Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Voll, Karl: Das Vorbild zum "grossen Henker" des Prinzen Rupprecht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0250

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
220

Das Vorbild zum „grossen Henker“ des Prinzen Rupprecht.

Kürzlich wurde in dieser Zeitschrift eine Repro-
duktion nach dem zweiten Zustand des grossen Henkers
vom Prinzen Rupprecht veröffentlicht.*) Die Besprechung
gab auch an, dass der zweite Zustand auf der Schwert-
klinge den Vermerk Sp. in. trägt. Diese Notiz ist
von jeher richtig dahin ausgelegt worden, dass Ribera
der Urheber der Composition sei. Näheres wusste
man aber nicht. Nun hängt in der Münchener Pina-
kothek unter Nr. 1289 ein Gemälde, das in Kniestück
die Figur eines nach links gewendeten Henkers zeigt,
der in der ausgestreckten linken Hand das Haupt des
Johannes Baptista trägt. Das Gemälde ist 1,26 m
hoch und 0,92 m breit. Es stimmt in allen Einzel-
heiten durchaus zu dem berühmten Schabkunstblatt,
sogar der Agnusdeistab ist vorhanden, und, was man
bis jetzt infolge der Nachdunkelung nicht gesehen hat,
erkennt man beim Vergleich mit dem Druck jetzt
ganz deutlich: das Schwert des Henkers. Die An-
ordnung des Gemäldes ist im Gegensinn zum Stich.
Das Bild hängt in der Pinakothek als Schulwerk
des Ribera. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir
erstens das Original selbst vor uns haben, nach dem
Prinz Rupprecht gearbeitet hat, und zweitens, ob die
Notiz auf dem Schabkunstblatt, die doch vom Jahre
1658 stammt, es genügend wahrscheinlich macht, dass
wir hier keine Atelierarbeit, sondern ein eigenhändiges
Bild des Ribera haben. Die erste Frage kann mit
einiger Sicherheit dahin beantwortet werden, dass
Prinz Rupprecht das vorliegende Exemplar vor Augen
gehabt hat; denn einerseits stimmen die beiden Dar-
stellungen bis ins minutiöseste Detail miteinander über-
*) Vgl. Heft 2 Tafel 2.

ein, anderseits spricht auch die Provenienz des Ge-
mäldes und die Entstehungszeit des Schabkunstblattes
dafür. Das Bild stammt aus der Mannheimer Galerie,
also aus altem Pfälzer Besitz; Prinz Rupprecht aber
war, in jenem Jahr wo er das Blatt anfertigte, in
Frankfurt. Als Pfälzer Prinz und so nahe bei dem
Aufbewahrungsort des Gemäldes konnte er wohl das
vorliegende Exemplar kennen.
Anders verhält es sich mit der Authenticität der
Ausführung durch Ribera. Eine so alte Notiz, die
noch dazu aus solcher Quelle stammt, hat ja einen
gewissen Wert, aber beweiskräftig ist sie darum doch
nicht. Das Gemälde ist nicht allein unbezeichnet,
sondern entbehrt auch in seiner lahmen und leeren
Ausführung durchaus aller Merkmale der Echtheit.
Es gleicht mehr einer treuen, aber was den Vortrag
anlangt, doch nicht gar gründlichen Copie. Es gilt
nun das Original zu suchen, das vielleicht doch wohl
irgendwo noch erhalten ist. Möglicherweise haben wir
hier die Reproduction einer Jugendarbeit vor uns. Es
existiert nämlich eine Radierung vom Jahre 1622, wo
Ribera verschiedene Ohrstudien gibt. Das eine dieser
Ohren stimmt so genau zu dem auffallenden und etwas
wunderlichen Ohre des Henkers auf dem Gemälde,
dass man beinahe glauben möchte, es seien diese
Studien für unser Bild gemacht worden. Doch hier-
über lässt sich streiten, weil ähnliche Ohrbildungen
noch öfter bei Ribera vorkommen. Meine Absicht
ging hier nur darauf hinaus, die Aufmerksamkeit der
Forschung auf unser Münchener Bild zu lenken und
Anregung zu geben, dass dem eigentlichen Originale
selbst nachgespürt werde.
Karl Voll.
 
Annotationen