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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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17. Heft
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Abeking, Hermann: Otto H. Engel
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Schwerdtfeger, Robert: Trauriges Liebeslied
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0489

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200

MODERNE KUNST.

Erfolges. Er schart alle die um sich,die müde
sind des allzu bunten Taumels im Kunst-
leben, die sich nach einem stillen Frieden
sehnen im Lärm und im Streite der sich
befehdenden Meinungen und Doktrinen.

Wie Oasen muten seine Bilder an, sie
scheinen zu sprechen: „Hier ruh’dich aus,
hier ist’s gut sein.“ Nachdem wir so
freundlich gebeten sind, zu verweilen, er-
weist sich der Kiinstler als prächtiger Wirt.

Immer reicher und reicher entfaltet sich sein
Werk in beschaulicher Schönheit, die
schlichte Schale birgt einen köstlichen Kern,
immer enger umspannt uns der Zauber des
Künstlers, bis wir, uns endlich losreißend,
für immer das gleiche Erlebnis in uns
tragen, das dem Maler damals beschieden
wurde, als er, zum erstenmale sein Motiv
erspähend, den Schritt hemmte. Otto
H. Engels Technik ist von unprätentiöser
Anspruchslosigkeit. Nicht daß ihm etwas
fehlte, das zuin handwerklichen Können des
Malers gehörte. Im Gegenteil, er beherrscht
seine Mittel mit spielender Leichtigkeit,
und gerade dieses sein Können erscheint
ihm so selbstverständlich, so wenig des Auf-
hebens wert, daß er es nicht in besonderen
artistischen Tricks zu zeigen braucht: Seht,
so prächtig kann ich malen, seht, so wacker
vermag ich zu zeichnen. Engel hält sich so-
wohl vom allzu pastosen Auftrag, als auch von
gesuchter Giätte fern. Ihm ist die Technik
nicht Zweck an sich, ihm ist sie das Mittel
eben das zu sagen, was er fühlt und
empfindet.

Schlicht wie seine ganze Art ist derLebens-
weg des Künstlers, der ihn doch zu großen
äußeren Ehren führen sollte. Otto H. Enge!
wurde am 27. November 1866 in Hessen in
der Stadt Erbach als Sohn eines Geistlichen
geboren. Nachdem seine Eltern bald nach
seiner Geburt nach Berlin übersiedelten, ist Engel mit Ausnahme von einigen Studien- und
Jungmeisterjahren, die er in Karlsruhe und in München verbrachte, der Metropole treu
geblieben. Auf Wunsch seiner Eltern besuchte er das Gymnasium und bezog erst
als Zwanzigjähriger die Berliner Akademie. Hier erwarb er sich teilweise als Schüler
von Paul Meyerheim seine sichere, solide Zeichnung. Dann zog es ihn fort nach
Karlsruhe, wo er sich unter der Leitung bewährter Lehrkräfte, so der Schönlebers,
der Freilichtmalerei widmen durfle. Vom Jahre 1891 an finden wir den jungen
Künstler in München, wo er auch, und zwar in der Ausstellung der Münchener
Sezession 1893, mit einem Bilde debütierte. 1896 kehrte Otto H. Engel nach Berlin
zurück. Hier hat er einen dauernden Platz im Berliner Kunstleben gefunden. Zum
Professor ernannt, wurde ihm die Mitgliedschaft der Königlichen Akademie der Künste
zuteil, 1907 und 1908 leitete er als Präsident die Große Kunstausstellung im Landes-
ausstellungsgebäude, Berlin.

Wenn so Otto H. Engel durchaus in Berlin festen Fuß gefaßt hat, so liegt doch
seine künstlerische Heimat fernab, weit von der Großstadf. Schon früh suchte er in
seinen Studienreisen das Meer, durchstreifte Schleswig-Holstein und Mecklenburg, bis
ihm schließlich die friesischen Inseln, besonders Föhr, eine dauernde Quelle seines
Schaffens werden sollten. Hier fand der Maler das, nach dem seine Wesensart strebte.
Die schlichte stilie Ruhe, die einfache Größe utid unendliche Schönheit, diesich dort über
Meer, Wiesen und Felder, über die Dörfer, die in dichten Gärten versteckt zu träumen
scheinen, breitet, zitterte in seiner Seele nach. Hier entstanden, ohne daß der Künstler
sich durchaus auf eine gleiche Note festgelegt hätte, seine Werke: Die Stimmungen
am Meer und iiber der weiten Ebene, die beschatteten Dorfausschnitte im warmen

