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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 11
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Walcher von Molthein, Alfred: Erinnerungsbecher aus dem Jahre 1547: Siegburger Kruggeschenke
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0476

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442

III 19. Mai 1547, Kapitulation von Wittenberg.
Der Kurfürst verzichtet auf die Kurwürde,
willigt in die Ueberlieferung seiner Festungen zu
Händen des Kaisers und verspricht, am Hofe des-
selben, so lange es seiner Majestät gefällig, zu
bleiben. —Diese Kapitulation ist gezeichnet: „Ca-
rolus V., „Perrenot“, „Johannes Friedrich, der Elter,
M. pp“. Nachdem dieselbe im Feldlager Kaiser
Karls geschlossen wurde, ist die Anwesenheit und
Beiziehung Herzog Albas mit bestimmter Sicherheit
anzunehmen.
IV. 15. Mai 1548, Reichstag zu Augsburg.
Ich möchte hier anschliessend erwähnen, dass
als Veranlassung zur Zusammenstellung der Porträts
eine Bezugnahme auf den Krieg an der Donau
1546 ausgeschlossen scheint. An der Spitze der
Schmalkaldener stand zwar als Oberfeldherr Johann
Friedrich, neben ihm jedoch mit gleichen Befug-
nissen Philipp von Hessen. — Der Feldzug an der
Donau verlief auch ohne besondere kriegerische
Ereignisse. Kaiser Karl wich auf Rath seines
Generalissimus Alba jeder Feldschlacht mit Absicht
aus und wurde durch die Unthätigkeit des Gegners,
die Uneinigkeit der feindlichen Führer und dem
Geldmangel der gegnerischen Partei ohne Schlacht,
selbst ohne Treffen, Sieger und Herr des Feldes. —
Wäre der Becher daher zur Erinnerung an die
Ereignisse im Jahre 1546 angefertigt worden, so
hätten Kaiser Karl V. das Mittelmedaillon, der Kur-
fürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen
die beiden Seitenmedaillons einnehmen müssen.
Schliessen wir nun auch die Kapitulation von
Wittenberg sowie den Reichstag von Augsburg aus,
bei welchen der Herzog von Alba nur mehr die
Rolle eines Gefangenhüters zu spielen hatte, so
bleibt uns noch die Entscheidung zwischen der
Schlacht bei Mühlberg und dem Kriegsgericht in
Bistritz.
Ich möchte mich dem letzteren Ereignis als Ver-
anlassung zur Anfertigung des Bechers zuwenden
und motiviere dies folgendermassen:
Die Zurückziehung des Todesurteiles bot für
die Verwandten des Kurfürsten, auf deren Auftrag,
wie später ausführlicher klargelegt werden soll, der
Becher angefertigt wurde, ein freudiges Ereignis
nach der so unglücklichen, das ganze sächsische
Land in tiefe Trauer versetzenden Schlacht bei
Mühlberg. — Herzog Alba hält in auffallend dar-
gestellter Weise ein zusammengerolltes Schriftstück,
das Todesurteil oder eine Bittschrift zu gunsten
des Verurteilten, in der Linken. Jedenfalls können
wir uns den Herzog, als Generalissimus der kaiser-
lichen Heere unter allen anderen Umständen nur
mit dem Kommandostab denken. Dieses Bild Albas
ist daher um so interessanter, als es speziell für diesen
Zweck gezeichnet wurde; es zeigt uns den Herzog
im Alter von 39 Jahren und dürfte eines der jüngsten
uns erhaltenen Portraits des Genannten sein. —
Vollzug des Todesurteiles gedrungen, während Kaiser Karl den Kurfürsten
schonen wollte. Für diese Behauptung spricht der Charakter Albas, dieses
von Grausamkeit, Habgier und Bigotterie geleiteten Fanatikers. Der
.andere Teil will Alba die Ehre lassen, den Kurfürsten gerettet zu haben.
Auch dies wäre zu begründen: Alba belagerte bereits ohne Erfolg das
äusserst widerstandsfähige Wittenberg. Um nun seinen Kriegsruhm nicht
zu gefährden und sein Glück an dem Heroismus einer kleinen Stadt nicht
scheitern zu sehen, riet er Kaiser Karl das Urteil zurückzuziehen und die
Kapitulation einzugehen.

