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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 11
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Walcher von Molthein, Alfred: Erinnerungsbecher aus dem Jahre 1547: Siegburger Kruggeschenke
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0475

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441

Erinnerungsbecher aus dem Jahre 1547.
SIEGBURGER KRUGGESCHENKE.
Von Alfred Ritter Walcher v. Molthein.

Die im 15. und den beiden folgenden Jahr-
hunderten im alten Siebrecht, heutigem Siegburg,
erzeugten Henkelbecher mit trichterförmigem Aus-
guss und mittels des Daumens hergestelltem ge-
welltem Fuss wurden entweder ohne weiterem
Reliefschmuck in den Handel gebracht oder sie
erhielten ein, in der Regel jedoch drei Medaillons.
Diese Medaillons wurden auf einer dünnen Schichte
Thon mittels der Form ausgeprägt und sodann auf
den bereits fertigen und an der Luft gehärteten
Becher aufgeklebt. Ein anderes Verfahren bestand
darin, den Becher mit, der Grösse der Medaillons
entsprechenden, Schichten weichen Thönes zu über-
ziehen und die Form erst dann aufzudrücken.
— Bei grösseren Medaillons dürfte der erstere,
bei kleineren der letztere Vorgang Anwendung
gefunden haben. — Der Inhalt der erwähnten
Medaillons war ein recht vielseitiger: „Stilisiertes
Pflanzenornament, Wappen, figürliche Darstellungen
mythologischen, biblischen und allegorischen Charak-
ters, Brustbilder historischer Personen der alten
Welt; während zeitgenössische Portraits auf solchen
Bechern äusserst selten gefunden werden. — Die
besseren Stücke, speziell jene, welche der 2. Hälfte
des 16. oder der ersten des 17. Jahrhunderts, so-
mit der Glanzperiode des deutschen Kunsthand-
werkes angehören und deutlich den Stempel der
höchsten Entwicklungsstufe niederrheinischer Krug-
bäckerei tragen, waren im Gegensätze zu jenen
der früheren Perioden, welche unglasiert blieben,
in der Regel mit scheinbar weisslichem, oder besser
gesagt, nahezu vollkommen durchsichtigem Email
überlaufen.3)
Ich habe Eingangs dieser Zeilen erwähnt, dass
Henkelbecher oder Jakobas-Kannetjes2), wie man
ähnliche Formen, bezw. deren Vorläufer in Holland
nannte, mit Porträts selten sind und so verdient
ein mir bekannter, in Wiener Privatbesitz befind-
licher Becher an dieser Stelle eine nähere Be-
schreibung.
Derselbe hat die auffallende Höhe von 22 cm.
Ich nenne dieses Mass auffallend, nachdem sich
die Höhe der Henkelbecher in der Regel zwischen
7 cm und 18 cm hält, daher bei der Anfertigung
von Stücken, welche die untere oder obere Grenze
überschreiten, stets ein besonderer Zweck3) zu
gründe lag.
*) F. Jaennike, Mettlacher Museum, Mainz 1884. Dieser glasige
Ueberzug wurde durch Kochsalzdampf während des Brandes hervor-
gebracht. (Salzglasur.)
2) Kännchen der Jacobäa. Durch die Sage mit der durch ihr
abenteuerreiches Leben bekannten Jacobäa von Holland, 1401 bis 1436,
zu welcher Zeit derartige Becher bereits angefertigt wurden, und mit
ihrem Aufenthalte auf Schloss Teylingen bei Leyden in Verbindung
gebracht.
a) Kleinere als Spielzeug für Kinder, grössere zur Erinnerung an
Festlichkeiten oder wichtige Ereignisse. — Dass Steinzeug in kleinen
Formen für Kinder angefertigt wurde, beweist ein mir bekannter Kreussner
Humpen, welcher die minimale Höhe von 4 cm aufweist.

Auf der Bauchwand finden sich drei Brust-
bilder und zwar:
In der Mitte: Johann Friedrich I., genannt der
Grossmütige, Kurfürst von Sachsen, geboren
30. Juni 1503, folgte dem Vater 1532, starb
3. März 1554.
Zur Rechten: Kaiser Karl V.
Zur Linken: Ferdinand Alvarez de Toledo, Herzog
von Alba, Oberfeldherr der kaiserlichen Heere,
geboren 1508, gestorben 12. Januar 1582.
Die Bilder sind äusserst scharf, speziell in der
Gewandung, hoch im Relief und ist ihnen in bezug
auf Zeichnung und Modellierung, Schönheit und ein
gewisser künstlerischer Wert nicht abzusprechen.
Dieselben haben auch durch das Aufträgen der
Glasur nicht im geringsten gelitten; bei den Ge-
sichtern des Kurfürsten und des Herzogs wurde
die Nase, wahrscheinlich infolge vorzeitigem An-
fassen des Kruges, blattgedrückt.
Diese Zusammenstellung ist gewiss an und für
sich eine recht interessante. Ausserdem ist es uns
hiedurch ermöglicht, dem Becher ein bestimmtes
Erzeugungsjahr zuzuweisen, was für das Studium
der Steinzeugindustrie umsomehr in die Wagschale
fällt, als wir auf ähnlichen Formen genaue Daten
oder bestimmte Datierungen meines Wissens erst
von 1557 an nachweisen bezw. zulegen konnten.1)
Wenn wir in der Geschichte des Kurfürsten-
tums Sachsen2) blättern, finden sich vier historische
Momente, bei welchen die drei genannten Personen
in nächste Beziehungen zu einander traten:
I. 24. April 1547, Schlacht bei Mühlberg.
DerKurfürstverliert trotz persönlicherTapferkeit
Sieg und Freiheit. Herzog Alba, Oberfeldherr der
kaiserlichen Truppen führt den Gefangenen dem
Kaiser vor. Karl übergibt denselben der wachsamen
Obhut des genannten Herzogs 3)
II. 10. Mai 1547, Kriegsgericht im Dorfe Bistritz
vor Wittenberg.
Dasselbe unter dem Vorsitze des Herzogs Alba
spricht dem Kurfürsten, als einem pflicht- und eid-
brüchigen Rebellen das Leben ab. — Auf den Rat
Albas4) ferner des Bischofs von Arras, sowie auf die
Fürbitte einiger Fürsten, unter welchen sich auch
Wilhelm IV, Herzog v. Jülich, der Schwager des
Verurteilten befand, zieht Kaiser Karl das Todes-
urteil zurück.5)

') Der von Dornbusch erwähnte Henkelbecher mit der Jahreszahl
1524 ist unstreitig eine Imitation, bei welcher der Fabrikant Peter Löwenich
insoferne vom Original abgewichen ist, als er die Jahreszahl hinzugesetzt
hat, wodurch das Stück' den dreifachen Wert erhielt.
2) M. J. M. Weichselfelder, Leben, Thaten und Gefangenschaft des
Kurfürsten Joh. Friedrich des Grossmüthigen. Frankfurt 1754.
3) Ziegler: proelium ad Muhlbergum 1776.
4) Histoire du Duc d’Albe, Paris 1698.
6) Ueber die Stellung, welche Alba zum Todesurteil nahm, sind die
Historiker nicht einig. — Ein Teil behauptet, er hätte auf sofortigen

1*
 
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