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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Die Jubiläumsausstellung.

wenig wie etwa Menzel in die Sezession gehörtj,
bilden als Deutsche Wilhelm Trübner und
Max Liebermann hier diesen Kernbestand der
Ausstellung. Denkt man sich ihre Arbeiten hin-
weg, so erschrickt man, wie wenig Greifbares
sonst übrigbleibt.

Laut dem Vorwort des Katalogs will die
Ausstellung zeigen, „was jetzt den Künstler be-
wegt, erregt und angreift“, ein Programm, dem
die Sensation nahe steht, und das grofie Gefahren
in sich birgt. Kunst ist nämlich das, was einzelne
Begabungen hervorbringen, und ihnen sollte man
dienen. Dieses Programm aber erklärt die herr-
schende Kunstströmung, oder schärfer gesagt die
Kunstmode zur eigentlichen Kunst. Als heutige
Kunstströmung schwebt nun der Sezession vor
— die Kunstrevolution; sie wird hier in Per-
manenz erklärt. Das ständige Aufrollen neuer
Fragen und das Vorwiegen problematischer Ele-
rnente wird als geistvoll und interessant fast
einzig gelten gelassen. Dabei verkennt man die
Tatsache, daß die Kunst im Bändigen und Be-
herrschen des Problematischen, nicht aber im
Problematischen selbst besteht. Entwickelt sich
nun ein Talent ruhiger, so begegnet man ihm
mit Mifitrauen oder weist es überhaupt ab. An
seine Stelle treten dafür andere Maler mit der
-Geste der modischen Revolution, hinter der sich
oft Mitläufertum und Spießerei verbergen. „Die
Sezession ist kein Ruhepunkt, sie ist ein Weg;
sie ist für ihre Mitglieder keine Existenzsicherung,
sondern eine Existenzgefährdung, denn sie macht
die Kräfte der Kommenden immer wieder mobil.“
Wirklich? oder leitet sie die Künstler von sich
selbst ab? Und wäre es nicht besser, die Kräfte
der Daseienden zu erhöhen und zu stärken!

Das Bild der Ausstellung ist also folgendes.
Auf der einen Seite ältere gediegene Kunst, in
der Mitte einige der bekannten Sezessionsmit-
glieder, dann die jüngste Generation. Das alles
wird in gewohnter Weise von französischer Ma-
lerei entsprechend begleitet.

Von den Sonderausstellungen Trübners und
Liebermanns braucht man nur zu erwähnen,
daß sie diese Künstler gut darstellen, im Grunde
aber nicht notwendig waren, weil beide hin-
reichend bekannt sind. Was an ihnen erfreut, ist die
gute Malerei im eigentlichen Sinne des Wortes, der
vornehme Ton und die sichere Zeichnung, die ihre besten
Arbeiten charakterisieren. Dagegen gehen nicht starke
seelische Werte von ihnen aus. Ihnen könnte man als
Franzosen Cözanne gegenüber stellen, von dem eine
Anzahl reifer und ausgezeichneter Arbeiten hier vereinigt
ist. Interessant wirkt der frühe „Mord“, der ein leiden-
schaftliches an Daumier gemahnendes Pathos und eine
dunkle Palette zeigt, die an van Goghs früheste Epoche,
z. B. seine „Kartoffelesser“ erinnert. Auf van Gogh
selbst wird diesmal nur mit einigen Stücken, immerhin
charakteristisch hingewiesen. Sonst kommt von franzö-
sischen Künstlern Renoir mit guten und weniger guten
Arbeiten zu Wort, und recht überflüssigerweise wurden
an eine Vorläufer des Impressionismus und Neo-

impressionismus G. Seurat
Wiederbelebungsversuche
unternommen. DenÜbergang
zu der jüngeren Generation
bildet hier Toulouse Lau-
trec. Unter den Mitgliedern
der Sezession steht Slevogt
mit seir.en Stilleben: Vögeln,
Krevetten usw., die Farben-
spiele von hohem Geschmack
und sprudelndem Tempera-
ment sind, obenan. L. von
Kalckreuth sei mit einem
guten Männerporträt, und der
Münchener Feiks mit einem
Damenbildnis genannt, wäh-
rend das Porträt sonst auf
der Ausstellung schwach er-
scheint. Von Corinths Ar-
beiten ist der „Bootshafen
an der Riviera“ die beste.
Ferner hebe ich die Stilleben
Breyers hervor.

Das Streben der Se-
zessionskünstler im allge-
meinen ist dieses: aus dem
mechanischen Impressionis-
mus zu einer Kunst zu ge-
langen, die mehr Gefühls-
und Phantasieelemente ent-
hält und mehr aufbauender
Natur ist. Vorerst erzielt
man dabei nur recht geringe
Erfolge. Das beweist z. B.
Beckmanns „Untergang
der Titanic“, eine Arbeit, der

Der Bodo Ebhardt-Saal der Großen Berliner Kunstausstellnng. 1 h°'’ H' Bo''' BerIm’ emfacli alles fehlt, was dazu

Große Berliner Kunstausstellung 1913. Vor der Eingangshalle.

