Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Berling, Karl: Eine wertvolle Schenkung an das K. Kunstgewerbemuseum zu Dresden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Eine wertvolle Schenkung an das K. Kunstgewerbemuseum zu Dresden.
Von Professor Dr. K. Berling.

* Vorbemerkung der Redaction: Nachstehender Aufsatz ging uns zu, als die im vorigen Hefte (Seite 20) gegebenen Mitteilungen über die
grossartige Schenkung, die eine englische Dame dem Dresdener Kunstgewerbemuseum gemacht hat, bereits gedruckt waren. Um nun Wiederhol-
ungen zu vermeiden, haben wir im Einverständnis mit Herrn Professor Dr. Berling, in dem vorliegenden Artikel alles gestrichen, was sich auf die
Gemälde und Aquarelle der Schenkung bezieht, und nur den Excurs über die plastischen und kunstgewerblichen Objecte zum Abdruck gebracht.
Vielleicht ist es uns möglich, der interessanten Sammlung Aquarelle englischer Künstler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die mit dieser
Schenkung in den Besitz des Dresdner Kunstgewerbemuseums gekommen ist, später einen eigenen, durch Abbildungen erläuterten Artikel zu widmen.

Die an das Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Dresden
vor kurzem aus dem Auslande geschenkte Privatsammlung
bedeutet einen ganz eminenten Zuwachs der Dresdener
Sammlungen von ganz beträchtlichem materiellen Werte
und bereichert nicht nur mehrere hier bereits bestehende
kunstgewerbliche Abteilungen durch vorzügliche Stücke,
sondern begründet auch einige bis dahin überhaupt nicht
vertretene Gruppen. Die Schenkung ist seit kurzem
in einem eigens für diesen Zweck dekorativ ausge-
statteten Raume des Museums in ihrer Gesamtheit zur
Ausstellung gelangt, wo sie bis zu dem in etwa vier
Jahren bevorstehenden Umzuge in den Neubau ver-
bleiben wird.
Der Schwerpunkt der Sammlung liegt zwar auf
keramischem Gebiete, doch sind unter Aufwendung von
ganz bedeutenden Mitteln und mit feinem Geschmack
auch Marmorwerk, Ölgemälde, Aquarelle und Zeich-
nungen hier zusammengebracht, Objecte, die man nicht
in Kunstgewerbemuseen zu finden gewohnt ist. Man
konnte diese aber nicht an andere staatliche Sammlungen
Dresdens abgeben, da es im Sinne des Schenkgebers
lag, Alles zusammenzuhalten.
Unter den plastischen Werken fesseln besonders
die aus weissem Marmor gearbeiteten Schöpfungen von
der Hand des in England besonders hochgeschätzten
Bildhauers John Gibson. Da stehen auf mächtigen Marmor-
säulen mit drehbaren Kopfplatten die Gestalten einer
fiottbewegten Tänzerin, eines anmutigem Amor, der mit
einem Schmetterling spielt, und einer etwas weichlich
behandelten Venus. Ausserdem gehören die Büste eines
jugendlich aufgefassten Bacchus und einer Niobe zur
Sammlung. John Gibson wurde 1790 in Wales geboren
und zuerst zum Handwerker erzogen. Doch bald brach
sich sein Talent Bahn. Ein einflussreicher Protektor nahm
sich seiner an, sodass er sich zum Bildhauer ausbilden
und 1817 nach Rom gehen konnte. Hier hatte sich
damals, durch Winckelmanns mächtigen Einfluss inau-
guriert, ein völliger Umschwung in der Plastik voll-
zogen. Man hatte die seit Bernini beliebt gewordenen
Übertreibungen in der Muskulatur, die Geziertheiten in
den Stellungen und Unwahrheiten in den ganzen Körpern
gründlich satt bekommen und war zu den edlen, wahren
und anmutigen Linien der griechischen Antike zurück-
gekehrt. Bei Canova, dem Künstler, der zuerst die
Winckelmannschen Ideale verkörperte, trat Gibson als
Schüler ein und nach Canovas im Jahre 1822 erfolgtem
Tode wurde Thorwaldsen, der bedeutendste Bildhauer

dieser antikisierenden Richtung, sein Lehrer. In Rom
ist Gibson auch geblieben, nachdem er sich selbständig
gemacht hatte, und hier 1866 gestorben.
Wie es bei einem Schüler Canovas und Thor-
waldsens kaum anders sein konnte, bewegte sich seine
Kunst fast ausschliesslich auf griechisch-römischem Ge-
biete. Obgleich man ihm nicht ganz mit Unrecht, den
Vorwurf macht, er habe zu sehr nachgeahmt, erfreuen
sich seine Arbeiten in seiner Heimat doch einer grossen
Beliebtheit.
Dass bei der Schenkung die keramischen Erzeug-
nisse besonders trefflich vertreten sind, ist oben bereits
angedeutet worden. An Meissner Porzellanen kommen
nur wenige, aber recht gute Stücke vor, so eine der
für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts äusserst
charakteristischen Krinolingruppen, ein Kavalier, eine
Dame begrüssend, mit zwei Amoretten, bunt bemalt.
Dann müssen die grosse Figur eines Dudelsackbläsers,
gleichfalls bunt bemalt, eine Tasse mit Goldmalerei um
1725 und eine Tasse mit Seladonfonds, reicher Gold-
kante und bunten holländischen Landschaften genannt
werden. Zwei seltene Muster bieten Tassen aus der
Marcoliniperiode. Die eine ist in grosser Feinheit mit
Grotesken in Pompejaner Art bemalt, die andere zeigt
königsblauen Fonds und in weissen Rundmedaillons die
Köpfe von Xenophon und Ovid. Der in Sevres er-
fundene königsblaue Fond (bleu royal) erfreute sich
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer solchen
Beliebtheit, dass er in den meisten Porzellanfabriken
nachgeahmt wurde. Zwei solche Stücke,, Tassen, von
denen die eine Vögel, die andere Brustbilder zeigt, be-
finden sich gleichfalls bei der Sammlung. Sie sind
Frankenthaler und Ludwigsburger Erzeugnisse. Diesen
beiden Fabriken entstammen ausserdem noch mehrere
interessante, bemalte Gruppen und Figuren, so die
Liebeswerbung, der Geiger, der Federviehhändler. Mit
einer Nymphenburger Kanne, die besonders deshalb be-
merkenswert ist, weil , sie in der Art der frühen Wiener
Porzellane dekoriert ist, einem Berliner Flacon in Rokoko-
form mit äusserst saftig gemalten Schäferfiguren, einer
Wiener Deckeldose und einem Rudolstädter (?) Stock-
griff sind die deutschen Porzellane erschöpft.
Von den englischen Fabriken, die meist äusserst
spärlich in unsern Museen vorhanden zu sein pflegen,
sind Chelsea und Worcester mit guten und charakter-
istischen Stücken vertreten. Von den Erzeugnissen
Frankreichs überwiegen die der Staatsmanufaktur von
6*
 
Annotationen