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ein charakteristisches Bauwerk errichten, mit der Bedingung, daß es geeignet sein soll, seine
Position angemessen zu repräsentieren: "ich sagte ihm (dem Architekten), er soll von uns
nicht meinen, als ob wir etwa herrschende Fürsten wären, wir sind doch nur particulare cav-
alleros, demgemäß beabsichtige er kein kostbares Gebäude, nur ein standhaftes, recht pro-
portioniertes Gebäude soll er im Äußeren auch in schöner Symmetrie bauen... ". *
Von den Prämissen vermag das Spätbarock nur verhältnismäßig wenige Exemplare im "Hoch-
barock" vorzuweisen, die Stilwendung gegen den Klassizismus ist hierorts leichter und offen-
kundiger. Der klassizistische Grundsatz für den Bau von Kirchen beruht nicht so sehr auf
den Gedanken und Gründen Winckelmanns als vielmehr auf Erfahrung, Schulung, und auf
italienischen Eindrücken. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bedeutet der ungarische
klassizistische Bauanspruch eine Rationalisierung des Barocks, eine Anpassung an die Gege-
benheiten und nationalen Anforderungen, und bildet eine besondere einheimische Variante
des Zopfstils aus. Jene Wirkungskraft .darf bei der Prüfung der Tätigkeit der in Ungarn arbei-
tenden deutschen und österreichischen Meister nicht unbeachtet bleiben, denn sie war noch
immer bedeutend und anregend, oft sogar der erläuternde Umstand für die neoklassische
Bauidee.
Die Rolle des Auftraggebers ist im 18. Jahrhundert von ausschlaggebender Bedeutung und übt
auf die Entwicklung der Barockkunst in Ungarn einen erheblichen Einfluß aus. Daher unter-
scheidet sich die einheimische Kunstentfaltung nicht so sehr von den Schöpfungen und Ge-
staltungen der in unserem Lande beschäftigten Fremden. Die Selbstständigkeit des Künstlers
ist in Ungarn noch lange nicht so erstarkt wie in der westlichen Nachbarschaft, da Kunst und
Künstler hier noch nicht jene akademische Basis hatten, die sie sich hätten verschaffen können.
Dazu fehlte es hier am Willen des Königs; die Idee für eine Akademie der bildenden Künste
tauchte zuerst in hochadligen Kreisen auf. Der sich diesem Gedanken hingab, und auch zur
Führung geeignet war, und nicht nur als Propagator, sondern auch wohl als ihr Anwärter,
war der Österreicher Daniel Gran**. Der Bauunterricht und die Ausbildung akademischer
Anschauungen erfolgte damals an der ungarischen Universität und an den Mittelschulen, und
wird ein bedeutender Faktor für die Richtung der ganzen ungarischen Architektur (architec-
tura civilis). Der hochgradig geschulte Kunstanspruch sehnt sich nach Klassischem und findet
unter den österreichischen Akademikern Hillebrandt, Hefele und Canevale seine entspre-
chenden Gefährten. Die einheimische Baukunst und das Handwerk können bloß den einzigen
gleichwertigen inländisch geschulten Jacob Fellner neben sie stellen***, kein anderer ähnlich
begabter Meister ist unter seinen Zeitgenossen zu finden.
Der Weg des spezifisch ungarischen Bauwesens geht von der Ingenieurbildung aus. Eine der-
artige Ausbildung im heutigen Sinne wurde zuerst in Paris und in Ungarn eingeleitet (institutum
geometricum), ihre Früchte kommen aber erst zur Zeit des Jahrhundertwechsels für, die natio-
* Mit Bezug auf Bauunterricht und Bildung vgl. Miklos Mojzer: Architectura civilis. (=Mü-
vöszettörtöneti-Ertesitö VI/1957, pp. 103-118).
Betr. Siebensbürgens Bauwesen und seine Anforderungen vgl. V. Bierbrauer: A magyar ep-
itöszet törtönete, Budapest 1 937.
Johann Nep. Schauffs Theorie in seinen Schriften: Theorie der Säulenordnungen samt einer
ungarischen Nationalsäulenordnung, Preßburg 1790; Allgemeine Begriffe von Künsten und
Künstlern, angewendet auf die bildenden Künste zur Beförderung nützlicher Tätigkeit und
Bildung des nationalen Geschmacks, Preßburg 1 794; Grundbegriffe zur schönen Baukunst
und nützlichen Anwendung der äußerlichen Verzierungen an Gebäuden, Preßburg 1806.
** Betr. Pläne zur Errichtung einer ungarischen Kunstakademie vgl. J. Kapossy: Magyar mü-
vöszeti Akadömia terve a XVIII. szäzadban, Budapest 1 941 (Sep. Arch. Ert. XVIII-XIX/
1940-41, mit Veröffentlichung der Briefe Daniel Grans).
