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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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23. Heft
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Anwand, Oskar: Berliner Jubiläums-Kunstausstellung
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Knopf, Julius: Insekten auf der Speisekarte: eine entomologische Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0715

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MODERNE KUNST.

298

sonst angenommen werden konnten,
und die Jury strenger geübt werden
mußte. Aber der frische Zug, auf
den man von Jahr zu Jahr hofft,
fehlt wieder. So bleibt das alteBild,
es bleiben die bekannten Künstler.

Dazu gehört der Präsident der
Ausstellung Friedrich Kallmorgen,
ferner Hans Herrmann, dessen
„Blumenmarkt in Amsterdam“ die
„Moderne Kunst“ im vorigen Hefte
als farbige Reproduktion gebracht
hat, ferner der Stilleben-Maler
August von Brandis, Hugo Vogel,

Oskar Frenzel und andere. Eben-
so hat der stark begabte Hans
Hartig gute Arbeiten geschaffen,
die mit Vorliebe den Winter und
winterliches Treiben schildern.

Das gilt auch von dem Bilde
„Tauwetter“, das diesem Aufsatz
als Abbildung beigefügt ist. Ihm
ließen sich Louis Lejeune anreihen
und Leonhard Sandrock, dem die
Welt derEisenbahn zu seinerMaler-
welt geworden ist. Der Karls-
ruher Herm. Göhler wiederum läßt
gern die Welt des Rokoko oder
Biedermeiertums und ihre abgezir-
kelten doch stimmungsvollen Parks
und Gärten aufleben, wobei die
Menschen sich als kleine Figürchen wie Spielzeug von ihrer Umgebung abheben.
Wenn diese Künstler ihre Kunst vorwiegend von dem malerischen Standpunkt
betrachten, ja man hier und dort von einem modifizierten Impressionismus
sprechen kann, geht Lud wig Bartning wiederum von der Zeichnung aus, etwa

wie das die ältere deutsche Kunst
oder Thoma getan haben. So gibt
er in seinem Bilde „Oberengadin“
vom Berge aus einen schönen Aus-
blick auf das Inntal und einen
seiner Gipfel, deren Formen vom
Duft der Ferne wie mit einem leisen
Schleier verhängt sind. Aus Bruno
Marquardts Bilde spricht durch
das Widerspiel von Sonne und
Schatten, die über die Bäume und
die Gestalten der badenden und sich
entkleidenden Mädchen huschen,
die Klarheit und Frische eines
„Sommertages“.

Die übrigen drei diesem Auf-
satze beigefügten Abbildungen
stammen von Düsseldorfer Künst-
lern. Wie gut hat Fr. Kiederich
die schon dünne Herbstsonne wie-
dergegeben, die auf den weiten
leeren Acker, auf die Pferde und
den Rauch des Kartoffelfeuers
fällt. Hans Kohlschein gestaltet
die erwartungsvolle Stimmung
deutscher Krieger, die vor Beginn
einer Schlacht im Jahre 1814 auf
verschneitem Felde in langer Linie
herausfordernd oder ergeben dem
Schicksale entgegenschauen. Ein
Bild frauenhafter Anmut bietet
Fritz Reusing in seinem Damenporträt „Vor dem Spiegel“.

Auch die Plastik der Jubiläums-Ausstellung gibt durch Hinzuziehung älterer
Werke einen Überblick über eine größere Spanne Zeit und den Stilwechsel, den
sie mit sich braclite. Hiervon soll noch die Rede sein. Dr. Oskar Anwand.

Herm. Göhler: Bassin im Park von Schönbrunn. Große Berliner Jubiläums-Kunstausstellung.

Inse^ten auf dep 5peise^apte.

Eine entomologische Plauderei von Julius Knopf.

