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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 9
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Ostini, Fritz von: Von der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast, 1, Die Nordländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0402

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367

uns Edward Rosenberg an, sowohl in seiner „Sternen-
nacht“, als in seinem „Märzabend“ mit den riesigen
Baumgestalten, die gegen den gelbgrünen Himmel
stehen. Die „Sternennacht“ ist auch wohl ein kühnes
Wagnis, es ist lichtlose, pechschwarze Nacht ohne Mond
und ohne irdisches Feuer. Nur der schwache Reflex
des Schnees lässt die Formen der Landschaft in ihren
grossen Zügen erkennen. Ueber einem dunklen Berg-
rücken funkeln die Sterne am schwarzen Himmel und
spiegeln sich in einem eisfreien Wasserlauf, der die Tiefe
durchschneidet. Das Bild müsste man freilich anders
sehen, als im Glaspalast, tiefer gehängt und ohne Reflexe.
Den Maler Rosenberg selbst hat Emil Oestermann
konterfeit, wie er eben an jenem Winternachtstück malt;
es wirkt freilich beinahe, als male Rosenberg an der
Natur selber. Anshelm Schultzberg mit seinen
schönen, ernsten Winterbildern, Gottfried Kallstenius
mit seinen Eichen, Prinz Eugen von Schweden mit
seinen kernig starken, durchaus nicht „prinzlichen“ Land-
schaften „Die Wolke“ und „Wo der Wald endet“, Gustav
Adolf Fjaestadt, ein schwedischer Karl Haider mit
seinem im Rauhreif blühenden Winter und der liebevoll
durchgestichelten Vermländischen Landschaft, der knorrig
kraftvolle Hermann Norrmann, dann Nils Kreuger,
der so vielseitig vertreten ist, seien nur aus der Fülle
dieser ausgezeichneten Landschafter herausgegriffen,
ohne dass damit irgend eine Klassifikation gewagt werden
soll. Oskar Björck hat den Dichter Werner von Heiden-
stamm gemalt, wie er, gleich dem Paar auf Richard
Berghs Meisterstück, träumend von einer Veranda in
den Abend hinaussieht, über eine weite Seelandschaft
hin; ein kühn und kräftig geschnittenes Profil, hinter
dem man wohl auch ohne die Aufklärung des Katalogs
so was wie einen Dichter vermuten würde. Ferner ist
ein charmantes Frauenbildnis von Björcks Hand. Auch
Karl Larsson präsentiert sich diesmal als Bildnismaler.
Sein Porträt einer Frau T. in ganzer Figur, zeichnerisch
scharf umrissen, fast ein wenig stilisiert, was ja bei
Larsson eigentlich selbstverständlich erscheint, ist zu-
gleich ein prachtvolles Dekorationsbild. In einem kleineren
Aquarell schildert er eine junge Kranke in ihrem Bett,
ein seelenvolles, rührend anziehendes Werk, in dem
jene matt-selige Stimmung, die einen Genesenden
manchesmal befällt und ihn allem Irdischen zu entrücken
scheint, wundersam zum Ausdruck kommt. Natürlich
fehlt auch Anders Zorn nicht in dieser Schar! Was er
als Maler ist und kann, zeigt er vielleicht am besten
in seinem Bild des Prinzen Karl, den er in lichtblauer
Uniform vor weissen Grund gestellt hat. Meisterlich
hat der Maler hier alles Repräsentativ-Steife umgangen
dadurch, dass er den Beschauer für ein Farbenproblem
interessierte, und dieses hinwiederum hat er gelöst, wie
eben ein — Anders Zorn. Voll süssen Reizes ist sein
kleineres Bild einer jungen Mutter mit ihrem Säugling.
In dem schönen, rosigen Gesicht der blühenden Frau
ist ein Ausdruck leiser Schwermut, der magisch anzieht.
Nur ein besonderer Kenner des betreffenden Sagen-
kreises mag das grosse Bild „Der Thuletempel“ von
J. A. Andersson Acke seinem Inhalt nach ver-
stehen: ein ungeheueres Felsenrund, das sich aus aben-
teuerlichen Gestalten zusammensetzt, aus Skulpturen
wunderlicher Art, aus Steinen, die eben zu Menschen,
oder aus Menschen, die eben zu Steinen werden wollen.

