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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 5
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Frimmel, Theodor von: Bilder von seltenen Meistern, 8, Zu Jan Lys
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215

Bilder von seltenen Meistern.

Von Dr. Th. v. Frimmel (Wien).

VIII.

Zu Jan Lys. Man ist davon unterrichtet, dass
der weitbekannte Maler Joachim Sandrart 1627 bei
seiner Ankunft in Venedig durch Jan Lys und Nicolaus
Ringnerus empfangen wurde. Von diesen Malern soll
uns heute Jan Lys beschäftigen u. z. in Bezug auf
diejenigen seiner Werke, die sich mit mehr oder weniger
Bestimmtheit auf seine venezianische Zeit beziehen
lassen. Jan Lys war zweimal in Venedig und hat dort
ohne jeden Zweifel zahlreiche Bilder gemalt, obwohl er
(man erfährt es durch Sandrart und Houbraken) nicht
zu jenen Künstlern gehörte, die täglich mit Regelmäs-
sigkeit ihr Pensum erledigten, sondern zu den zeitweilig
Lässigen und Lüderlichen. Es scheint, dass er aber
während der langen Arbeitspausen im Gedanken bei
seinen Werken war, und sie keineswegs ganz vergass,
denn seine Bilder sind wohl überlegt und gehören zu
dem Besten, was Venedig in jenen Zeiten an Staffelei-
bildern hervorgebracht hat. Auch in Venedig liess man
ihn gelten. Boschini geht sogar so weit, eines der
Lys’schen Bilder zu dem schönsten zu rechnen, was
man in der Malerei sehen könne, wenigstens bezüglich
eines Löwen, der darauf vorkommt {„San Girolamo di
Giovanni Lis con Leone de piu belli, ehe si veda in
pittura“.*) Später freilich wurde der Künstlername in

*) So in der ersten Ausgabe des Buches „Le minere della pittura'1
von Marco Boschini (1664) S. 384. Die übrige reiche Literatur über Jan
Lys sei hier in Kürze angedeutet: Joachim Sandrart, Teutsche Akademie,
Houbraken, groote Schouburgh. Nach diesen hielten sich Descamps,
Des Biles, Weyerman, Wattelet und die meisten Lexika, auch Orlandi’s
Abecedario von 1753. Die Nachträge zu Füssli’s grossem Lexikon sind
beachtenswert. S. auch Murr: Beschreibung von Nürnberg 1778 S. 502,
Hirsching’s Nachrichten, Murr’s Journal XIII, 112; Unter den Hand-
büchern vergi. Lanzi’s Storia pittorica, Fiorillo's Geschichte der zeichnen-
den Künste, Naglers Monogrammisten. Zur Herkunft aus Hoorn
in Holland (wohl kaum aus Oldenburg) vergi. die Literatur die bei
De Groot „Arnold Houbraken und seine groote Schouburgh“ S. 402 an-
gegeben ist. Sonst noch Herrn. Biegel: Beiträge zur niederländischen
Kunstgeschichte, Frimmel kleine Galeriestudien passim, derselbe „Ver-
zeichnis der Gemälde in gräflich Schönborn-Wiesentheid’schem Besitze“,
derselbe im Repertorium für Kunstwissenschaft XIV und in Lützow’s
Kunstchronik N. F. VIII Nr. 13, derselbe in der „Wiener Zeitung“ vom
17. und 18. Juli 1896.
Die Katalogliteratur ist in diesem Falle ziemlich reich. Abgesehen
von den Verzeichnissen der meisten Galerien, die oben im Text genannt
werden, kommen auch noch viele alte und neue Versteigerungskataloge
hinzu, so die Katalogsammlung von Hoet und Terwesten I. S. 8, 52 , 55,
72, 157, 158. 264, 416, II und III nach Register. Vergi. auch die Kataloge
der Sammlung Garlichs in Bremen 1831 (Nr. 43), der Auction Schönlank
in Berlin, der Auction Bruchmann in Köln (1896) und der Vente Ilouck
zu Amsterdam. Wie mir der Sammler W. Horn in Wien freundlichst
mitteilt, war Nr. 52 der Gsell'schen Versteigerung in Wien nicht von
Heemskerk, wie der Katalog behauptet, sondern von Jan Lys. Dieses
Bild entsprach dem Stiche von Jeremias Falk nach Jan Lys. Es kam
bei der Auktion Gsell (1872) an Miethke, dann an W. Horn und Strache.
Seit etwa zwanzig Jahren ist dieses Bild verschollen, wie so viele andere,
die in den alten Katalogen vorkommen. Aufzusuchen ist auch eine
Opferung Isaaks, die nach einem Gemälde des Jan Lys vom Ungarn
Spillenberger radiert worden ist.

Venedig allmählich vergessen und das schliesslich so
gründlich, dass es einiger Mühe bedurfte, die Bilder
von Lys, die mit Venedig in Zusammenhang stehen, ja
diejenigen seiner Werke zusammenzufinden, die noch
heute in Venedig vorhanden sind. Der Name Lys kommt
indes noch in Venedig vor. Er fiel mir vor wenigen
Jahren auf dem Schilde eines Geschäftmannes in Venedig
auf. Doch lies sich irgendwelche Verwandtschaft des
heutigen Lys mit dem alten Maler nicht ermitteln.*)
Ich stelle in Folgendem die Werke des Jan Lys
zusammen, die mit Venedig in irgendwelcher Verbindung
stehen.
1. Ein Breitbild mit etwa spannlangen Figuren:
Adam und Eva beweinen den toten Abel in der Galerie
des Principe Giovanelli. Ein Bild dieser Art wird als
Werk des Lys bei Sandrart und nach ihm bei Houbraken
und Anderen erwähnt. P. Monaco hat es um 1740
für seine grosse Sammlung von Stichen nach hervor-
ragenden Bildern in Venedig als Werk des Lys nach-
gebildet (qu. fol.). Schon damals war er im Besitz der
„Giovanelli a S. Agostino“. Vergi. „Wiener Zeitung“
vom 17. Juli 1896. Das Bild ist ganz in holländischer
Art gemalt.
2. Ein Hieronymus mit dem Löwen und zwei
Engeln in San Nicolo dei Tolentini zu Venedig. Auch
dieses Bild ist bei Sandrart und Houbraken sowie bei
ihren Abschreibern erwähnt, u. z. was nicht zu über-
sehen ist, als Schmuck der Kirche, in der es heute
hängt. Ich gebe eine kurze Beschreibung des Gemäldes,
das weich, flüssig, breit, rein holländisch gemalt ist.
Hieronymus, etwa lebensgross dargestellt, sitzt auf einem
Felsen. Der Mantel, der auf dem rechten Oberschenkel
ruht, ist rosafarbig. Daneben fällt das Weiss des Linnens
auf, das die Lenden verhüllt. Hieronymus hält in der
Rechten eine Feder. Blick nach oben. Links ein feister
Engel, der mit der Linken empor deutet. Rechts ein
zweiter Engel, der, wie es scheint, das Christkind hält.
Der Löwe hat sehr gealtert, über ihn habe ich nichts
Besonderes notiert. Die Erhaltung des Gemäldes, das
nach dem Augenmasse etwa 2 Meter hoch und 1,80
breit sein dürfte, lässt zu wünschen übrig. Auffallend
sind die braunen Hände, die auf realistische Benützung

*) Schon im 16. Jahrhundert kommt der Name in Italien vor. Vgl.
A. Bertolotti: Artisti modenesi parmensi e della Lunigiana in Roma (1882)
S. 68. Im Jahre 1547 lebte in Italien ein Goldschmied, Namens Francesco
de Lys.
 
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