Bie unangenehmen Begleiterscheinungen des Sommers, Fliegen, Mücken,
Wespen, machen uns arg zu schaffen, zumal wenn wir unsere Ferien-
■w erholung in einem ländlichen Aufenthalt suchen. Wo Kühe und Pferde
sind, da gibt es auch Fliegen, wo sumpfiges Terrain, finden sich die Mücken ein,
und das schönste Mittagsmahl im Freien können die uns hartnäckig umsummenden
Wespen empfindlich stören. Oft genug hört man ja die entsetzte Klage: „Die
Fliegen essen uns beinahe auf!“ Trotzdem dürfte es keinem von uns einfallen,
Gleiches mit Gleichem zu vergelten und die impertinenten Plagegeister in die
Tiefe des Magens zu versenken. Dieser Gedanke erscheint uns einfach absurd.

[Nachdruck verboten.]

Und doch gab und gibt es Völkerstämme, denen manche Insekten eine will-
kommene Bereicherung der täglichen Speisekarte bedeuten. Meldet doch bereits
das alte Testament, daß die Kinder Israels während ihrer vierzigjährigen Leidens-
fahrt durch die Wüste nicht nur das berühmte Mannah aßen, sondern sich auch
Heuschrecken angedeihen ließen. Wahrscheinlich der Not gehorchend. Ob sie
ihnen gemundet haben, darüber meldet die Bibel allerdings nichts. Doch der
um die Zeit vor Christi Geburt lebende griechische Geograph Strabo berichtet,
daß einige äthiopische Stämme Acridophagi, Pleuschreckenesser, genannt wurden,
wtil diese Gradflügler ihre Leibatzung seien. Eine kulinarische Vorliebe, die
sie übrigens, Iaut Plinius, mit den Parthern geteilt haben.

Aber auch für gewisse Genossen unserer Zeit, wenn auch nicht
unserer Kultur, bilden die Heuschrecken eine schmackhafte Nahrung.
Die Hottentotten sind diese Insekten-Feinschmecker. Nicht nur, daß sie
sich Acridina, Feldheuschrecken, einfach kochen, ohne jede Zutaten,-
und dann verzehren — nein, sie genießen sogar mit Vorliebe eine aus
Heuschreckeneiern bereitete Suppe.

Den asiatischen und afrikanischen Barbaren, insbesondere auch
den Abessiniern, sind Heuschrecken eine höchst willkommene Be-
reicherung der Speisekarte. Dort, wo die schädlichen Tiere in Millionen
von Exemplaren auftreten, fängt man sie ein, menschlichen Magen
zum Wohlgefallen. Man gräbt eine Höhlung in die Erde, bekleidet
sie mit Ton, den man durch Feuer härtet und füllt dann die so ent-
standene feuersichere Grube mit den Heuschrecken. Nun wird die
Höhlung luftdicht abgeschlossen, und ein lustiges Feuer entzündet, das
die Heuschrecken röstet, wie wenn sie Kaffeebohnen wären. Nach
dem Rösten werden sie zerstoßen und aus dem also gewonnenen
Heuschreckenpulver, das mit Weizenmehl gemengt wird, werden die
verschiedensten Gebäcke hergestellt. Sie sollen delikat schmecken —
sagen die Abessinier.

Von den Halbflüglern waren es die lieblich zirpenden Zikaden,
die von den alten Hellenen mit großem Vergnügen gegessen wurden.
Der große Philosoph Aristoteles und der nicht minder große Lust-
spieldichter Aristophanes haben die Kunde von dieser Geschmacks-
verirrung ihrer Landsleute der Nachwelt überliefert. Bei keinem vor-
nehmen Gastmahl durfte auf der Tafel die Zikade fehlen. Auch sie
wurde geröstet, und eine deutsche Speisekarte würde das Gericht
wahrscheinlich notieren als: „Grille vom Grill“. Die amerikanische
Cicada septemdecim bedeutet auch heute noch den Indianern ein

Bruno Marquardt: Sommcrtag.

Große Bcrliner Jubiläunis-Kunstaus.stellung.
 
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