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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 9
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Ostini, Fritz von: Von der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast, 1, Die Nordländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0401
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366

Von der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast.
Von F. v. Ostini.
I. Die Nordländer.

Internationale Kunstausstellungen bedeuten keinen
Wettkampf der Völker auf künstlerischem Gebiet, denn
die Art und Weise, wie sie zusammen kommen, ist viel
zu sehr von Zufälligkeiten abhängig. Wäre unsere
Münchener Internationale aber eine ernsthafte Kon-
kurrenz, in der jeder sein Bestes giebt, die deutsche
Kunst stände wahrhaftig nicht als Siegerin da, den
ersten Preis zum mindesten hätte ihr Schweden weg-
genommen, und den Dänen, Engländern, Holländern,
den Schweizern sogar, wäre sie eigentlich nur der
Zahl nach überlegen. In den deutschen Sälen fehlt es
unleugbar an jenen allerersten Nummern, die einer
Ausstellung ihr Gepräge geben, von denen man spricht,
über die man streitet. Von den grossen Namen der
Secession haben nur wenige eine besondere Anstrengung
gemacht, die Stuttgarter, Karlsruher, Dresdener und
jungen Düsseldorfer haben sich gar nicht oder nur so
nebenher beteiligt, die Münchener Künstlergenossen-
schaft hat unter den Malern überhaupt kaum einen
jungen Nachwuchs und bei der tapferen Luitpoldgruppe
finden wir viel Schönes, aber doch Weniges, das be-
sonders hervorsticht. Lässt man in Gedanken die Kräfte
Revue passieren, die wir in Deutschland haben, so sagt
man sich wohl, dass dies alles ebenso gut ganz anders,
viel günstiger für die deutsche Kunst stehen könnte,
und ein andermal wohl auch wieder stehen mag. Aber
es wäre thöricht, sich darüber täuschen zu wollen, dass
wir auf dieser Ausstellung nun einmal nicht glänzend
abschneiden, dass ein Hauch von Erschöpfung in den
deutschen Sälen zu spüren ist!
Schweden aber schneidet, wie gesagt, vortrefflich
ab, und in den zwei Sälen der schwedischen Maler, so
schlicht und lieblos die Bilder gehängt sind, so wenig
geschickt das Gute zur Geltung gebracht ist, weht ein
Hauch freudiger Frische, gesunden Kraftgefühls, der
einem das Herz weit und hell werden lässt! Die
nordische Litteratur hat uns die Schwermut ins Land
gebracht, die nordische Malerei scheint uns die Freude
wiederbringen zu wollen. Wie sonnig und farbig, wie
naturfroh ist da alles! Die Mehrzahl dieser Maler schafft,
wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, unangekränkelt
von Prinzipien und ästhetischen Tüfteleien, wie sie der
deutschen Kunst nachgerade so gefährlich werden! Und
es ist ein Schaffen aus dem Vollen, ein Schaffen mit
starker Hand und aus starkem Gemüt, ein Jauchzen
ist in dieser Kunst, das nur die ganz Gesunden kennen.
Wer darüber lächeln will, dass hier ein Dithyrambus
anhebt, statt einer Kritik, der versenke sich nur in
Richard Berghs „Nordischer Sommerabend“, ein Bild,
das in seiner Malerei die Einfachheit selber ist, jeder
Genialthuerei fremd und dazu so fabelhaft gut gemacht,

dass alt und jung dafür nur ein Staunen und ein Bewundern
haben! Dieser goldige Sonnenschein überm Parksee,
der spiegelglatt daliegt, wie die ruhig atmenden Seelen
des Paares, das hinausträumt von seiner Veranda,
wortlos von all der Schönheit, wie erstaunlich wahr ist
der gegeben! Es ist das Glück und der Friede, was
Bergh da gemalt hat! Die gleiche selbstverständliche
Sicherheit des Striches zeigt er auf einem zweiten Bilde,
das eine alte und eine junge Frau am Herde schildert.
Die Dämmerung in dem Zimmer, der Feuerschein, der
die zwei ärmlichen Gestalten streift, das alles ist in
seiner Melancholie genau so gut gemalt, wie die feierlich
sonnige Stimmung des anderen Bildes. Und welche
brennende Farbenglut haben die Bilder Emerik Sten-
bergs, das Liebespaar am Herd, das Kind in der
Schaukel und die Alte mit dem gelben Schurz! Die
leuchtendsten Farben an Stoffen u. s. w. sind da durch
den Purpurschein des Feuers oder das Sonnenlicht noch
glühender gemacht, man kann es kaum verstehen, wie
sich solche lodernde Tinten durch die Oelfarbe erreichen
liessen. Dieser hat die Kunst des Malers alles Materielle
genommen, es ist, als arbeite er mit den Tönen des
Prismas selbst, als sei der Regenbogen seine Palette.
Gustav Ankarcrona, den wir in München schon sehr
lange als koloristisches Genie kennen, hat gleichfalls
ein Paar köstliche Proben solch farbiger, unmittelbar
aus der Natur schöpfender Malerei beigesteuert. Da ist
ein Flussthal „Zwischen hohen Ufern“, das fast an die
Isar oberhalb Pullach erinnert; unten im tiefen Bett rollt
der Strom und seine hohen, waldigen Ufer liegen schon
im tiefsten Dunkel. Aber der wolkenreine Himmel
darüber leuchtet noch in gelbem Feuer und die Schatten-
silhouette des Waldes hebt sich tiefschwarz von dieser
Helligkeit ab. Noch schöner in seiner unbeschreiblichen
Lichtfülle und Farbigkeit ist der „Wintersonntag“. Warmes
Licht auf dem frischen Schnee — wie hoch er liegt,
zeigt das Fuhrwerk in dem tief eingeschnittenen Weg!
— Blaue, fein modellierte Schatten; oben auf dem
Hügel eine Farm, zu der eine verschneite Allee empor-
führt. Alles sonntäglich heiter, von herzerquickender
Winterfrische, alles in klare Farben aufgelöst! Ein
Maximum an Farbenfeuer hat auch Alfred Bergström
gewagt mit seinem „Sommerabend bei Stockholm“, und
gleichfalls mit ungewöhnlichem Gelingen. Derartige Be-
leuchtungen sind freilich schon sehr oft und oft schon
mit sehr starker Wirkung, aber gewiss noch selten
gleich wahr gemalt worden. Von duftigster Poesie ist
des Malers Wintermondnacht. Immer wieder muss man
sich wundern, wie vor den Bildern dieser schwedischen
Koloristen der Gedanke an das Material zurücktritt!
Durch eine wundervoll grosse Naturanschauung zieht
 
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