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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 10
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Ostini, Fritz von: Aus der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast, 2, Die Romanen
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Seydlitz, Reinhard von: Die Renaissance-Ausstellung der Münchener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0452

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411

dort zu Lande der billige „Kitsch“ in höchster Blüte.
Man wird bei den Italienern auch bei den geringsten
Sachen kaum etwas direkt ungeschickt gemachtes sehen,
während man in den Deutschen Sälen vielleicht Sachen
findet, die an Geschicklichkeit in der Technik recht viel
zu wünschen übrig lassen und dennoch Werke einer
warmbeseelten Kunst sind. Zu künstlerischer Grösse

scheinen in Italien nur herbe und strenge Charaktere
kommen zu können, die sich an schweren Aufgaben
stählen und das leicht erreichbare verachten, wie ein
Segantini. So gravitiren eben die besten dort nach
dem Norden, so kommt es, dass heute im gelobten
Land der Künste die vornehmsten Künstler auch die
wenigst nationale Färbung haben.

Die Renaissance-Ausstellung der Münchener Sezession.
Von R. v. Seydlitz.

Der Ausstellungspalast am Königsplatz in München
— jene wuchtige, pomphafte Front, die so viel verspricht
und an Innenräumen so wenig enthält — hat vielerlei
Ausstellungen beherbergt, aber wohl noch keine von
so unmessbarem künstlerischen und so unschätzbarem
materiellen Werte, als die vom Verein bildender Künstler
Münchens für diesen Sommer dort aufgestellte Sammlung
von Meisterwerken der Renaissance; aus Privatbesitz
verschiedener Länder entlehnt, bildet sie unstreitig den
Glanzpunkt des diesjährigen Ausstellungslebens der
deutschen Kunstmetropole, und beweist durch ihr Ge-
lingen das Gegenteil von dem von einer Seite befürch-
teten „Niedergang“ Münchens. Denn es darf dreist
behauptet werden, dass eine andre deutsche Stadt
dieses Unternehmen nie in solcher Fülle und Pracht
zu Wege gebracht hätte.
Zu tadeln findet auch der talentvollste Nörgler da
nichts; es sei denn das Wort „Renaissance“. Denn
wir sind gewöhnt (und diese Gewohnheit hat wie jede
ihre Gefahren), Renaissance flottweg mit Cinquecento zu
verwechseln. Nun treffen wir aber in dieser Renaissance-
Ausstellungeinen Cimabue neben einemTiepolo; „Cinque-
cento“ hätte hier also nur den Sinn eines Wortwitzes,
denn zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert liegen
— fünfhundert Jahre. Aber der Nörgler möge bedenken,
dass Cimabue der Vater der (neueren) italienischen
Malerei nicht mit Unrecht heisst, und dass mit Tiepolo’s
Tode das letzte schon sehr flackernde Lichtlein erlosch,
welches von dem grossen Feste der Renaissance noch
übrig war; es ist also in Wahrheit eine Ausstellung der
Renaissance von ihrer Geburt an bis zum letzten Atem-
zug. Ganz geringe Kleinigkeiten, ein gotisches Vortrags-
kreuz oder ein desgleichen Aquamanile, atmen freilich
früheres Wesen. Aber was darf derlei uns anfechten?
Wo ist die Ausstellung und wo das Museum, in welchem
nicht Dinge wären, die auf die Frage: „Wie kommst
Du hierher?“ verlegen schweigen müssten! Selbst
wenn es Meisterwerke wären, wie die genannten. Auf
jeden Fall aber gehen diese paar Dinge unter in dem
enormen Reichtum reinster Renaissance, der alle Räume
erfüllt und durchstrahlt, und sie brauchten darum auch
dem Nörgler nicht als Vorwand zu dienen.
Vom unschätzbaren Reichtum ist leicht zu reden, be-
weisen aber kann ihn nur der Katalog, der in773Nummern
(ungerechnet die vielen a, b, u. s. w.) alle ausgestellten

Kostbarkeiten aufzählt. Sie sind im Katalog nach Künsten
geordnet (Malerei, Bildwerke nach Stoff und Material u.s.w.)
sowie die Gemälde nach Schulen. In der Ausstellung
selbst aber hat man vernünftigerweise diese Anordnung
verworfen, und Möbel und Gemälde, Goldhumpen und
Schnitzereien, nach freier Eingebung des guten Ge-
schmacks zu „Interieurs“ gruppiert, die auch ein Medicäer
nicht ungern bewohnen würde. Wenn nun auch hierdurch
das Aufsuchen eines Gegenstandes nach dem Katalog
mit einigem Durchwandern der Säle verbunden ist, so
ist dies grade ein vorzügliches und sehr angenehmes
Mittel, die Ausstellung besser kennen zu lernen, und
nur wer „keine Zeit“ hat, bedauert es; aber wer keine
Zeit hat für das vornehmste, was uns alte Meister hinter-
lassen haben, der bleibe überhaupt draussen.
Der beste Beweis für den Reichtum des Ganzen
ist freilich nicht der Katalog, sondern es sind das die
Werke selbst. Von diesen auch nur die wertvollsten
hier aufzuzählen, wäre Niemandem ein Gewinn, und
wäre, nebenbei, halbe, d. h. wertlose Katalogarbeit.
Weit eher lohnt es einen Blick auf die Spender der
köstlichen Gaben zu werfen, und unter diesen 95 Namen
der Besitzer Umschau zu halten. Denn, wenn auch die
Dankbarkeit in heutiger Zeit etwas antiquiert ist —
hier ist eben das Alte zuhause und somit auch diese
unmoderne Tugend. Wer von den vielen Besuchern
denkt denn — Hand aufs Herz! — mitten im Genuss des
Schönen, an die Sorgen, Mühen und das Vertrauen
der Sammler z. B., welche das Zustandekommen dieser
Lehnausstellung durch zeitweise Hergabe, vielleicht ihrer
liebsten Stücke ermöglichten? Und da, wo eine be-
sonders reichhaltige Sammlung aus einer Hand uns
erfreut (z. B. die des Freiherrn von Tücher), wer giebt
sich da Mühe, aus dem besondern Charakter dieser
Sammlung auf den des Sammlers zu schliessen? Und
doch — welche reizvolle psychologische Studie! —
Und-gar erst die „alten Bekannten“ aus früheren Aus-
stellungen und Auktionen, die man so froh ist, wieder-
zusehen! Sind es auch nur wenige im Ganzen, und
sind es noch weniger aus einer Hand, gerade sie
geben zu denken und zu vergleichen; erwähnt seien
z. B. nur die zwei Bilder aus der ehemaligen Sammlung
Schubart, der D. Teniers und der J. Steen; wer diese
Sammlung, welche ja vor einigen Jahren dieselben
Wände zierten, gekannt hat, oder sich der grossen
 
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