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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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2. Heft
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Romantische Burgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0058

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’,och immer blüht und duftet die blaue Blume der Romantik in Wald und
Au, in sanften Tälern und auf wilder Höhe. Noch immer tönt das Post-
horn, rauscht der Mühlenbach, noch immer wandern singend und jauchzend
die Burschen mit Ränzel und Stab das glitzernde Flußtal entlang, und wer nur
suchen mag, der findet immer noch „ein Schloß in alter Wildnis“. Romantische
Burgen, zerfallene Klöster, Wachttürme und Mauern in Trümmer, was wissen sie
nicht alles dem empfindsamen Wanderer zu sagen und zu deuten! Und es sind
gewiß nicht immer die berühmtesten Burgen, jene, die im Baedeker einen Stern
haben, die Panoptikumsehenswürdigkeiten sozusagen, die jeder gesehen haben muß:
Die Wartburg etwa, die Rudelsburg, Schloß Rheinstein, der Regenstein und wie
sie sonst noch heißen, die dem Hellhörigen das Tiefste und Schönste zu sagen
wissen. Das rührend Verlassene
und Verfallene so mancher ab-
seits von der großen Pleerstraße
gelegenen Ruine spricht oft weit
eindringlicher zu dem Empfäng-
lichen. Freilich, empfänglich muß
man für solche Poesie schon sein,
soll sie in Liedern einem tönen,
in hohen Worten einen rühren.

Es ist nur zu wahr, was Thackeray
einmal sagte: „Die Welt ist wie
ein Spiegel und gibt einem jeden
nur ein treues Abbild seines eig-
nen Gesichts zurück.“ Man höre
nur einmal, wie ein romantischer
Wandersmann —- es ist der alte
Friedrich Hoffmann, und diese
Worte stehen in seinem Buche von
den „Burgen und Bergfesten des
Harzes“ — beim Anblick solcher
toten Größe Gott und die Welt
empfindet: „Nie war ich auf dieser
Stätte, ohne durch den Gegensatz
lebendig ergriffen zu werden, der
sich in den hälb zertrümmerten
Steingewölben dieser Feste und in
dem lebendigen Weben und Wal-
ten der prächtigen Schöpfung des
Herrn ankündigt, die sich ewig
erneuert, die ewig aus dem Tode
frisches Leben hervorruft. Wie
lagen sie doch tief unter mir alle
die kleinen menschlichen Sorgen,
so viel engherzige menschliche Be-
strebungen und die Leidenschaf-
ten, durch die so manche Sterb-
liche sich selbst den Frieden und
andern die Freude rauben! Wie
schwang mein Geist sich empor
beim Anblick dieser herrlichen
Schöpfung zu dem, der diese
Bergewerdenließ, dessenKraft aus
dem blitzenden Auge des Adlers
und aus den Tönen der Nachtigall,
dessen Liebe aus jedem Strahle
des Sonnenballs und aus jedem Tautropfen auf den purpurroten Blättchen dieser
Steinnelke spricht. Nie war ich auf dieser Stätte, ohne daß ich mich erhoben
und beruhigt gefühlt hätte; wenn es mir so recht wehe war um das Herz bei

Die Heinrichsburg

dem wüsten Treiben der Menschen, so floh ich hierher, sammelte mich und

ging getröstet von dannen.“ Das klingt wie ein Hymnus aus dem „Heinrich von

Ofterdingen“ des Novalis oder aus Tiecks „Reise ins Blaue“; aber so- empfand

man in jenen Tagen der Romantik wohl ganz allgemein. Und man kann auch

heute noch ähnlich empfinden, doch gesünder und ohne gleich in Überschwang

zu geraten. Welch romantische Erlebnisse knüpfen sich nicht für mich selbst

an so manche zerfallene Burg, an Schlösser und Wälle. Ich denke an jenes

alte Schloß im Lahntal, von dessen Altane mjr freundliche Mädchen Sträuße

hinabwarfen. Das Wasser rauschte über das breite Wehr und funkelte im Abend-

sonnengold. Hoch oben um den runden Turm des Schlosses kreisten lautlos

schwarze Dohlen und aus dem satten Grün von Geisblatt und von Re'ben neigten

sich lachenddieMädel in den hellen

Fähnchen herab und wehten mit

Tüchern und winkten Lebewohl.

