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Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 2,3): Der Muenster zu Freiburg im Breisgau — Darmstadt, [1828-31]

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https://doi.org/10.11588/diglit.8369#0006
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Ueber die

Ronstruction der Gebäude des Mittelalters

in technischer Hinsicht.

In den Bauwerken der alten Aegypter, Griechen und Römer finden wir, dass die
Festigkeit mit einem Aufwände von grossen Massen bewirkt worden ist. Die Gebäude
des Mittelalters dagegen zeichnen sich fast ohne Ausnahme durch die Verbindung grosser
Leichtigkeit mit Festigkeit, * oder, mit andern Worten, dadurch aus, dass Grösse und
Dauerhaftigkeit in ihnen mit verhältnissmässig weit geringerm Aufwände von Material
erreicht worden sind, als dieses sowohl bei den Bauwerken der Alten, als bei denen
der letzteren Jahrhunderte der Fall ist. **

Der Vergleich dieser älteren Gebäude mit den seit der Wiedereinführung des soge-
nannten guten Geschmacks im löten Jahrhunderte aufgeführten Bauwerken fällt sehr
zum Vortheil der ersteren aus.

Wie sehr schon im Anfange jenes Jahrhunderts eine verständige Bautechnik ver-
nachlässigt wurde, zeigt die Erbauung der Peterskirche zu Rom. Ungeachtet der
Ungeheuern Massen von Mauerwerk, welche an ihr verschwendet sind, ist doch die
Anordnung und Ronstruction so fehlerhaft, dass die Kuppel bald nach der Vollendung
den Einsturz drohte und auch jetzt noch nur mit Mühe erhalten wird. (S. Rondelet
l'art de bätir, livre IV. sect. IL chap. 3J

In der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde zu Paris die berühmte Kirche
St. Genevieve erbaut, wobei man griechisch-römische Architectur mit der Leichtigkeit
der gothischen Gebäude zu vereinigen dachte. Auch hierbei ging man so fehlerhaft
zu Werke, dass die Kuppel einstürzen wollte und nur durch die grössten Anstren-
gungen gerettet werden konnte, wie dieses ebenfalls Rondelet erzählt (1. II. ch. 3).

Obgleich in neuerer Zeit die Bautechnik sich wieder gehoben und namentlich
Rondelet durch sein treffliches Lehrbuch, welches in den Händen jedes praktischen
Baumeisters sein sollte, viel dafür gethan hat; so ist doch den Bauwerken des Mittel-

* Dieses gilt nicht nur von den Kirchen im sogenannten gothischen Geschmacke, sondern auch von den alten Basiliken,
z. B. S. Paul, S. Lorenzo, S. Sabine u. s. w. zu Rom.

Zu einer Zeit, als noch Niemand daran dachte, den Gebäuden des Mittelalters einige Aufmerksamkeit zu widmen,
änsserte sich der bekannte Architekt Blondel in seinem Lehrbuch der Baukunst, Cours d'Architecture, Tome 6- pag. 206->
lobend und fast naiv über die Konstruction der alten Kirchen mit folgenden Worten: l'architecture gothique n'est pas aussi
maladroitement imaginee, qu'on pourroit le croire. On diroit que los arc.hitectes Gothes (?) ayant remarguc ce qui avoit
prccipite la ruine des monuments antiques, etoit les fardeaux immenses des architraves, la grande saillie des corniches des
cntablemcnts qui chargeoient leurs points d'appui en basecule, la forme et l'epaisseur de leurs voutes, ils eussent entrepris
de se frayer une nouvelle route , plus capable d'assurer la duree de leurs batiinents.

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