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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0274

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MODERNE KUNST.

apfelförmige, um die Mitte des 13. Jahrhunderts oft zu einem Reliquien-
kästchen erweiterte bzw. umgebildete Knauf, der kugelförmige, der
birnenförmige Knauf usf. Bis zuni 14. Jahrhundert war das immer
noch an die uralte „Spatha“ erinnernde, jedoch mit einer Blut-
rinne versehene Schwert Hiebwaffe. Von jetzt an bildeten sie
sich zur Stoßwaffe um, werden länger und erhalten nach der
Spitze zu eine Verstärkung, die „Gräte“. Weitere Verbesse-
rungen, die namentlich die Gewichtsverteilung betreffen,
schaffen aus solchen Pörschwertern (Bohrschwertern) im
15. Jahrhundert die „Panzerstecher“. Aber die Stoßschwerter
genügten doch nicht allein, und so finden wir in jener Zeit
daneben in den von ihrer gewellten oder geflammten Klinge
„Flammenberge“ genannten Waffen riesige Hiebschwerter.

Die außerordentliche Länge und Schwere dieser Waffen
brachte es mit sich, daß sie nur von beiden Pländen gemein-
sam regiert werden konnten. Diese „Biedenhander“ des
Fußvolks dienten dazu, „mit furchtbarer Kraft um den Kopf
geschwungen, eine Lücke in die dichtgedrängte Reitermasse
zu fegen“, so daß das nachdrängende Fußvolk eine Gasse
zum Kampfe fand. Sehr häufig war die Klinge dieser Bieden-
hander nicht geflammt oder gezahnt, sondern nur abdachig
glatt. Freilich so ricsige Exemplare wie das hier abgebildete,

1,70 m lange Schwert sind wohl nur recht wenige gefertigt worden.

;i: * Dr. E. A.

Ludwig Thoma, der durch seine scharfe, treffsichere Satire
bekannte Schlemihl des Simplizissimus, hatte auch in seinen bishe-

rigen dramatischen
Gaben („Moral“, „I.

Klasse", „Lottchens
Geburtstag“) seine starke sati-
rische Ader nicht verleugnet.
Aber man weiß, daß sein Platz
nicht ausschließlich auf derBank
ist, da die Spötter sitzen. In
kraftvollen Bauernromanen hat
er schon Beweise von einer
größeren, stärkeren Gestaltungs-
kraft geliefert, und nun hat er
auch der Bühne ein Werk ge-
schenkt, das dieser Seite seines
Talents das günstigste, ver-
heißungsvollste Zeugnis aus-
stellt. Das dreiaktige Volksstück
„Magdalena“ hat, wie auf vielen
Bühnen im Reiche, so auch im
Berliner Kleinen Theater, ge-
tragen von einer geradlinigen,
großzügigen Darstellung, den
verdienten starken Beifall ge-
funden. Daß Thoma das Werk
unter der alten Flagge „Volks-
stück“ segeln läßt, kann fast als
ein ironischer Zug erscheinen.
Von der Sentimentalität, die den
Stücken dieser Gattung in der
Regel anhaftet, findet sich bei
Ludwig Thoma nichts. Und gerade dieser Verzicht auf biilige
Rühr- und Mitleidswirkungen sichert seiner Arbeit ihren
besonderen Wert. Die Geschichte der in der Stadt ge-
fallenen Dorfschönen, die er da gestaltet hat, ist
weniger eine Tragödie verletzter Moralbegriffe
als eine Geldangelegenheit, die in der bäuer
lichen Anschauungswelt eine markante Rolle
spielt. Zweimal tritt das Geldmotiv cha-
rakteristisch auf. Magdalena, die per
Schub in ihr Heimatsdorf gebracht wird,
jammert nicht sowohl über den Frevel,
den der Verführer an ihrem Leibe be-
gangen, als darüber, daß er sie auch um
ihre Ersparnisse gebracht, und ferner: die
Empörung im Dorfe darüber, daß „so
eine“ in der Gemeinde sitzt, kommt doch
erst dann zu offenem Ausbrueh, als ruch-
bar wird, daß sie von einem Burschen
für ihre Gunstbezeugung klingenden Lohn
geheischt. In diesen Motiven und in der
Charakterzeichnung des Mädchens, die so
völlig die Merkmale des büßenden Mag-
dalenentums ausschaltet, liegt der reale