Und über die Brücke kam, von

grätschbeinigen Rindern gezogen,

ein Wagen voller Heu. Der Knecht

schritt barhäuptig daneben und

knallte mit der Peitsche und sang

dazu ein altes Volkslied. — Und

ich denke an jene alte, epheuum-

rankte Ruine im Aartal. Ich war

aufs Geratewohl gewandert und

vom Weg gekommen. Die Nacht

sank nieder, ihre Schatten zogen,

Strauch und Baum ins Riesenhaft-

Groteske; nur dann und wann ein

heller Stern am Ilimmel durch die

dichten Wipfei schauend und das

blasse Silberlicht desMondes. Jetzt

vor mir in der Senke ein Wiesen-

tal, die Nebel schwingen und zer-

flattern und ballen sich von neuem

wie zu Schleiern und scheinen zu

winken. Und keine Menschenseele

weit und breit. Und wieder steigt

der Weg, führt höher und höher,

durch Wald und Buschwerk, da

endlich ein warmer, gelber Schim-

mer, der in der Finsternis zerfließt:

ich stehe am Fuße einer Burgruine.

Nun tappe ich durch dunkle Gänge,

stoß hier an Mauerwerk und dort.

Und über mir bellt nun ein Hund,

ich höre Menschenstimmen. Es

kommt mit einer Leuchte wer die

Treppe hinabgegangen und fragt

und ruft, ich antworte und b.in in

einem behaglich hellen, breiten

Raum. Um die Hängelampe am

mächtigen Tisch ein Bild wie von

Richter gezeichnet, alt und jung

und groß und klein. Und ich muß

erzählen, wie ich in der Irre ging,

.. ,, ,, ,. und man nötigt mich, das Abend-

in Württemberg. Phöt.. Ed. Fi-ankp Berlin. , .

mahl zu teilen und bereitet mir em

Bett in einem Zimmer des Turms. —Die blaue Blume der Romantik blüht noch

immer in Tälern und auf Höhen, im Wald und guf der Au, man muß nur Augen

haben, sie zu finden, und ein Herz, an ihrem: Dufte sich zu freuen. A. Hn.

Romantische Burgen.

[Nachdruck verboten.]

2icfc-

önig Alfons von Spanien, dessen große sportliche Passion ja allge-
Al v mein bekannt ist, wohnte mit seiner Gemahlin, der Königin Ena Viktoria,
der diesjährigen Segelwoche von Cowes bei. Die Cowes-Woche, wie die be-
rühmten Segelregatten im Solent, dem zwischen der Insel Wight und dem eng-
lischen Festlande gelegenen Meeresarm, kurz genannt werden, ist nicht nur ein
bedeutendes sportliches, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis von Wichtig-
keit, vor allem deswegen, weil sie alijährlich das englische Königspaar und eine
ganze Reihe von Fürstlichkeiten in Osborn Cottage, dem Wohnsitz des Königs
von England, zu versammeln pfiegt. In diesem Jahre trugen die gesellschaft-
lichen Veranstaltungen in Osborn Cottage ein besonders animiertes Gepräge.
Unter andern Festiichkeiten fand auch eine große „Garden Party“ statt, bei der

zu Wohltätigkeitszwecken eine Reihe amüsamter Wettkämpfe und Wettbewerbe
inszeniert wurde. Einer der eifrigsten Teilnehmer an diesen rnehr oder weniger
geistreichen, aber durchweg zweifellos sehr lustigen Zerstreuungen der „Oberen
Vierhundert“ war König Alfons. Der Monarch, der über eine gute Dosis natür-
lichen Humors verfügt, übernahm u. a. das Amt des Schiedsrichters in einer
Konkurrenz, in der die Herren Damenhüte zu garnieren hatten, und fällte seine
Entscheidungen in ebenso treffender wie witziger Weise. In andern Wett-
bewerben trat er selbst als Konkurrent auf; so entwickelte er z. B. in einer
Wurfkonkurrenz, in der mit handfesten Eichenknüppeln nach einer mit brüchigem
Küchengeschirr angefüllten Bude geworfen werden mußte, viel Geschick und eine
Treffsicherheit, die allerdings nur diejenigen in Erstaunen setzte, denen es nicht
 
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