Phot. H. Boll, Berlin.

von vornherein erhaben ist. Was man mit der Aus-
stellung bezweckte, ist klar. Die Anziehungskraft der
Sezession war für das Publikum bedenklich gesunken,
nun wollte man sie dadurch heben, daß man sie wieder
in erhöhtem Maße zur eigentlichen Sezession, d. h. radikal
machte. Daher das Abweisen einiger positiver Begabun-
gen, die sich ruhiger entwickeln und nicht vor allem
„überraschend“ auftreten. Daher das zahlreiche, viel zu
zahlreiche Herbeiziehen jüngster Experimentatoren, der
Neusezessionisten, Expressionisten usw., gegen die sich
Cassirer doch vor kurzem noch so energisch gewehrt
hat. Aber eine Ausstellung, die fast nur problematische
Versuche und kraftlose Geistreicheleien enthielte, wäre
natürlich unmöglich. Deshalb griff man auf der andern
Seite zu einigen sogenannten Klassikern der Moderne
zurück. Um von Wilhelm Leibl abzusehen (der ebenso

Die Große Berliner Kunstausstellung, die
diesmal dem 25jährigen Regierungsjubiläum des
Kaisers gilt, zeigt schon äußerlich ein festliches
Aussehen, das sie von den Veranstaltungen der
übrigen Jahre unterscheidet. Die große Kuppel-
halle des Eingangs ist, wie dies unsere Abbildung
zeigt, in würdig dekorativer Weise mit Lorbeer-
grün geschmückt. Im Garten davor haben einige
Werke der Plastik Aufstellung gefunden. Zu
beiden Seiten des Portals ragt die Pferdegruppe
von Eberhard Encke, die fiir das Gebäude der
deutschen Botschaft in St. Petersburg bestimmt
ist. Leider befinden sich im Garten sonst keine
Werke monumentaler Kunst, über die die Aus-
stellung doch verfügt, und die hierher gehört
hätten. Die Ringergruppe Wilhelm Haverkamps
macht an dieser Stelle einen unruhigen Ein-
druck, ja man befürchtet, daß einer der beiden
Kämpfer in die Blumen fallen müßte.

Was vor allem die Jubiläumsausstellung von
ihren Schwestern früherer Jahre unterscheidet,
ist die Architekturabteilung, die der Kaiser aus
den Modellen, Photographien und Plänen hervor-
ragender Bauten, an denen er besonderes Inter-
esse genommen hat, herstelldn ließ. Auf sie
wurde bereits in unserm Überblick über die Aus-
stellung hingewiesen. An diesen Saal schließt
sich die Sonderausstellung des Architekten Bodo
Ebhardt, Bauten und Burgen enthaltend, die als
Zeugen deutscher Vergangenheit den Kaiser
gleichfalls besonders interessieren. Hier stehen
in Modellen die Hohkönigsburg, die Feste Koburg,
die Burg Gröditzburg, das Schloß Neuenstein in
Württemberg, die Burg Tzschocha in Schlesien
und andere Bauten vor dem Auge des Beschauers.
So gehört auch dieser etwas bunt gehaltene Saal
zur retrospektiven Abteilung, und zwar in dop-
pelter Weise, einmal indem er von den Wieder-
herstellungsarbeiten der letzten 25 Jahre Kunde
gibt, dann aber, weil er auf eine weit ältere
Epoche deutscher Vergangenheit hinweist.


Frühjahrs-Sezession 1913.

Von Dr. Oskar Anwanil.

Die Frühjahrsausstellung der Berliner Sezession, die
erste, die unter der Präsidentschaft des Kunsthändlers
Cassirer stattfindet, machte schon vor ihrer Eröffnung
in wenig erfreulicher Weise von sich reden. Die Jury
war nämlich besonders scharf ausgeübt und eine be-
trächtliche Anzahl von Künstlern mit ihren Arbeiten
zurückgewiesen worden. Nun tauchte in der Presse
die Behauptung auf, das schwarze Los habe gerade
diejenigen Maler und Bildhauer betroffen, die im Winter
gegen die Wahl Cassirers (also eines Kaufmanns, nicht
Künstlers) zum Präsidenten der Sezession aufgetreten
wären. Diese Anklage wird sich kaum halten lassen. Detin
einmal gehörte Cassirer
selbst derjury nicht an, zwei-
tens war sie aus Künstlern
zusammengesetzt, an deren
Spitze Max Slevogt stand,
und man wird ihnen keine
unlauteren Motive zutrauen,
drittens sind auch die Ar-
beiten einiger Künstler, die
zur Cassirer-Partei gehören,
abgelehnt worden. Ander-
seits ist es selbstverständlich,
daß vomPräsidenten zur Jury
und umgekehrt Fäden hin
und wieder laufen. Wer will
also gerade in ästhetischen,
d. h. von Stimmung abhän-
gigen Fragen und Urteilen
Imponderabilien, verborgene
Einflüsse usw. abwägen! Je-
denfalls haben die von der
Jury refusierten Künstler in
der unmittelbaren Nähe der
Sezession ihre eigene Aus-
stellung yeranstaltet, von der
nachher die Rede sein soll,
und man schüttelt über
manche Ablehnung den Kopf.

Zweifellos erhellt aus diesem
Streit, daß die Künstler, die
gegen die Wahl Cassirers
zum Präsidenten stimmten,
im Recht waren. An einen
solchen Posten gehört eben
eine hervorragende Künstler-
persönlichkeit, die iiber alle
Anzweiflungen dieser Art

XXVII. 21. B 5.
 
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