
dem Namen Lola-
montane verspottet.

Mit diesen Schütz-
lingen suchte die
Gräfin Landsfeld sich
die Universität zu er-
obcrn. Ihnen hatte sie,
wie die Chronika be-
richtet, im I linterbau
ihres Ilauses in der
Barerstraße ein ele-
gantes Kneipzimmer

Leo Falls „Studentengräfin'*. 1. Akt.

Fritzi Massary als Lola Montez und Susanue Bachrich als Molly.
Phot. Willmger, Berlin.

hergerichtet, in dem die hohe Gönnerin wiederholt selbst im Studentenwichs,
mit Stiefeln und Sporen angetan, erschienen sein soll. Ein Elias Peißner, Türmer-
sohn aus Wilseck in der Pfalz, scheint besonders ihr Page gewesen zu sein, aber

ohne daß über gegenseitige Liebe Bestimmtes
verlautete. Hatte doch Lola Montez auch
allen Grund, vorsichtig zu sein, um sich die
Gunst des Königs gegen alle Verleumder zu
erhalten.

Um diese beiden Persönlichkeiten, die
Gräfin Landsfeld und ihren Studenten, hat die
Dichtung die Arabesken ihrer Phantasie ge-
schlungen. Aber die Bühne mußte wegen
der Zensur von der Persönlichkeit Ludwigs I.
absehen. Hier kann der Schriftsteller in der
Erzählungs-Fo rm ein ungleich klareres und
vollkommeneres Bild bieten, wie das auch
Joseph August Lux in seinem, mit zeitge-
nössischen Illustrationen und Dokumenten
reich und vornehm ausgestatteten historischen
Roman Lola Montez (Verlag von Rich.Bong,
Berlin W, Preis M. 4,—, geb. M. 5,—) getan
hat. Zwischen Tragik und Komik schwankend,
deren Grenzen wiederholt ineinander über-
fließen, entrollt sich hier ein farbenreicher,
ungewöhnlich fesselnder Ausschnitt aus dem
München der Jahre 1846—1848, das im Zeichen
des Wandersterns Lola Montez stand. Aus
der reichen Zahl treffsicher gezeichneter Cha-
raktere tritt Ludwig I. am sympalhischsten
hervor, trotz mancher Schwächen ein edel-
denkender Ilerrscher, ein König der Künstlcr
und — der Schöpfer Münchens als Kunst-
stadt, die von ihm ihre Prägung empfing.
Die Ilandlung greift rasch um sich. Aus der
Iierzenssache, König und Tänzerin, wird ein
Staatsereignis; die Erregung der Politiker,
der Frauen der Hofkreise und Studenten
steigert sich zur Massenerregung, die zu Lolas
Sturz und den Münchner Märztagen führt,
denen eine gewisse Komik anhaften bleibt. Wiederholt spielt die Jesuitenfrage
hinein. Aber dem künstlerischen Geiste des Autors liegt es fern, eine einscitige
Parteistellung zu nehmen; er verteilt Licht und Schatten nach innerer Not-
wendigkeit, d. h. im Sinne der historischen und psychologischen Wahrheit. Dabci
sprudelt der kecke, muntere Geist einer Lola Montez aus allen Teilen der flotten
Erzählung, die ein nicht unwichtiges Stück Geschichte wiedergibt. Die dämonische
Kraft dieser Courtisane, ihr unersättlicher Ehrgeiz, ihre Koketterie und ihr Leicht-

sinn schillern in allen
Farben. Über dic
Bühne des Bayern-
reichs scheint ein ver-
führerischer Kobold
zu schlüpfen, der in
aller Köpfen spukt,
Diesem vielseiti-
gen Bilde gegenüber
muß sich die Theater-
dichtung auf einen
engeren Ausschnitt
beschränken und
wählt, wie bereits er-
wähnt, die eigentliche
Episode der „Studen-
tengräfin“. Hierbeihat
der Münchener Jo s e f
Ruederer in der
Dichtung des Ietzten
Jahrzehnts mit seiner
Komödie „dieMorgen-
röte“ den Anfang ge-
rnacht. Mit diesem
Namen hatte man ja
das liberale Ministe-
rium geneckt, das un-
ter dem Einfluß von

Leo Falls „Studentengräfin“. I.Akt.

Phot Willinger, Berlin.

Im Yordergrunde: Spitzweg, Herr Pfann; Burckhardt, Herr Bachmann; Lola Montez, Fritzi Massary; Josef Stiglmayer, Herr Pallenberg.

XXVll. 15. Z-Z.
 
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