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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 10
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Habich, Georg: Studien zu Antonio und Alessandro Abondio
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0439

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401

Studien zu Antonio und Alessandro Abondio.
Von Dr. Georg Habich.

Das Münzkabinet zu München bewahrt unter
seinen alten Beständen zwei Wachsmedaillons, die
hier (Tafel I) zum erstenmal veröffentlicht werden.
Wie der Vergleich mit anderen Bildnissen des Paares,
namentlich den beiden auf Tafel II, Fig 1, 2 ab-
gebildeten Medaillen ohne weiteres erkennen lässt,
stellen sie den Kaiser Maximilian II. und seine Ge-
mahlin, Kaiserin Maria, Tochter Karls V., dar. Die Ab-
bildungen geben die beiden Reliefs in ihrer natür-
lichen Grösse wieder, was sie aber nicht völlig zur
Geltung bringen können, - ist die ausserordentliche
Subtilität der Arbeit, der Modellierung wie der Be-
malung. Beide Porträts sind in ziemlich hohem
Relief aufs sorgfältigste in Wachs bossiert mit der
ganzen peinlichen Akkuratesse im Detail, deren
diese Technik fähig ist. Das Wachs scheint zum
Teil, wenigstens bei grösseren Partien von einheit-
licher Farbe, so am Kleid der Maria und dem
Harnisch des Kaisers, bereits in der Masse gefärbt.
An der feingekrausten Kopfhaube der Kaiserin ist
sogar das gewöhnliche, nur wenig gebleichte, so-
genannte Honigwachs zur Verwendung gekommen.
Alles übrige ist mit Deck- und Wasserfarben aufs
eingehendste koloriert. Der Kaiser trägt schwärz-
liches Haupt- und Barthaar, das Auge ist blau.
Der dunkel patinierte Harnisch ist an den einzelnen
Teilen mit goldenen Streifen gesäumt und mit
goldenen Nägeln beschlagen. Die faltige Draperie
ist als Goldbrokat gedacht und mit Perlen, sowie
roten und grünen Halbedelsteinen besetzt. Um den
Hals trägt er an einem Band das Goldene Vliess.
Alles ist intakt bis auf die Nase, die an der Spitze
etwas gelitten hat, und neuerdings einer, übrigens
sorgsam überwachten Uebermalung unterzogen
wurde.
Dagegen ist das Bildnis der Kaiserin völlig
unberührt; es bringt die Originalarbeit des Künstlers
noch in ihrer ganzen Delikatesse zur Geltung. Vor-
trefflich zu dem rötlichbraunen Haar stimmt die
wasserblaue Farbe des Auges, und zu dem schwarzen
Seidenstoffe der Gewandung geben die Perlenhaften,
sowie die sparsam verwandte Goldstickerei einen
noblen Kontrast. Als Agraffe am Busen — den
einzigen Schmuck — trägt die Kaiserin einen
goldenen Adler mit grossem Smaragd auf der Brust.
Beide Reliefs sind auf schwarzunterlegtes Glas
aufgesetzt, das hier den sonst gebräuchlichen, aber
kostspieligeren Obsidian-Untergrund vertritt, und in
verglasten Messinggehäusen mit schöner, alter Orna-
mentierung eingeschlossen. In der dunkelgefärbten
Umrahmung machen die beiden Bildnisse mit ihrer
naturgetreuen Bemalung einen höchst sprechenden
Eindruck, dessen fast unangenehme Lebendigkeit

noch erhöht wird durch den schwärzlich spiegelnden
Hintergrund, der völlig die Illusion des freien Raums
erweckt.
Wir haben es hier also mit einer Kunst zu
thun, deren Mittel zum Teil weniger künstlerisch
als künstlich sind, und wäre der Verfertiger selbst
nicht ein so geschickter und eleganter Porträtist,
so verdienten diese Erzeugnisse allenfalls als Kuriosi-
täten Interesse, aber keine eingehendere Unter-
suchung. Eine solche verlohnt sich indess schon
durch die nahe Beziehung der beiden Wachsbildnisse
zu den in Abbildung Tafel II, 1 und 2 beigegebenen
Medaillen. Auf diese stilistische Verwandtschaft hat
schon Vorjahren Hr. Brunn vor einem wissenschaft-
lichen Kreise gelegentlich hingewiesen. Die beiden
Schaustücke — sie sind hier nach den im Münchener
Kabinet befindlichen, ausserordentlich feinen Original-
güssen wiedergegeben — gehören nach dem über-
einstimmenden Urteil der Kenner zum Vornehmsten,
was wir von dieser Art in der Kleinkunst der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts überhaupt besitzen.
Sie sind ersichtlich als Gegenstücke gearbeitet. Die
Medaille von Maximilian ist ein scharfer Silberguss,
die der Kaiserin Maria ein nicht mindergelungenes
Bronzestück von warmer brauner Patina. Beide
Stücke tragen äusser den in feinen Linienkreisen
geschmackvoll und splendid angeordneten Um-
schriften :
IMP: CAES; — MAXIMIL: II: AVG: und
MARIA IMPER: — MDLXXV
unten die Künstlersignatur AN: AB. (Durchmesser
59 mm).
Seit Bergmanns grundlegender Studie „Ueber
den ausgezeichneten Medailleur AN: AB.“ Wien 1845
(Jahrbücher der Literatur Bd. CXI1) ist diese Chiffre
als Zeichen des berühmten Hofmedailleurs der
Kaiser Maximilian II. und Rudolf II., Antonio
Abondio den Fachleuten wohl bekannt. Ueber
sein Leben dürfen wir uns hier mit den Haupt-
daten begnügen, da über die Familie der Abondio,
die in drei Generationen bemerkenswerte Künstler
hervorgebracht hat, eine Spezialstudie von anderer
Seite seit längerer Zeit in Vorbereitung ist.
Antonio Abondio, aus edlem Florentiner
Geschlechte stammend, war ein Sohn des als
Schüler des Michelangelo nicht unrühmlich be-
kannten Bildhauers Alessandro Abondio des
Älteren. Geboren im Jahre 1538 in der Lombardei,
scheint er, äusser dem Unterricht seines Vaters,
die Lehre des bedeutendsten Mailänder Medailleurs
der Zeit, des Leone Leoni genossen zu haben, mit
dem ihn später nahe Freundschaft verband. Er
arbeitete zunächst in Italien, dem Stile seines mut-
 
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