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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0616
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Die neuen Muschelanlagen in Sanssouci. Teilansicht.
Phot. Atelier Leonard. Berlin-Wilmersdorf.
Reiz zu verbreiten, das beweist sein Kriegerdenkmal in
Wörlitz, die Bronzetafel der Bürgermeister im Berliner
Rathaus, die interessante Wettersäule auf dem Schloß-
platz, die Neue Grünstraßenbrücke, die vielseitigen
Interieurs im Schweriner Schloß, im Politechnikum zu
Danzig, der Kaiser-Wilhelm-Akademie und viele andere
seiner Werke. Auch diesmal in der Detailgestaltung hat
er sich als Meister bewährt.
Die Besucher des Parks von Sanssouci werden stau-
nen über die imposante Schöpfung unseres Kaisers und
dankbar aufschauen zu den in Stein gemeißelten Lettern:
15. Juni 1888 — 15. Juni 19x3. Wilhelm II.
S. L. Schlieder.
Aus dem Berliner Musikleben.
(II. Vierteljahrsbericht. Januar bis April 1914.)
II.
Gegen das Ende der Wintersaison wurden durch die
Königliche Kapelle zum ersten Male Georg Schu-
manns, des bekannten Chorleiters der Berliner Sing-

akademie, Variationen über ein frühbachisches
Thema aufgeführt. Hier herrschte nur teilweise
Modernität vor; denn Schumann steht auf der
Grenze zwischen Klassizismus und anarchischer
Neuzeit. Er ist ein technisch ungemein geschickter
Komponist, der in dem Genre der Variationen
Ausgezeichnetes leistet. Trotzdem will es mir
scheinen, als ob sich aus dem Bachthema weit
mehr hätte herausholen lassen, und weiterhin
wollte mir die zum Teil sehr mit modernen
Mitteln arbeitende Orchestrierung als ein innerer
Widerspruch zu dem altehrwürdigen Motiv gelten.
Jedenfalls hat die Arbeit den Zuhörern sehr
zugesagt.
Weiterhin erschien Gernsheims Tondichtung
,,Zu einem Drama" (schon von Nikisch auf-
geführt), ferner der interessante Entr’act aus
Bruneaus Oper „Messidor“ und ein Witz,
Percy Graingers „Mock Morrisdänce" (Mohren-
tanz), auch diese bereits bekannt, auf dem Plan,
ebenso Plauseggers „Wieland, der Schmied", den
man erst kurz vorher in dessen Konzerten gehört
hatte. Daß der 10. Abend wie üblich mit der
9. Sinfonie Beethovens beschlossen wurde, ver-
steht sich von selbst.
Arthur Nikisch, der, obwohl nicht der
jüngste mehr, dennoch in unverwüstlicher Jugend-
frische den Stab führt, nicht nur ein Meister des
Taktstocks, sondern zugleich auch ein vorbild-
liches Muster für alle jüngeren Dirigenten, hat
auch mit Neuheiten nicht gespart. Am 12. Januar
erklang zum ersten Male Heinrich Zöllners
dritte Sinfonie „Im Hochgebirge" op. 130 (!).
Zöllner ist bekanntlich ein vortrefflicher Kom-
ponist von Männerchören; zum Teil hat er auch
mit Opern („Die versunkene Glocke“) Aufsehen
erregt. Aber auf diese Gebiete ist seine In-
dividualität beschränkt. Meiner Überzeugung
nach wird er mit der Sinfonie keine Lorbeeren
ernten. Diese Form liegt ihm nicht, wie aus dem
genannten Opus sogar sehr klar hervorgeht. Es gibt
darin nur ganz wenige, vereinzelte Episoden, die so
etwas wie eine persönliche Note, auch in der Instru-
mentation aufweisen. Das sogenannte Scherzo, das fast
immer gelingt, ist bei ihm der allerschwächste Satz, und
das Finale weist Längen auf, die nicht Vorkommen
dürfen, wenn eine innere Inspiration den Autor zum
Niederschreiben zwang. Die Zuhörer merkten das alles,
und bescherten dem Komponisten allenfalls einen
Achtungserfolg. Ganz anders steht es da um die „Sin-
fonietta“ — es ist nebenbei gesagt, eine recht aus-
gewachsene „Sinfonie“ — des 16jährigen Wieners Erich
Wolfgang Korngold. Dieses Opus 5 läßt staunen
über eine geradezu einzig dastehende Begabung in der
Verwendung der technischen Mittel und in der Assimi-
lation an unsere bekanntesten modernen Tonschöpfer,
namentlich an Richard Strauß. Dieser exzeptionellen
Begabung kann man seine Bewunderung nicht versagen.
Und trotzdem habe ich, ehrlich gesprochen, ernstliche
Bedenken für die Zukunft des äußerst talentiei'ten jungen
Mannes. Mich macht die-
ser ungeheuerliche Nach-
ahmungstrieb stutzig. Es ist
zwar richtig, daß jeder, auch
noch so geniale Komponist
sich auf denVorbildern seiner
Zeit aufbaut, aber: „Was
ein Häkchen werden will,
krümmt sich bei Zeiten“,
und dieses „Häkchen“, vulgo
die „Klaue des Löwen" ver-
misse ich bei Korngold, ob-
wohl sie sich jetzt schon evi-
dent zeigen müßte. Deshalb
nehme ich eine abwartende
Stellung ein; es wird sich
offenbaren müssen, wie sich
bei dieser ungewöhnlichen
Begabung die eigne Origi-
nalität einmal herausschält!
Und ich bin der erste, der
dann Vater Korngold und
seinem Sohne . von Herzen
gratuliert. — Auch ein neues
Violinkonzert des Akademi-
kers Gernsheim, von Pro-
fessor Marteau gespielt, in
F-dur, wurde hier zum ersten
Male vernommen, ein ganz
vortrefflich gearbeitetes, im
langsamen Satze hervor-
ragend schönes Werk, das
dem Autor viel Anerkennung
gebracht hat. Scheinpflugs
,, Lustspielou ver türe", Phi-
lipp Scharwenkas reizende
sinfonische Dichtung „Früh-
lingsmorgen“ .und Georg
Schumanns bekannte Choral -

Diejubiläums-Stiftung des Kaisers
im Park von Sanssouci.