Mittags- oder Abendglanz, die friesischen
Frauen in ihrer bunten Tracht und die
spielenden Kinder. „Am Festtagsmorgen"
nennt Engel eine seiner Szenen, die seine
figürlichen Bilder sehr charakteristisch ver-
tritt. Hart am linken Bildrand steht ein
Mädchen in weißer Schürze, den Kopf
leicht gesenkt. Die Freundin im dunklen
Kleid vor ihr erhebt die Arme, den Kopf-
putz des Mädchens zu ordnen. Im Hinter-
grund flimmert ein feurig helles Grün.
Schwer ist es, zu sagen, was diese kleine
Szene so überaus anmutig, so liebevoll
erfreuend gestaltet. Ist es die ohne jede
Betonung so vorzüglich getroffene Lässig-
keit der Bewegungen? Ist es der Ausdruck
der Gesichter, der sich fern vom Modell-
haften in wahrer Natürlichkeit darbietet?
Oder ist es wieder das malerische Problem,
das den dunklen Rock gegen das Weiß
der Schürze, die tieftönigen Köpfe gegen
das helle Grün des Gartens stellt? Es
mag sich wohl all das zu einer einheitlichen
Wirkung vereinigen, aber die Ursache des
so durchgreifenden Erfolges ist die Empfin-
dung des Menschen im Künstler, die volle
Harmonie seines Erlebens, die unbefangen
und mit zarten Fesseln sich über den Be-
schauer breitet. Die Stimmung voll in sich
aufzunehmen, ist Engels Werk und Ver-
dienst. „Der Blick ins Weite“ erweckt ein
träumerisches Sehnen in unserer Brust. Eine
dunkle Hecke baut sich vor uns auf. Die
weiße Pforte steht offen. Rechts und links
umgrenzen hohe Bäume das Bild, wie von
ihnen gerahmt dehnt sich der unendliche
Himmel, und weit, ja weit führt die be-
wachsene Straße, fast eins mit den flachen
Wiesen und Feldern, in die Ferne. Ein
junges Mädchen, das Tragholz, das die
gefüllten Eimer hält, auf den Schultern,
zögert an der Pforte. Auch hier deckt sich der malerische Wert ganz mit dem
des Empfindens. Im richtigen Erkennen des Kontrastes setzt der Künstler die Hecke
und die Stämme der Bäume in ein tiefes Dunkel. Gegenwärtig stehen sie da. Und
aus dem Dunkel heraus entwickeln sich die hellen Töne des Streifens Land, um
schließlich in dem Hell des Himmels ihre Krönung zu finden. Das ist das Schweifen
in die Zukunft, das Unnennbare. Doch das Schönste ist, daß. uns auch hier kein
Iauter Klang das Herz zerreist. Unsere Sehnsucht ist bescheiden und schlicht. Wir
fühlen uns lind und wohl. Wie eine Erfüllung erscheint das Bild „Wenn’s Abend
wird". Ein trauliches Häuschen mit steilem Rohrdach und weißen Fenstern ladet so
recht zur Rast nach des Tages Hasten und Treiben ein. Wie Schutz suchend klammert
sich das Buschwerk an das Gemäuer, um über die Tür hinaus seine Krone an den
Giebel zu betten. Und vor der offenen Pforte erwartet den von der Arbeit heim-
kehrenden Mann sein Liebstes: Weib und Kind. Den schweren, sonnendurchglühten
Mittag des nächsten Tages zeigt der „Friesische Bauernhof“. Alles ist hier massig
und dicht, wie zu Boden gedrückt von sengender Glut. Das Gehöft scheint zu schlafen
in bleierner Ruhe, zu schlafen scheinen die engbelaubten Kronen der Bäume. Ein ehernes
Schweigen liegt über dem Lande.

Wenn wir heute von Otto H. Engel Abschied nehmen, so sind wir überzeugt,
daß dieser Abschied nur ein vorläufiger sein kann, denn der Künstler steht in der
Vollkraft seines Schaffens, er ist auch gar nicht gewillt, sich mit seinen großen Erfolgen
zu begnügen und seine Arbeit auf das Gebiet zu beschränken, das ihm diese Erfolge
brachte. AIs echten Künstler lockt ihn jeder neue Tag, und wir hoffen mit ihm, daß
er ihm und uns noch viel des Erlebens und Gebens bringen möchte.

Otto H. Engel: Am Festtagsmorgen.

o Trauriges Liebeslied °

Von Robert Schwerdtfeger.

Als die Lerche

Als die Lerche

Als die Lerche

Früh am Tag

Höher stieg

Fliederfiel,

Aus dem Tau erwachte.

Und dem Blick entschwebte.

Tag der Flacht sidi einte.

Sang sie: Himmel, bist du schön.

Sang sie: Himmel, bist du hoch.

Schwieg sie. Dodi ein Käuzchen sdhrie:

Tiri—liri—liri—li

Tiri—liri—liri—li

Ti—rili—rili—rili

Und mein Herze iachte.

Und mein llerz erbebte.

Und mein Herze weinte. A
 
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