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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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2. Heft
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Malten, L.: Der Gast: Plauderei vom Thespiskarren
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0046

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Andre Devambez: Gulliver bei den Zwergcn.

Der Gast

Plauderei vom Thespiskarren von L. Malten.

er ^ ast — gehaßt . . . Damit wäre eigentlich ohne jeden weiteren Kom-
mentar sein Charakteristikum erschöpft, meinen Sie? Keineswegs. Wenn
auch hinter den Kulissen sein Ansehen nicht immer im besten Licht
erscheint. Denn — mag er nun geliebt oder gehaßt erscheinen, er ist im letztenFall
immer ein Umstürzler . . . einer der nichts oder im seltensten Fall etwas gelten
läßt . . . der, vom Direktor angefangen, der ihn akzeptiert, weil er ihn braucht, bis
zum Souffleur hinunter seine Kreise zieht — Kreise, in denen die wenige Iiarmonie,
welche hinter den Kulissen überhaupt zu Hause ist, vollends existenzlos wird.

Der Regieplan, das in kurzen Nächten und langen Tagen fein gesponnene
Gewebe des Spielleiters, wie der verdeutschte Ausdruck heißt, ist das erste
Opfer des Gastes ... Er kommt in letzter Stunde . . . . in allerletzter, wo
kaurn noch ein Zwischenraum mitunter Platz greift, zwischen Probe und Vor-
steilung und erklärt ganz kurz: „Nein ... Das bin ich so gewöhnt . .

~ [Nachdruck verboten.]

Es handelt sich um eincn Auftritt, utn eine Stellung . . . urn ein Requisit —
gleichviel. Das Fazit ist immer wieder: eine Anderung, die so und so viele Ände-
rungen nach sich zieht, die, kurz gesagt, einen ganzen fertig aufgestellten Körper
in Disharmonie bringt. Und das ist alles viel, sehr viel gewichtiger, wie es dem
Laienauge erscheinen mag. Denn auf der Bühne gibt es im Grunde genommen
kein: Ich will. Es gibt eigentlich nur ein: Ich muß. Der Künstler, so frei er
nach außen hin erscheint, ist ein gebundenes Werkzeug in den Händen dessen,
der die Zügel führt. Er muß sich fügen in das Getriebe, wie jedes Rädchen
im Uhrwerk, er muß gehen, wie dieses, wenn des Gefüge tadellos, das heißt in
diesem Fall, künstlerisch funktionieren soll. Das alles — bedenke man — ist
angestrebt, das Werk geht — sozusagen. Und da kommt einer in allerletzter
Stunde und sagt: „Nicht linksum — rechtsum. Nicht gradeaus — seitwärts“ usf.
ln den Köpfen der Künstler beginnt’s zu spuken. Sie werden irre. Das

XXVII. ä
 
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