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tafel zeigt dieses und zugleich den Verband der einzelnen Steine, sowohl der Haupt-
formen, als der Verzierungen, durch sorgfältige Angabe des Fugenschnitts.
An beiden Geländen, der hölzernen Kuppel sowohl, als der Steinpyramide, findet
das netzartige Abschliessen der langen senkrechten Linien durch horizontale Statt. Bei
der erstem werden dadurch niedrige Kegelstücke, bei der letztern kurze abgestumpfte
Pyramiden gebildet. Diese Aehnlichkeit der Konstruction beider so verschiedener
Gebäude erregte meine ganze Aufmerksamkeit und gab mir die Ueberzeugung, dass
hier eine allgemeine Regel, unabhängig von Form und Material der Gebäude, zum
Grunde liegen müsse.
Die Vergleichung der übrigen Konstructionen des Münsters sowohl, als der in
vielen anderen alten Kirchen, bestätigte diese Ansicht, zu deren nähern Erklärung
ich jedoch folgende Bemerkungen voranschicken muss.
Die Festigkeit der Gebäude beruht bekanntlich vornämlich darauf: erstens^ dass
die zur Unterstützung derselben wesentlichen Theile hinlängliche Stärke haben; zwei-
tens, dass die sämmtlichen zum Tragen bestimmten Theile, ohne sich zu biegen oder
zu verschieben3 in ihrer ursprünglichen Lage bleiben.
Die Baufälligkeit oder der Einsturz entsteht dagegen meistens dadurch, dass sich
einzelne Theile biegen oder verschieben und auf diese Art das angeordnete Gleichge-
wicht so aufgehoben wird, dass einige Theile wenig oder nichts mehr tragen; andere
dagegen eine weit grössere Last tragen müssen, als sie nach der ersten Anordnung
bestimmt waren, zu tragen. Der Fall, dass alle Theile durch das Uebermaass der
Last gleichmässig zerdrückt werden, ist äusserst selten, und es ist mir davon auch
nicht ein einziges Beispiel bekannt geworden.
Die grosse Kunst der alten Meister bestand nun ganz vorzüglich darin: erstens,
richtig zu erkennen, welche Theile des Gebäudes zu dessen Festigkeit wesentlich sind
und welche nur als Ausfüllung oder Bekleidung dienen; zweitens, diese wesentlichen
Theile so geschickt anzuordnen und zu verbinden, dass eine Ausbiegung oder Ver-
schiebung nicht möglich ist.
Was das erste, nämlich das Erkennen der zur Festigkeit wesentlichen Theile
betrifft, so finden wir, dass sie dieselben, z. B. die Eckpfeiler, äusseren Strebepfeiler,
Hauptrippen der Gewölbe etc. mit grosser Vorsicht und Stärke, dagegen die Mittelpfei-
ler, welche keinen Seitendruck auszuhalten haben, so wie die zwischen den Pfeilern
befindlichen Mauern und die zwischen den Rippen befindlichen Gewölbtheile äusserst
leicht und anscheinend mit erstaunenswürdiger Kühnheit ausgeführt haben.
Man bemerke z. B. in den Grundrissen der Limburger Kirche die Leichtigkeit der
Pfeiler, auf denen der Hauptthurm ruhet, wie fest und massiv dagegen die Ecken
der Kirche an allen Seiten konstruirt sind. Noch auffallender scheinen beim ersten
Anblick die oft ganz durchbrochenen Seitenwände, wie am Mittelschiffe des Cöllner
Domes und der Oppenheimer Kirche, oder die Wände der Pyramide des Freiburger
Münsterthurms.
Eben so scharfsinnig, als sie diejenigen Theile, welche die Festigkeit des Gebäudes
bedingten, von denen unterschieden, welche ausserwesentlich sind, erkannten sie auch,
welche Theile der Unterstützung bedürfen und als Last leicht verderblich einwirken
tafel zeigt dieses und zugleich den Verband der einzelnen Steine, sowohl der Haupt-
formen, als der Verzierungen, durch sorgfältige Angabe des Fugenschnitts.