In diesem feuchtkühlen Raum ein Weib von beinahe
indischem Typus und ein Mann. Was diese Menschen,
Ungeheuer und Steine wollen? Erraten kann es keiner!
Gemalt ist das Bild aber vorzüglich. Ein anderer von
den schwedischen Figurenmalern, Karl Wilhelmson
(Gothenburg) fällt uns dadurch auf, dass seine trockene,
lichte Art in manchem an deutsche Vorbilder, wenn
nicht gar an Leibis „Beterinnen in der Kirche“, erinnert.
Paulus Olof Hjortzberg schickt einen stilisierten
monumentalen St. Paulus, mit dem er beweist, dass
man dem strengsten Stil kirchlicher Kunst immer noch
neue Seiten abgewinnen kann. Der Besten einer, wie
immer, ist Bruno Liljefors. Von einem kostbaren
Email der Farbe ist seine Auerhenne (ein sehr ähnliches
etwas kleineres Bild befindet sich übrigens seit langem
in Münchener Privatbesitz). Als ganz Neuen aber zeigt
sich Liljefors in seinem grossen Tableau „Eidervogel-
strich“, hier hat er versucht, nicht ein Bewegungs-
moment in jedem einzelnen Tiere darzustellen, wie das
jeder andere Tiermaler thut, sondern die Bewegung
selbst, und hat das mit so unübertrefflichem Geschick
gemacht, dass man wirklich glaubt, den flatternden
Flügelschlag der schweren Wasservögel wahrzunehmen.
Aehnliches hat Liljefors schon öfter versucht, z. B. mit
einem aufschwirrenden Spatzenschwarm. Das tiefblaue,
lichtlose Wasser des Meeres, über das die Eidervögel
hinziehen, ist, des Malers sonstigen naturalistischen Ge-
pflogenheiten entgegen, etwas stilisiert, und zwar in
japanischem Sinne. Auch Axel Sjöberg hat Eider-
vögel gemalt, sie sitzen im Dunkel auf der Klippe und
ihr weisses Gefieder schimmert blaugrünlich und phos-
phoreszierend heraus.
Seltsam gegensätzlich zu der Schweden färben- und
lebensfroher Art und Weise ist der Grundton in der
Sammlung der Norweger, die freilich auch nicht mit so
kluger Auswahl zusammengestellt ist. Hier scheint alles
um eine Terz schwerer und düsterer genommen; es
mag Zufall sein, aber der Zufall ist gewiss bezeichnend,
dass bei den Norwegern die Interieurs bevorzugt sind,
während bei den Schweden nahezu ausschliesslich die
freie Landschaft vorherrscht. Auch die Farben sind
durchgehends schwerer und weniger frisch, materieller
könnte man sagen. Der Ernst des Lebens ist stärker
betont, als die Heiterkeit der Kunst. Als die bedeut-
samste malerische Individualität fällt hier ErikWeren-
skiold auf, von dem sich sechs der verschiedenartigsten
Bilder nebeneinander vorfinden. Mit bestrickender Kunst
hat er den Rausch und Zauber einer „Mondnacht“ gemalt,
als Staffage ein Liebespaar in heissem Umschlingen;
dann ein liebenswürdiges Mädchen in keuscher Jugend-
lichkeit am Klavier, „Zehn Jahre“ ist des Bildes Titel;
dann die „Barschfischer“, meisterlich charakterisierte
Knaben, die auf einem Balken am Wasser knieen; das
Bildnis eines älteren Herrn von Gelehrtentypus, ernst,
schlicht und markig, u. s. w. Werenskiold wechselt seine
Ausdrucksmittel vollständig je nach dem Stoff, und es
würde wohl keiner erraten, dass die Mondnacht der
Gleiche geschaffen hat, wie jenes Bildnis. Kunst
ersten Ranges ist das wie dies. Ebenso hoch darf
man Thaulows „Alte Schelde bei Oudenarde“ werten;
der Künstler hat dies trübe Kanalwasser zwischen
Backsteinwänden ganz so wahr geschildert, wie sonst
seine klaren nordischen Bergwasser oder seinen heimat-
 
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