*** Jakob Fellners Kunsttätigkeit ist durch Elemör Rövhelyi eingehend behandelt; vgl. auch
Istvän Genthion: Az egri liceum, Budapest 1955 (kleine Monographie).
ein charakteristisches Bauwerk errichten, mit der Bedingung, daß es geeignet sein soll, seine
Position angemessen zu repräsentieren: "ich sagte ihm (dem Architekten), er soll von uns
nicht meinen, als ob wir etwa herrschende Fürsten wären, wir sind doch nur particulare cav-
alleros, demgemäß beabsichtige er kein kostbares Gebäude, nur ein standhaftes, recht pro-
portioniertes Gebäude soll er im Äußeren auch in schöner Symmetrie bauen... ". *
Von den Prämissen vermag das Spätbarock nur verhältnismäßig wenige Exemplare im "Hoch-
barock" vorzuweisen, die Stilwendung gegen den Klassizismus ist hierorts leichter und offen-
kundiger. Der klassizistische Grundsatz für den Bau von Kirchen beruht nicht so sehr auf
den Gedanken und Gründen Winckelmanns als vielmehr auf Erfahrung, Schulung, und auf
italienischen Eindrücken. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bedeutet der ungarische
klassizistische Bauanspruch eine Rationalisierung des Barocks, eine Anpassung an die Gege-
benheiten und nationalen Anforderungen, und bildet eine besondere einheimische Variante
des Zopfstils aus. Jene Wirkungskraft .darf bei der Prüfung der Tätigkeit der in Ungarn arbei-
tenden deutschen und österreichischen Meister nicht unbeachtet bleiben, denn sie war noch
immer bedeutend und anregend, oft sogar der erläuternde Umstand für die neoklassische
Bauidee.
Die Rolle des Auftraggebers ist im 18. Jahrhundert von ausschlaggebender Bedeutung und übt
auf die Entwicklung der Barockkunst in Ungarn einen erheblichen Einfluß aus. Daher unter-
scheidet sich die einheimische Kunstentfaltung nicht so sehr von den Schöpfungen und Ge-
staltungen der in unserem Lande beschäftigten Fremden. Die Selbstständigkeit des Künstlers
ist in Ungarn noch lange nicht so erstarkt wie in der westlichen Nachbarschaft, da Kunst und
Künstler hier noch nicht jene akademische Basis hatten, die sie sich hätten verschaffen können.
Dazu fehlte es hier am Willen des Königs; die Idee für eine Akademie der bildenden Künste
tauchte zuerst in hochadligen Kreisen auf. Der sich diesem Gedanken hingab, und auch zur
Führung geeignet war, und nicht nur als Propagator, sondern auch wohl als ihr Anwärter,
war der Österreicher Daniel Gran**. Der Bauunterricht und die Ausbildung akademischer
Anschauungen erfolgte damals an der ungarischen Universität und an den Mittelschulen, und
wird ein bedeutender Faktor für die Richtung der ganzen ungarischen Architektur (architec-
tura civilis). Der hochgradig geschulte Kunstanspruch sehnt sich nach Klassischem und findet
unter den österreichischen Akademikern Hillebrandt, Hefele und Canevale seine entspre-
chenden Gefährten. Die einheimische Baukunst und das Handwerk können bloß den einzigen
gleichwertigen inländisch geschulten Jacob Fellner neben sie stellen***, kein anderer ähnlich
begabter Meister ist unter seinen Zeitgenossen zu finden.
Der Weg des spezifisch ungarischen Bauwesens geht von der Ingenieurbildung aus. Eine der-
artige Ausbildung im heutigen Sinne wurde zuerst in Paris und in Ungarn eingeleitet (institutum
geometricum), ihre Früchte kommen aber erst zur Zeit des Jahrhundertwechsels für, die natio-
* Mit Bezug auf Bauunterricht und Bildung vgl. Miklos Mojzer: Architectura civilis. (=Mü-
vöszettörtöneti-Ertesitö VI/1957, pp. 103-118).
Betr. Siebensbürgens Bauwesen und seine Anforderungen vgl. V. Bierbrauer: A magyar ep-
itöszet törtönete, Budapest 1 937.
Johann Nep. Schauffs Theorie in seinen Schriften: Theorie der Säulenordnungen samt einer
ungarischen Nationalsäulenordnung, Preßburg 1790; Allgemeine Begriffe von Künsten und
Künstlern, angewendet auf die bildenden Künste zur Beförderung nützlicher Tätigkeit und
Bildung des nationalen Geschmacks, Preßburg 1 794; Grundbegriffe zur schönen Baukunst
und nützlichen Anwendung der äußerlichen Verzierungen an Gebäuden, Preßburg 1806.
** Betr. Pläne zur Errichtung einer ungarischen Kunstakademie vgl. J. Kapossy: Magyar mü-
vöszeti Akadömia terve a XVIII. szäzadban, Budapest 1 941 (Sep. Arch. Ert. XVIII-XIX/
1940-41, mit Veröffentlichung der Briefe Daniel Grans).
*** Jakob Fellners Kunsttätigkeit ist durch Elemör Rövhelyi eingehend behandelt; vgl. auch
Istvän Genthion: Az egri liceum, Budapest 1955 (kleine Monographie).