An beiden Geländen, der hölzernen Kuppel sowohl, als der Steinpyramide, findet
das netzartige Abschliessen der langen senkrechten Linien durch horizontale Statt. Bei
der erstem werden dadurch niedrige Kegelstücke, bei der letztern kurze abgestumpfte
Pyramiden gebildet. Diese Aehnlichkeit der Konstruction beider so verschiedener
Gebäude erregte meine ganze Aufmerksamkeit und gab mir die Ueberzeugung, dass
hier eine allgemeine Regel, unabhängig von Form und Material der Gebäude, zum
Grunde liegen müsse.
Die Vergleichung der übrigen Konstructionen des Münsters sowohl, als der in
vielen anderen alten Kirchen, bestätigte diese Ansicht, zu deren nähern Erklärung
ich jedoch folgende Bemerkungen voranschicken muss.
Die Festigkeit der Gebäude beruht bekanntlich vornämlich darauf: erstens^ dass
die zur Unterstützung derselben wesentlichen Theile hinlängliche Stärke haben; zwei-
tens, dass die sämmtlichen zum Tragen bestimmten Theile, ohne sich zu biegen oder
zu verschieben3 in ihrer ursprünglichen Lage bleiben.
Die Baufälligkeit oder der Einsturz entsteht dagegen meistens dadurch, dass sich
einzelne Theile biegen oder verschieben und auf diese Art das angeordnete Gleichge-
wicht so aufgehoben wird, dass einige Theile wenig oder nichts mehr tragen; andere
dagegen eine weit grössere Last tragen müssen, als sie nach der ersten Anordnung
bestimmt waren, zu tragen. Der Fall, dass alle Theile durch das Uebermaass der
Last gleichmässig zerdrückt werden, ist äusserst selten, und es ist mir davon auch
nicht ein einziges Beispiel bekannt geworden.
Die grosse Kunst der alten Meister bestand nun ganz vorzüglich darin: erstens,
richtig zu erkennen, welche Theile des Gebäudes zu dessen Festigkeit wesentlich sind
und welche nur als Ausfüllung oder Bekleidung dienen; zweitens, diese wesentlichen
Theile so geschickt anzuordnen und zu verbinden, dass eine Ausbiegung oder Ver-
schiebung nicht möglich ist.
Was das erste, nämlich das Erkennen der zur Festigkeit wesentlichen Theile
betrifft, so finden wir, dass sie dieselben, z. B. die Eckpfeiler, äusseren Strebepfeiler,
Hauptrippen der Gewölbe etc. mit grosser Vorsicht und Stärke, dagegen die Mittelpfei-
ler, welche keinen Seitendruck auszuhalten haben, so wie die zwischen den Pfeilern
befindlichen Mauern und die zwischen den Rippen befindlichen Gewölbtheile äusserst
leicht und anscheinend mit erstaunenswürdiger Kühnheit ausgeführt haben.
Man bemerke z. B. in den Grundrissen der Limburger Kirche die Leichtigkeit der
Pfeiler, auf denen der Hauptthurm ruhet, wie fest und massiv dagegen die Ecken
der Kirche an allen Seiten konstruirt sind. Noch auffallender scheinen beim ersten
Anblick die oft ganz durchbrochenen Seitenwände, wie am Mittelschiffe des Cöllner
Domes und der Oppenheimer Kirche, oder die Wände der Pyramide des Freiburger
Münsterthurms.
Eben so scharfsinnig, als sie diejenigen Theile, welche die Festigkeit des Gebäudes
bedingten, von denen unterschieden, welche ausserwesentlich sind, erkannten sie auch,
welche Theile der Unterstützung bedürfen und als Last leicht verderblich einwirken