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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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26. Heft
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Reincke, S.: Ein Künstler der Landschaftsphotographie
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Triepel, Gertrud: Lichte Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0787
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MODERNE KUNST.


Frank H. Read: Morgemiebel.

Silhouette vom Licht geschmälert werden, wie durchsichtig und tief bleibt ihm
der dunkle Himmel, und wie notwendig und kompositioneil fein empfunden ist
es, daß er die rechts emporschießenden Raketen links in den beiden herunter-
führenden Linien wieder zur Erde zurückleitet.
Natürlich ist ein solches Arbeiten nur möglich bei Anwendung eines Kopier-
prozesses, der eine gewisse Freiheit und die Möglichkeit der partiellen Beeinflussung
einzelner Bildpartien zuläßt. Frank H. Read benutzt gern den Gummidruck
auf Platin, neuerdings indessen noch lieber den Bromöldruck. Die drei Bilder,
die wir hier zeigen, sind Bromöldrucke. ; Das Bemerkenswerte des Bromöldrucks
besteht darin, daß zunächst ein gewöhnlicher Bromsilberdruck hergestellt wird.
Dieses Bild wird wieder ausgebleicht und gegerbt, worauf das Bichromatbild
von neuem durch fortschreitendes Betupfen mittels Pinsels und Ölfarbe hervor-
gerufen wird. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß
ein solches Verfahren dem Ausübenden viel mehr Mög-
lichkeiten in die Hand gibt, als ein rein mechanischer
Kopierprozeß. Dafür erfordert es natürlich auch eine
viel größere Summe an Erfahrung, Geschicklichkeit
und künstlerischem Takt.
Es gelingt Frank H. Read in jedem einzelnen
seiner Blätter Farbe zu suggerieren. Das schönste der
drei Bilder dünkt mich das Blatt, das er ,,Sommer“
benannt hat. Eine Photographie von einer Poesie des
Lichtes und der Atmosphäre, die an Monetsche Im-
pressionen erinnert.
Ein Stück Wiese mit ganz tiefem Plorizont, ein
paar hoher, schlanker Bäume, die weißen Giebel eines
Dörfchens im Hintergründe und darüber der Himmel.
Weiter nichts. Aber die ganze Poesie und selige Glut
eines Sommertags liegt darin, an dem man sich rück-
lings in das hohe Gras wirft, dem Summen der Bienen
lauscht und mit seinen Blicken dem Wanderzuge weißer
Wolken folgt.
Vor solchen Bildern, wo so viel persönliches Emp-
finden und Erleben gegeben wird, wo so viel malerische

Kultur, Gefühl und Können vereint ist, wird man die Nichtachtung der Photo-
graphie im Vergleich zur Malerei oder graphischen Darstellungsmethoden nicht
recht verstehen. Wenn man bedenkt, wie gering der Spielraum ist und wie wenig
dehnbar die Bedingungen der photographischen Mittel sind, wird man solchen
Leistungen eine gleiche Achtung nicht versagen dürfen.
Alle Bilder, die bisher noch von Frank H. Read zu sehen waren, trugen so klar
den Stempel der Persönlichkeit, daß man sie kaum verkennen konnte. Das dritte
Bild, das wir hier zeigen, im „Morgennebel“ ist ihm zu einem Licht-und Raum-
problem geworden. Im Ausschnitt, im Hereinhängen des dunklen Zweignetzes,
in der Art wie die ganze Komposition von einer Ecke ausgeht, an japanische
Meister erinnernd, war es ihm auf diesem Blatte wohl vor allem darum zu tun,
den Eindruck eines Morgens am Fluß zu geben. Alle Formen sind noch in die
neblige Unbestimmtheit der Londoner Frühe gehüllt,
nur auf Himmel und Wasser liegt eine zage Sonne.
Durch den letzten Brückenbogen schieben sich die un-
bestimmten Formen eines nahenden Dampfers heran.
Es ist ein Genuß zu sehen, welche Raumtiefe er auf
diesem Bilde erreicht, durch die geschickte Raumüber-
schneidung der dunklen, scharfgezeichneten Zweige,
durch die Spiegelung des Wassers, und das Heller- und
Unbestimmterwerden der Formen nach der Ferne zu.
Es ist ein weiter Weg von dem Auffinden eines Mo-
tivs bis zur Wiedergabe und Umformung desselben in
ein photographisches Bild. Die Erkenntnis, ob der Reiz,
die Eigenart einer Naturstimmung photographisch über-
haupt zu fassen ist, oder ob das Zwingende und Wesent-
liche ihrer Wirkung auf uns nicht außerhalb der Grenzen
photographischer Ausdrucksmöglichkeiten liegt, erfor-
dert nicht nur langjährige Erfahrung, sondern auch ein
hohes Maß künstlerischer Begabung. Wer seines Auges
und seiner Technik so sicher ist, daß er sein künstle-
risches Sehen in der Natur so weise nach der stärksten
Ausdruckskraft seiner technischen Mittel zu modifizieren
versteht, verdient den Ehrennamen Künstler.

Xoicßfe Qßeii.
Von Sertrud Friepel
(\0eiße Fäden in der ßuft,
On der Ferne blauer Fuji,
efonnengold auf FDald und Fiöh’n . . .
ßichie Zeit, wie schön bist du!
Ohre ^Schwingen ausgespannt,
cTchwebt die Seele durch das ßand,
Silles Frieden — alles Fluh’ . . .
ßichie Zeit, wie schön bist du!
 
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