Der erößte Zweihänder

Wert des Volksstücks. Seinen künstlerischen gewinnt es vor allem
aus der straffen, auf alles Eipisodische verzichtenden, stracks auf
das Ziel losgehenden Komposition. Und sicher wie das Mädchen
sind die gütige Mutter, der Vater mit den Meister-Anton-Zügen,
der dem Liebeswerben des Mädchens hartnäckig widerstehende
Knecht, der Bürgermeister als Hüter der öffentlichen Moral
und ein paar andere Bauerntypen gezeichnet, so daß das
Werk als eine gediegene und wertvoüe Bereicherung unserer
dramatischen Bauernliteratur zu begrüßen ist. k.

Das russische Ballett der Petersburger Hofoper ist in
Berlin kein fremder Gast mehr, denn schon wiederholt
weilte dieses ausgezeichnete Ballett mit seinen Koryphäen
der Tanzkunst in der deutschen Reichshauptstadt. Diesmal
ist nicht Anna Pawlowna der Stern des Ensembles, sondern
die schöne Karsavina, welche mit ihrem Partner Adolf
Bolm geradezu Triumphe feiern darf. Die schöne Russin
ist für ihre Rollen geboren, ihre „Kleopatra“, ihre „Thamar“
und wie alle diese grausamen Frauengestalten der choreo-
graphischen Dramen heißen, sind Erscheinungen, welche die
rassige Persnnlichkeit Karsavinas vollendet verkörpert. Dabei
kommt sowohl der Freund der klassischen Tanzkunst, wie auch
der Verehrer moderner Muse auf die Rechnung. Umgeben von
einem stattlichen Gefolge von ca. 100 Jüngerinnen und Jüngern
Terpsichores, ragt das Paar Karsavina und Adolf Bolm wie zwei
Meteore hervor. Ganz besonders aber zeigt sich das im „Feuer-
vogel“, dem farbenprächtigen Märchenballett von M. Jokin. Der Feuer-
vogel, jenes geheimnisvolle Geschöpf, das den einsamen Wanders-
mann, nämlich den jungen Fürstensohn Ivan Zarevitch, vor dem Märchenschloß
umflattert und entzückt, ist Karsavina selbst. Der junge Fürst weiß eine Feder





.

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Ludvvig Thoma.

Phot. Kester &
Co., Miinchen.

Frl. Karsavina und Ilerr Bolm im Tanz „Der Feuervogel".

Cop. E. O. Hoppe.

des herrlichen Vogels zu gewinnen und mit derselben auch den Eingang in das
Schloß, wo Kostchei der Unsterbliche haust, der gräßliche Riese mit den grünen
Fingern, der die Reisenden zu Stein verwandelt und sie in un-
durchdringlichen Mauern gefangen hält. Eine Schar ver-
wunschner Prinzessinnen erscheint auf der Terrasse
des Schlosses, die schöne Tsarewna an der Spitze.
Ein wirbelnder Reigen beginnt und der junge
Fürst verliebt sich in das schönste der
Märchenmädchen. Da plötzlich stürzt eine
Menge unheimlicher Gestalten aus dem
Schloß; der „Unsterbliche“, ein Greis
von abschreckender Fläßlichkeit, wirft
sich auf den Eindringling, doch die Feder
des Feuervogels hält alle im Banne. Der
reizende Vogel umgaukelt aufs neue den
Prinzen, er verrät ihm den Aufenthalt
des Eies, welches die Seele des unheim-
lichen Kostchei enthält. Ivan Zarevitch
findet das Ei und zerschlägt es. Alle
Steine beleben sich, nachdem der Un-
sterbliche seinen Tod gefunden hat; der
Feuervogel legt die Hand der schönen
Tsarewna in diejenige -Ivans und ver-
schwindet vor ihren staunenden Augen
sodann für immer. Viklor Happrich.

Die russische Tänzerin Karsavina
in der Rolle der Fürstin Thamar.

Cop. E, O. Hoppe.
 
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