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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 11
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Haenel, Erich: Internationale Kunstausstellung Dresden 1901, 2
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449

Internationale Kunstausstellung Dresden 1901.
Von Erich Haenel.

Wer die Plastik auf der deutschen Kunstaus-
stellung in Dresden vor zwei Jahren gesehen hat,
wird den Eindruck ihrer mannigfaltigen und dabei
auf nicht gewöhnlicher künstlerischer Höhe stehen-
den Leistungen heute noch nicht vergessen haben.
Man denke nur an Klinger und seine „Badende“,
an Hildebrands Bildnisbüsten, auch an Begas, der
mit einigen früheren Gruppen manche spätere Sünde
vergessen machte. Diesmal tritt die einheimische
Skulptur neben der fremder Länder, wie wir sie
neulich überschauen konnten, nach Zahl und Be-
deutung der Werke unverkennbar zurück. Von den
drei genannten Meistern finden wir nur Klinger
wieder Das Adlerartige, das in seiner Kolossal-
büste Franz Liszts nicht ganz ausschliesslich mit
inneren, d. h. aus dem individuellen Charakter der
Dargestellten sich ergebenden Mitteln zum Ausdruck
gebracht ist, kann über gewisse Härten, ja Fehler
in der Bildung der Physiognomie selbst nicht hin-
wegtäuschen. Wir können uns doch des Meisters
feingezeichneten Greisenkopf nicht ohne Unbehagen
als auf einem solchen Halsmuskel sitzend vorstellen.
Dabei soll nicht geläugnet werden, dass der Blick
der Augen, wie stets bei Klingers Köpfen, von einem
wunderbaren Leben durchglüht ist. Das Ganze ist
immerhin mehr eine Phantasie auf das Thema Liszt,
als eine naturgetreue Wiedergabe seiner Grundtöne,
aber eine Phantasie, wie sie nur ein genialer Mensch
ersinnen kann, dem dies Thema mit eindringlichster
Gewalt die Seele durchtönt hat. An der weiblichen
Büste ist die Marmorarbeit wundervoll, besonders
am Arm; die pikante Eigenart der Gesichtszüge
in ihrer kaum bemerkbaren U.ebertreibung steht zu
der Last des dunkeln Haares im wirkungsvollsten
Gegensatz. Den seit Jahren ersehnten Beethoven
ist uns Klinger auch diesmal wieder schuldig ge-
blieben. Die Dresdner Bildhauer zeigen sich als
würdige Erben einer grossen Vergangenheit, ohne
in dem gewaltig fortschreitenden Zuge der neuen
Zeit zurückzubleiben. Von den Alten tritt noch
immer Schilling auf; seine Reitergestalten „Todes-
engel“ und „Friedensbote“ halten sich zwar ganz
in dem gewohnten Stil klassizistischer Glätte, aber
die Naturwiedergabe z. B. in dem jugendlichen
Akt fordert in ihrer vornehmen Sicherheit doch
unsere volle Hochachtung heraus. Diez bringt in
dem „Schlafenden Kind“ wohl den besten Kinder-
akt der Ausstellung. Ueber dem zarten Körper
liegt ein Hauch rührender Unschuld und Poesie.
Richard König verwendet an einem Marmorkopf

II.
„Muse“ für die Haare Schmiedeeisen, mit grossem
künstlerischem Erfolg; seine kleineren Arbeiten,
deren temperamentvolle Komposition wiederholt
schon anerkannt wurde, brachten ihm diesmal die
goldene Plakette. Offermann, Kramer und S. Werner
mit trefflichen Büsten, Prell der Maler mit einigen
charakteristischen Figuren, Pöppelmann und Röder
vertreten weiter die Dresdner Plastik. Heisings
grosse Gruppe „Der verlorne Sohn“ hat die erste
Plakette wohl verdient; der Aufbau ist vorzüglich,
die Naturbehandlung breit und ruhig, nur der Kopf
des Alten könnte wärmer im Ausdruck sein. Maison
zeigt in dem Wotan seine bekannte meister-
hafte Technik, Volkmann in einer lebensgrossen
Frauengestalt bei aller antiken Ruhe der Formen-
behandlung eine ganz persönliche Charakterisierungs-
gabe. Hahn vermag diesmal nicht sonderlich zu
fesseln. Die Bildnisbüsten sind schlicht und gut,
aber das Zurückgehen auf den formalen Primitivis-
mus, das seinen „Auferstandenen Christus“ wie ein
Werk aus dem 12. Jahrhundert erscheinen lässt,
entspringt unsrer Ansicht nach mehr einem Mangel
individuellerAnschauungskraft als echter Empfindung.
Das bewusste Archaisieren, das in München seit
Hildebrand, mehr noch Stuck, Dasio u. A. leider
Gottes auch von vielen Talenten zweiten und dritten
Ranges gepflegt wird, hat uns freilich schon manche
schöne Leistung geschenkt. Aber wir möchten doch
vor einer allzugründlichen Kenntnis historischer
Ausdrucksweise warnen, wenn nicht eine ganz reife
naturalistische Durchbildung die Unterlage des
Schaffens darstellt. Da hat Netzer einen äusserst
glücklichen Wurf mit seinem Orpheusbrunnen gethan,
an dem die antik-ruhige Haltung des Ganzen von
einer ebenso klassisch-heiteren Sinnlichkeit durch-
zogen wird. In ähnlicher Weise, nur akademischer,
wirkt Streichers „Bewaffneter Friede“. Taschner
findet mit seinen frischen Holzfiguren mit Recht
stets Liebhaber, Hudler versucht sich nicht ohne
manch feinen Zug in einer Reiterstatuette des alten
Kaisers. Von den Münchnern Bermann, Beyrer
und v. Gosen bringt nur der letztere eine grössere
Arbeit, einen interessanten Perseus. Werner Steins
grosser „Judas“ sei nicht übergangen, obwohl da
viel falsches Pathos den Eindruck trübt, Albert
Wolff sagt in einer Grabfigur zwar nichts Neues,
aber das Alte wenigstens mit gutem Geschmack.
St. Cauer, Epple, Fuchs, der fleissige Kiemlen
bringen jeder in seiner Art Tüchtiges. Die Gegen-
stände ihrer einzelnen Darstellungen zu nennen
 
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