Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

DOI Heft:
Nr. 10
DOI Artikel:
Seydlitz, Reinhard von: Die Renaissance-Ausstellung der Münchener Sezession
DOI Artikel:
Haenel, Erich: Internationale Kunstausstellung Dresden 1901, 1
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0454

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
413

Holbein d. Ä. an (Nr. 131), begeistern uns ehrlich an
Dürrers Porträt J. Fuggers (Nr. 133) und sagen ganz
kecklich, dass die Bezeichnung „Holbein der Jüngere“
für die Porträts des Ehepaares Moerz (Nr. 141 und 142)
keine Ehre für die Bilder sind, sondern dass sie un-
streitig dem deutschen van Dyck, dem grossen Chr. Am-
berger angehören. Um anders zu urteilen, müsste man
geradezu noch keinen Amberger gesehen haben, z. B.
nicht die beiden in der ehemaligen Sammlung Schubart
(jetzt Colnaghi in London), die den Matheus Schwarz
und sein Bärbel darstellen.
Der Name Schwarz führt uns auf das von Holbein d. J.
gemalte Votivbild (Nr. 139) der genannten Familie. Es
stellt den berüchtigten Bürgermeister Ulrich Schwarz
von Augsburg dar, mit Frau, Söhnen, Töchtern und
Enkeln. Der dargestellte Grossvater starb 1478 auf dem
Schaffet; Holbein d. J. wurde 1497 geboren. Wir haben
es also hier mit einem vermutlich von den Hinter-
lassenen bestellten Expiatorium zu thun, wie denn auch
die feinen roten Kreuzlein über einigen Köpfen das
Verstorbensein der Dargestellten anzeigen; unter den
„Unbekreuzten“, also damals noch lebenden Personen,
werden wir wohl den ältesten Sohn (Ulrich) des ge-
richteten ältern Ulrich als den Besteller anzusprechen
haben. Von seinen Brüdern (es waren 13 Söhne und
7 Töchter) interessiert den Kundigen kaum einer, dagegen

natürlich besonders der Enkel des Missethäters, der oben
erwähnte Matheus, der sich in der dritten Reihe der
Knieenden präsentiert. Und in diesem kleinen Kopf
entdecken wir eine schöne Harmonie zwischen dem
Pinsel — oder sagen wir dem Auge — Holbeins und
Ambergers: die Unterlippe in ihrer ganzen Unschönheit
ist auf beiden Bildern dieselbe. Sein Gewand nach
dem bekannten von ihm geführten Trachten-Tagebuch
zu bestimmen, und hierdurch auch für das Votivbild
selbst ein Datum zu geben, überlassen wir denen,
welchen jenes famose Büchlein (im Braunschweigischen
Museum befindlich), zugänglich ist.
Doch dies sind Einzelheiten; wer sich in eine solche
verliert, sollte gerechterweise desgleichen thun oder
doch zu thun versuchen bei jedem andern Bilde; und
wohin können wir dann, selbst wenn wir „Zeit haben“
sollten?
Würdiger beschliesst man seine Wanderung etwa
mit einem tiefen, langen und vollen Blick auf Am-
bergers Jungen Fugger als Paduaner Student (Nr. 144),
der vielleicht den Gipfel Ambergerschen Könnens und
Erreichens darstellt.
Aber, so sprechen alle diese Werke, kommt und
seht selbst! Noch sind die Thore offen; und dem
gegenüber schweigt der Berichterstatter gern!

Internationale Kunstausstellung Dresden 1901.
Von Erich Haenel.

Die Entwicklung, die unsere Kunst im Laufe des
vergangenen Jahrzehntes genommen hat, verdankt ihr
Bestehen vor allem einemNeuerwachen und Neuerstarken
ihres eigentlichen nationalen Elementes. Heimatkunst,
im weiteren Sinne des Wortes, musste sie werden, um
neben der gewaltig fortschreitenden künstlerischen Wirk-
samkeit anderer Völker lebensfrisch und persönlich zu
bleiben. In Böcklin verehren wir die wunderbarste,
ihrer Bedeutung nach vielleicht noch kaum vollständig
begriffene Ausprägung einer Volksseele — so wenig
ihm auch anfangs die Sympathien der Menge folgten —,
die uns nach langen Zeiten verworrenen Suchens das
Naturgefühl und das Schönheitsbewusstsein von Millionen,
ihnen selbst noch unbewusst, mit strahlendem Glanze
erhellt. Und was uns die Worpsweder, was uns die
Dachauer Gruppe, die Karlsruher Landschafter schenkten,
wirkt das nicht zwar im engeren Kreise, aber doch in
gleichem Sinne auf die Wiedergeburt einer nationalen
Kunst hin? Die Ausländerei, als Hauptcharakterzug der
deutschen Kunst fast schon sprichwörtlich, kann uns
nach solchen Erfolgen im ganzen sicher nicht mehr
vorgeworfen werden. Dass wir aber bei aller Vertiefung
des in unserer Scholle wurzelnden Eigenempfindens
künstlerisch den Anschluss an die Leistungen der
anderen Kulturnationen nicht verlieren, dafür sorgen
vor allem jene grossen Jahresrevuen der künstlerischen

I.
Produktion Europas, wie sie „bewundert viel und viel
gescholten“, von München und Berlin, jeden Sommer
in den dortigen Glaspalästen abgehalten werden. Die
Stadt, die es zum ersten Male unternahm, der Kunst
des deutschen Volkes für sich eine würdige Stätte zu
bieten, war lange Zeit aus der Zahl der künstlerisch
bedeutsamen Zentralen unseres Vaterlandes fast ganz
zurückgetreten. Der Erfolg aber, den Dresden mit
seiner „Deutschen Kunstausstellung“ 1899 davontrug,
konnte Einsichtige schon nicht mehr erstaunen. Denn
schon zwei Jahre vorher hatte die sächsische eine
Residenz in ihrer ersten internationalen Ausstellung
in ihrem Material ebenso bedeutsame, wie in ihrem
Rahmen feinsinnige und geschmacksreine Leistung ge-
boten. Dresden, Jahrzehnte hindurch eine der Hoch-
burgen des Akademismus, hatte auf einmal ein der-
artiges Verständnis für die junge Kunst und zugleich
eine solche verheissungsvolle Eigenproduktion im Geiste
der modernen Bestrebungen gezeigt, dass man ihm von
da an willig einen Platz neben den anerkannten Kunst-
zentren zugestand; ja, was die allgemeine Disposition
jener Ausstellungen anlangte, ihr Auftreten mit lauter
Stimme als eine vorbildliche That pries. — So konnte
Dresden, als es sich im Jahre 1901 zu seiner II. Inter-
nationalen Kunstausstellung rüstete, des lebhaftesten
Interesses nicht nur der einheimischen, sondern auch
 
Annotationen