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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 3
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Stettner, Thomas: Das Münchner Künstlerfest von 1840: Eugen Neureuther. Gottfried Keller
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0165

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Das Münchner Künstlerfest von 1840.
Eugen Neureuther. Gottfried Keller.
Von Dr. Th. Stettner.

Wenn die rasch vorüberrauschende Schönheit eines
Maskenzuges noch im Andenken von Kind und Enkel
nachklingt, wenn wir noch nach zwei Menschenaltern
der Erzählung der wenigen überlebenden Zeugen des-
selben begierig lauschen wie einem schönen Märchen
aus guter alter Zeit, dann müssen besonders glückliche
Sterne über ihm geleuchtet haben. Solche waren, wie
kaum je einem Fest, dem Dürerfest von 1840 be-
schieden.
Die romantische Schule war, vornehmlich unter
Münchens Führung, zum vollen Sieg in der Kunst
gelangt und frohe Thätigkeit herrschte allenthalben,
doch nirgends mehr als in München: riesige Baugerüste
stiegen zum Himmel empor, der Meissel des Bildhauers
erklang, im stillen Atelier genügte den Malern Pinsel,
Kohle und Stift kaum, die überquellende Fülle von
Erfindungen aufs Papier zu bringen, die Gusshäuser
rauchten wie einst in den goldenen Tagen von Florenz:
kurz, es war eine Lust zu leben. Und wie die Künstler
das geistige Leben der Hauptstadt führten, so waren
sie auch gesellschaftlich mit allen Kreisen eng verwachsen
und überall gern gesehene Gäste. Da mochte denn der
Wunsch sich regen, der Freude an der schönen Gegenwart
und der Dankbarkeit gegen ihren fürstlichen Beschützer
dadurch sichtbaren Ausdruck zu verleihen, dass man —
im Verein mit allen kunstliebenden Kreisen der Stadt
— die Schönheit der vergangenen Zeit, in der man
im Gedanken lebte, im lebendigen Bild erstehen liesse.
Dies Fest musste gelingen.
Gedacht, gethan. Das Programm war bald ent-
worfen, die Vorbereitungen bald in vollem Gang. Als
Stoff lag ihnen zu Grunde die Verleihung des Künstler-
wappens an Dürer durch Kaiser Maximilian. Das Ganze
sollte aus drei Abteilungen bestehen: einem Aufzug der

Bürger, dem Zug des Kaisers und einer Mummerei zur
Belustigung des Kaisers. Ausklingen sollte es in eine
Huldigung für König Ludwig.
Im Hauptquartier ging es bald lebhaft zu. Da
peinlichst darüber gewacht wurde, dass jeder zu seiner
Rolle passe und dass die Costüme ganz der Zeit ent-
sprächen, ward über beides strenges Gericht gehalten.
Jeden Abend fanden sich die Teilnehmer ein, deren
Gewandung vollendet war, und »auf den Tisch gestellt,
umgab sie mit kritischem Blick das Comite« und änderte
unerbittlich alles nicht echt Erscheinende. Sorge machte
vor allem die Wahl eines passenden Vertreters des
Kaisers; aber während eben beraten wurde, trat der
kurz vorher nach München gekommene Lichtenheld in
den Saal, eine Verkörperung des ritterlichen Max —
diese Sorge war gehoben. Auch die Wahl der anderen
Figuren gelang so gut, dass der Bericht stolz melden
konnte: Jeder war, der er sein sollte und wollte.
Aus einem andern Raum ertönten die Chöre,
die Lachner, Stuntz und Kunz für das Fest componiert,
daneben exercierten die sechzig Landsknechte — kurz:
es gestaltete sich eine originelle Welt im Kleinen.
Endlich war alles fertig. Am 17. Februar erschien
der fünfhundert Teilnehmer umfassende Zug im Hof-
theater auf dem Maskenball. Nachdem er dreimal
den Saal durchschritten, traten alle in der Mitte des
Saales zusammen, das vom Landschaftsmaler Felix von
Schiller gedichtete und von Franz Lachner componierte
Festlied erscholl im mächtigen Chor, dann ein gewaltiges
Lebehoch auf den König. Dieser dankte sichtlich er-
freut: er wusste, dass diese Huldigung von Herzen kam.
Durch die Säle und Corridore der Residenz und
durch die Arcaden des Hofgartens zog man gar eilig über
den regenfeuchten Platz in den grossen Odeonssaal.
 
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