Ausgerüstet mit dem scharfen Blick der Er-
kenntnis der nie ermüdenden Energie und dem vor-
denkenden diplomatischen Talent, hat unser Kaiser
in den 26 Jahren seiner friedenerhaltenden, segens-
vollen Regierung klar bewiesen, daß ihm durch
seine vornehm-ritterliche Herrscherwürde, gepaart
mit der impulsiven Schnelligkeit, mit der er seine
Gedanken durchführt, die Kraft innewohnt, ein
würdiger Nachkomme seines Ahnherrn Friedrichs
des Großen zu sein. Neben der eisernen Arbeit
zum Wohle des Staates, sind, ihm Kunst und
Wissenschaft Erholung, ihre Ausübung und Pflege
Bedürfnis 1
Seinem Vorfahren gleich, schützt und schirmt
Kaiser Wilhelm II. die Architektur Die monu-
mentalen Paläste, die der große König nach
den schlesischen Siegen ersann und ausführen
ließ, in Berlin und Potsdam, geben Kunde für
seine intensive Förderung der Baukunst. Die
Lieblingsidee war in Sanssouci ein fürstliches
Heim zu gründen, zum Ausruhen von den er-
drückenden Sorgen der Staatsleitung. Unser
Kaiser, der seine Jugendjahre im herrlichen Park
von Sanssouci genießen durfte, hat dies königliche
Dorado zu seinem enfant gäte gestempelt und
ist bestrebt, diese historische Stätte weiter zu
schmücken im Sinne der Friedrizianischen Zeit. Er
stiftete daher in generöser Weise, zur Erinnerung
an das Jubiläumsjahr imposante Treppen und
farbenprächtige Muschelgrotten zu Füßen des
Orangeriehauses, die jetzt vollendet und ein-
geweiht sind. Der bekannte Oberhofbaurat Geyer
(Direktor der Kgl. Hofbauverwaltung) führt seit
Jahren die architektonischen Entwürfe des Kaisers
als leitender Künstler aus und war auch diesmal
berufen, das imposante Werk zu schaffen. Sein fein-
empfindender Kunstsinn erdachte vor Jahren die voll-
ständige Umgestaltung der Prunkräume- und privaten
Gemächer der Majestäten im Berliner Schloß.
Es war damals eine Freude für die Mitglieder des
Kunstgewerbevereins, unter Führung des hochbegabten
und verdienten Architekten die Neugestaltung des
Königlichen Schlosses zu sehen. Raumsparend und sehr
praktisch gedacht, sind die verschiedenen, für fürstliche
Gäste abgesonderten Wolinräume komponiert worden.
Die interessante Besichtigung dauerte über zwei Stun-
den und erweckte allgemein Beifall. Während der kurzen
Regierungszeit des edlen kunstsinnigen Kaisers Friedrich
wurde bereits der allzu schattige Park von Sanssouci
gelichtet. Im Laufe der Jahre sind später, nach per-
sönlichen Angaben unseres Kaisers, allerorten dort große
Rasenflächen geschaffen mit architektonischerUmgebung.
Die Balustrade der Terrasse des Neuen Palais bildet einen
herrlichen Abschluß für das Gartenparterre. Nun hieß
es eine Lösung zu schaffen auf dem Niveau des Parks,
der einen würdigen Aufstieg zum Rafaelsaal bildet. Die
alte Hofgärtnerei und das
von Fremden viel besuchte,
wenig schöne Restaurations-
gebäude aix der Straße zum
Neu en Palais, mu ßten kassiert
werden. Das Jubiläums-
werk bildet die Fortsetzung
des von Friedrichwilhelm IV.
geschaffenen Treppenauf-
gangs zum Orangeriehaus
und stellt seine Verbindung
mit dem Parke her. Die
in gekrümmter Form ge-
stalteten Treppen schließen
ein mächtiges Wasserbecken
ein, in dessen Hintergrund
drei Rundbogenöffnungen
einen märchenhaften Grot-
■tenbau zeigen. Der rühm-
lichst bekannte Bildhauer
Ernst Westpfahl, welcher
auch die Innenarchitektur
für das Berliner Schloß
modellierte, hat in höchst
eigenartiger, origineller Art
hier Herrliches komponiert.
Löwenköpfe, die Wasser
speien, Delphine mit leuch-
tend roten Lippenwulsten,
Sphinxe und interessante
Ornamente, alles ist aus
Muscheln hergestellt, die auf
Zementgrund eingekittet,
den Tunnelbau, der die
unterste Terrasse trägt, sinn-
reich schmücken. Westpfahl
hat stets verstanden, seinen
Kompositionen einen ernsten
und doch liebenswürdigen

. , , Phot. Atelier Leonard, Berlin-Wilmersdorf.
Der Gang mit den Muscnelanlagen in Sanssouci.

XXVIII. 20. B.
 
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