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Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 2,3): Der Muenster zu Freiburg im Breisgau — Darmstadt, [1828-31]

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https://doi.org/10.11588/diglit.8369#0007
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alters nicht diejenige Aufmerksamkeit gewidmet, welche sie verdienen. Je mehr der
Geschmack für die malerischen Schönheiten der gothischen Architektur zugenommen
hat, um so mehr ist es zu verwundern, dass noch bis jetzt der Versuch nicht gemacht
ist, aus jenen Gebäuden allgemeine Grundsätze der Konstruction zu entwickeln, um
dieselben mit Nutzen auf unsere Werke anzuwenden. Wenn die von unsern Vorfahren
in der Baukunst so trefflich gelösete Aufgabe, Grosses mit geringen Mitteln zu voll-
führen, schon an und für sich interessant ist5 so möchte dieselbe in unserer Zeit,
wo die Ansprüche au die Kunst fast in eben dem Verhältnisse steigen, als die Mittel
zur Ausführung vermindert werden, doppelt wichtig erscheinen.

Vielleicht wird daher die Mittheilung einiger Beobachtungen, so wie der Veranlas-
sung zu denselben nicht ganz ohne Interesse sein und dazu beitragen können, das Prinzip
zu entwickeln, welches jenen mittelalterlichen Konstructionen zum Grunde liegt.

Als im Jahre 1824 die katholische Kirche zu Darmstadt, eine Rotunde von 138 Fuss
Rheinl. im Durchmesser, erbauet wurde, liess ich die Kuppel in Bohlen, nach der
Methode des Philibert de VOrme, ausführen. Ganz besondere Sorgfalt widmete man
dabei den hölzernen, zu beiden Seiten in die Sparren etwas eingelassenen Bändern
oder Ringen, wodurch der ungleiche Druck, welchen die langen Bohlensparren etwa
ausüben, in Zwischenräumen von einem Ring zum andern auch auf die Nebensparren
vertheilt und die ganze Kuppel in viele niedrige und desswegen auch unverschiebliche
Kegelstücke verwandelt wurde. Der Erfolg war befriedigend und die Kuppel hat sich
nicht im geringsten gesenkt, oder, wie man zu sagen pflegt, gesetzt. *

Einige Zeit darauf untersuchte ich zu Freiburg, zum Zweck des vorliegenden
Werkes, die Konstructionen der Münsterkirche und besonders die der kühnen Pyra-
mide des Thurmes.

Zu meiner grossen Ueberraschung fand sich, so verschieden auch Form und Material
war, doch hier dasselbe System der horizontalen Abschlüsse angewandt, wie bei der
Methode des Philib. de FOrme. Die Steinsparren der achteckigen Thurmspitze streben
zwar gleich schlanken Baumstämmen in die Höhe, aber sie werden in Zwischenräumen
von etwa 15 Fuss durch doppelte horizontale Rippen oder Bänder von Sandsteinen
verbunden; in der Mitte dieser Bänder ist jedesmal ein eiserner kranzförmiger Eisen-
stab dergestalt eingelassen, dass die eine Hälfte der Dicke des Eisens in die untere
Schichte des Steines, die andere Hälfte aber in die obere eingreift, wodurch jede
Ausbiegung und Verschiebung verhindert wird. Der Raum zwischen den Sparren und
den horizontalen Bändern ist mit durchbrochenen Verzierungen ausgefüllt, so dass das
Ganze ein äusserst leichtes und kühnes Ansehen hat. Die Abbildung auf der XI. Rupfev-

* Wie wenig die Wichtigkeit dieser Konstruction des de l'Orme, wodurch die Länge der senkrechten Sparren durch
horizontale Bänder oder Ringe abgeschlossen und mit dem nächststehenden verbunden werden, erkannt wird, geht aus
Folgendem hervor:

Bei der von Molinos und Le Grand erbauten Bohlenkuppel der Kornhalle zu Paris, steckte man die horizontalen
Ringe durch die Bohlensparren. Sie waren desswegen nicht im Stande, bei etwaiger Senkung der Sparren zu tragen,
sondern sie konnten in diesem Falle als Keile dazu wirken, die Sparren aufzuspalten. In Gilly's Werk über Bohlendächcr
S. 27. wird die horizontale Abschliessung der Bohlensparren sogar für überflüssig erklärt; selbst Rändelet scheint auf die
fortlaufenden horizontalen Abschlüsse keinen Werth zu legen. Bei Gelegenheit der von Lacase erfundenen Konstruction
gewölbter Holzdächer, wobei die krummen Sparren durch horizontale Riegel verbnnden werden, welche mit Zapfen in die
Sparren eingelassen sind, also nichts tragen können, sagt er: ce nouveau moyen reunit tous les avantages (?) de la methode
de Philibert de l'Orme avec moins de depense. (L. V. Sert. Tl. Chap. 4 )
 
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