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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 7
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Walcher von Molthein, Alfred: Ein interessanter Emenskrug
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0328

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292

Ein interessanter Emenskrug.

Das Dorf Raeren, vom Volksmunde Roren, auch
Kanneroren genannt, im Kreise Eupen der preussischen
Rheinprovinz gelegen, beschäftigte sich bereits seit dem
14. Jahrhundert mit der Steinzeugfabrikation. Berichtet
schon die Reichensteiner Chronik: »Schüttelkens1)Raeren
hat Namen und Anfang von einem armen Manne, der
von den Raeren Limburgisch Landts irdenes Geschirr
als Pott.2) und Schütteln abgeholt und selbe durchs Land
verkauft.3)
In der ersten Zeit lieferte Raeren graue Krüge mit
Blätterranken und Mascarons in streng gothischer Stili-
sierung, hierauf gegen Ende des 15. Jahrhunderts braune
Krüge mit einem Bartmann am Halse, sowie die be-
kannten Pilgerflaschen, welche grösstenteils nach Aachen
zum Verkaufe wanderten. Die damalige Fabrikation
hatte zwar noch nicht die Bedeutung eines Kunsthand-
werkes, war aber jedenfalls die Vorschule zu der mit
dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts beginnenden
Blütezeit.
Mit diesem Zeitpunkt nimmt die Fabrikation vor-
züglicher Krüge ihren Anfang und leistet Raeren speziell
in der zweiten Hälfte des genannten Jahrhunderts sein
Bestes — Erzeugnisse, welche zum Schönsten gerechnet
werden dürfen, was die keramische Kunst in erhaben
ornamentierten Gefässen jemals geleistet hat.
Mit Raeren teilten sich Titfeld, Neudorf und Merols,
eine gemeinschaftliche Gilde, — das sogenannte Pott-
backers-Ambacht — bildend4), in diese ausgezeichneten
Arbeiten, welche mit vorzüglichen Reliefbildern in der
Regel auch eine edle und geschmackvoll durchdachte
Form vereinigen.
Was den Stoff dieser Reliefdarstellungen betrifft,
so sind die meisten derselben, als häufig vertreten, be-
kannt: »Bauerntänze (bald nach Aldegrever, bald nach
Beham), die Geschichte der keuschen Susanna, die Kur-
fürsten, Scenen aus dem Volks- speziell aus dem Wirts-
hausleben etc. etc.«
Auf Krügen von teilweise hervorragender Kostbar-
keit finden sich die Initialen I E.
Dieselben haben Bezug auf den berühmten, zu Ende
des 17. Jahrhunderts in Neudorf ansässigen und für die
ganze Gilde arbeitenden Formschneider und Töpfer Jan
Emens, auch Emonts genannt.
Einem solchen mit I E bezeichneten Krug, im Privat-
besitz in Wien,5) gelten nun die nachfolgenden Zeilen.
Ist der Krug schon dadurch ein bemerkenswertes
Stück, dass er uns nebst dem bereits erwähnten Meister-
zeichen, die Initialen eines zweiten Formschneiders, sowie
den Namenszug des Töpfers zeigt, ferners zwei Jahres-
zahlen aufweist, so erweckt er ausserdem noch durch
den bisher unbekannten Stoff der in brillanter Ausführung
hergestellten Reliefdarstellungen das höhere Interesse.
Der Krug hat bei einer Höhe von 27 einen Bauch-
!) Schüsselkundig, 2) Töpfe. 3) Ritz, Urkunden und Abhandlungen
zur Geschichte des Niederrheins, Aachen 1824.
4) Dornbusch. Das Flandrische Steingut, Utrecht 1878.
3) Wien, Alf. v. Walcher.

umfang von 40 cm und ist in grau mit verteilt aufge-
tragenem Blau ausgeführt. Der Unterteil ist abwech-
selnd kanneliert, abwechselnd mit eingepresstem palm-
ettenartigem Ornament geschmückt; über ihm erscheint
der meisterhaft modellierte Fries, welcher des Näheren
später besprochen wird. Oberhalb des Frieses einge-
zogen, übergeht der Krug in schöner Wölbung zur in
der Art des Unterteiles ausgeführten Schulter und weiters
zum abermals mit einem Fries ausgezeichneten Hals.
Dieser Fries besteht in einem den Namen: »Jan
Allers« tragenden Zierschild, von dem nach beiden Seiten
symmetrische Akanthus - Ranken , welche in Menschen-
häuptern und Delphinköpfen endigen, ausgehen. Auf
den Ranken sitzende weibliche Figuren, weiters Schnecken
und Insekten beleben dieses Ornament. Dazwischen liest
man die Jahreszahl 1595.
Derselbe Fries findet sich auf Krügen in den der
Mehrheit nach nochbestehendenPrivatsammlungenOppen-
heim, Figdor, Lepke, Frohne, Thewalt, Mennicken,
Schmitz etc.; ferners in vielen öffentlichen Sammlungen.
Der Zierschild trägt bald den Namen Jan Allers, bald
erscheint er leer, bald wieder enthält er nur Initialen,
wie bespielsweise die Buchstaben H H. Dieselben Buch-
staben trägt eine Siegburger Kanne mit Ausgussrohre
der Sammlung Thewalt in Köln; der Zierschild wurde
jedoch durch die angesetzte Ausgussrohre zum grössten
Teil gedeckt und nur ein kleiner Raum auf jeder Seite
freigelassen, in welchem beiderseits ein H eingesetzt
wurde.
Diese Initialen H H der Siegburger Schnabelkanne
bezieht nun Dornbusch1) auf den berühmten Siegburger
Meister Hans Hilgers und schreibt ihm auch das oben-
erwähnte Ornament infolge Aehnlichkeit mit anderen
Hilger'sehen Arbeiten mit einiger Wahrscheinlichkeit zu.
Der Umstand, dass Dornbusch dasselbe nicht unbedingt
dem Meister H H zuschreiben wollte, hat eben in der
Wahrnehmung, dass der Zierschild auch häufig, wie
bereits erwähnt, andere Initialen trägt, seinen guten
Grund — und es blieb daher für Dornbusch folgende
Frage noch offen:
»Hat der Meister HH das Ornament durch Ein-
setzen seiner Initialen in den Zierschild als sein Werk
gekennzeichnet und wurden die Buchstaben von anderen
Töpfern gelöscht oder hat er den Zierschild absichtlich
für allseitigen Gebrauch der Form freigelassen?«
Eine genaue minutiöse Beobachtung des erwähnten
Ornamentes bestätigt uns mit absoluter Sicherheit, dass
der Meister H H dessen Verfertiger ist und dass es in
der Absicht geschah, dasselbe nicht nur den Siegburger
Töpfern, sondern auch jenen der Raerener Gilde, welche
zu dieser Zeit viel mehr Ware als Siegburg auf den
Markt brachte, zugänglich zu machen.
Von der Originalform liessen sich ja beliebig viele
Abdrücke machen und je mehr Hilgers von diesen ab-
setzen konnte, um so höher war sein Einkommen. Er
p Dornbusch, Die Kunstgilde der Töpfer in Siegburg, Köln 1873.
 
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