Dass der Kurfürst mit dem Schwerte dargestellt
ist, darf uns durchaus nicht befremden. Er wurde
als Gefangener fürstlich gehalten, fuhr, wenn er
dem Kaiser folgen musste, auf einem sechsspännigen
Wagen und trug stets Waffen. — Weichselfelder
erzählt: „Er führte sein kurzes und langes Pürs-
rohr, wie er denn auch den Tag über seinen Dolch
und Schwerd an der Seiten zu tragen pflegte; und
machte nichts die Gefangenschaft schwer, als das
beharrliche Einsitzen und dass er Tag und Nacht
von 24 Spaniern ist verwachet worden.“
Die im Wiener Hofmuseum befindliche reich-
haltige und für biographische und ikonologische
Studien so bedeutende Portraitssammlung des Erz-
herzogs Ferdinand von Tirol hat mir beim Vergleich
die Altersdaten für das Jahr 1547 bestätigt.
Die Zusammenstellung der Medaillons bezieht
sich daher auf die Aufhebung des am 10. Mai
1547 kriegsrechtlich ausgesprochenen Todesurteiles.
Durch letzteres wollte Karl die noch Widerstand
leistende befestigte Stadt Wittenberg, woselbst auch
die Gemahlin und die Söhne des gefangenen Kur-
fürsten Zuflucht gesucht hatten, zur Uebergabe
zwingen. — Auf den Rat Albas zog er jedoch
das Urteil zurück, schloss mit Johann Friedrich
die Kapitulation von Wittenberg, woraufhin letzteres
dem Kaiser die Thore öffnete.
Der Becher ist somit zwischen 1547 und 1548
in Siegburg entstanden. Der Auftraggeber war ge-
wiss niemand anderer als Wilhelm IV, genannt der
Reiche, Herzog von Jülich, Cleve, Berg, Graf von der
Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein, geboren
28. Juli 1516. — Er übernahm das väterliche Erbe
1539, wurde durch seine Schwester Sibylle von
Cleve, welche den Kurfürsten von Sachsen am 2. Juni
1527 ehelichte, Schwager des letzteren, als Förderer
des Protestantismus auch dessen intimer Freund,
was er auch wiederholt, speziell aber dadurch be-
wiesen hat, dass er für ihn vor Wittenberg sowie
auf dem Reichstag zu Augsburg des kaiserlichen
Oheims1) Gnade in Anspruch nahm.
Herzog Wilhelm wurde durch eine treffliche
Erziehung beglückt. Diese schöne Mitgift, welche
m bürgerlichen Familien so wertvoll, im Regenten-
hause ein unschätzbares Gut ist, seine Charakter-
stärke, Gerechtigkeitsliebe, die Aufmerksamkeit für
das Wohl seiner Unterthanen erwarben ihm die
vollste Liebe ebenso im Inlande wie im Auslande.
Er schätzte Wissenschaft und Künste, förderte jeg-
liches Handwerk und so kam auch die Siegbürger
Ulnerzunft2) nie zu kurz.
Siegburg fand stets bei den jülichschen Herzogen
die weitgehendste Unterstützung und hatte den-
selben die meisten Rechte, so unter anderem auch
die Freiheit von allen Zöllen und Wegegeldern im
bergischen Lande zwischen Siegburg und dem
Rheine zu verdanken.
Was ist daher erklärlicher, als dass Herzog
Wilhelm bei der Absicht, die Rettung seines Schwagers
zu feiern, auf die sinnige Idee kam, allen Verwandten

>) Herzog Wilhelm ehelichte 3. Juli 1546 Marie Tochter Ferdinand I.
2) Ulner-Töpfer von dem altdeutschen ul, dem lateinischen olla.
Bis 1560 hiessen die Töpfer in Siegburg ulner, bis 1600 eulner, nach
1600 aulner.
 
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