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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 4
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Koch, Günther: Ein Document zur Geschichte des Heller'schen Altarbildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0214

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187

Ein Document zur Geschichte des Heller’schen Altarbildes.

»Mein willig Dienst zuvor lieber Herr Jacob Heller,
auf euer negst Zuschreiben schickh ich euch die Taffel
wol eingemacht vnd nach Nottorft versehen.« So be-
ginnt der Brief Dürers vom 24. August 1509, in dem
der Meister die endliche Ablieferung einer seiner besten
Schöpfungen, des ihn selbst mit so hoher Befriedigung
erfüllenden Bildes der Himmelfahrt und Krönung Mariä,
seinem Besteller anzeigt. Jakob Heller, der reiche
Frankfurter Kaufherr,*) gehört zu den merkwürdigsten
Figuren jener Zeit. Einer bis ins Komische gehenden
Pedanterie gesellte sich ein unerschütterliches Fest-
halten an dem Buchstaben der Ueberlieferung als die
Grundzüge dieses Charakters, dessen trefflichstes Bild
er selbst in seinem ausführlichen Testament gezeichnet
hat. Wir sehen da den um das Heil seiner Seele

besorgten Mann die Verwaltung seiner milden Stif-
tungen für das Gemeinwohl und die Wohlfahrt der
Kirche auf das Genaueste ordnen, wobei er nie ver-
gisst, immer und immer wieder einzuschärfen, dass
jeder von ihm Begabte zu Gott zu beten habe für
ihn, seine Hausfrau, Eltern und Gutthäter. Die ängst-
lichste Sorge um allerlei irdische Kleinigkeiten paart
sich mit einem geradezu schwärmerischen Verlangen
nach Erfüllung aller das Heil der Seele irgendwie
fördernden Formeln in einer geradezu abstossenden, die
Notwendigkeit der kirchlichen Reformation »recht schla-
gend«**) bekräftigenden Weise in den umständlichen
Vorschriften über verschiedene Wallfahrten, die nach
seinem Tode noch unternommen werden sollten. Dieses

krampfhafte Festhalten am Formelwesen des alten
Glaubens erklärt, wie der mitten im politischen Leben
stehende, mit gelehrten Studien beschäftigte Mann
ganz unberührt bleiben konnte von den Kämpfen der
Geister in den Tagen eines Luthers, Huttens und

Sickingens. Es passt aber auch zu dem Grundzug
seines Charakters, dass Heller, der im Jubeljahr 1500
nach Rom gepilgert war und die herrliche Ausstatt-
ung der Kirchen Italiens gesehen hatte, einen hohen
Sinn für die Kunstbestrebungen seiner Zeit bethätigte;
so sorgte er peinlich dafür, dass seine Stiftungen des
künstlerischen Schmuckes nicht entbehrten, und noch
jetzt zeugt der Calvarienberg auf dem Domkirchhofe
zu Frankfurt*) von dem schönen Eifer Hellers, die
Kunst in den Dienst der Kirche zu stellen. Meister
Dürer musste freilich seinen »lieben Herrn Heller«
als einen Mann kennen lernen, der bei aller Kunst-
begeisterung nur schwer zu materiellen Opfern sich
entschliessen konnte. Der briefliche Verkehr mit einem
Mäcen solcher Art musste denn für Dürer ein sehr
unerquicklicher sein: Für 130 fl. hatte der Meister
die Arbeit übernommen, bald sah er ein, dass er mit
gutem Gewissen 400 fl. verlangen dürfe, wollte er bei
der Ausführung seinen Schaffensdrang ganz bethätigen,
seinen künstlerischen Ehrgeiz voll befriedigen. In
diesem Sinne schrieb er, nachdem er mit Mühe und
Not den ausgemachten Preis auf 200 fl. hinauf ge-
bracht hat: »vnd glaubt mir bey meiner treu, das
ich dannach mein aigen geldt damit einbüsse, ohne
das das ich auch mein zeut die ich darin vfgewandt
versaumbt hob, man hat mir auch dreyhundert gülden
hier zu Nürmberg darumb geben wollen, dieselben
100 fl. hetten mir auch wol gethan, wen ich sie [die
Tafel] euch nit zu gefallen vnd dienst geschickht
hette, den euer Freundschafft zu behalten achte ich
höher den 100 fl. . . . Ich bin aber in der Hoffnung
zu euch, ob ich euch etwas versprochen hette zu
machen vmb 10 fl. vnd mich Costet dasselbige 20 fl.
Ihr werdet selbst meines schadens nit begehren, also

*) Die Nachrichten über ihn hat Otto Cornill mit grossem Fleiss
zusammengestellt in seiner Schrift: „Jacob Heller und Albrecht Dürer.
Ein Beitrag zur Sitten- und Kunstgeschichte des alten Frankfurt a. M.
um 1500.“ Neujahrs-Blatt des Vereins f. Gesch. u. Altertumsk. zu Frank-
furt a. M. f. d. I. 1871.

**) Vgl. Cornill a. a. O. S. 16.

*) Dem Crucifix am dem Domkirchhofe widmet Cornill den IV. Ab-
schnitt seiner Arbeit (S. 42—54) und gibt seiner Besprechung dieses be-
deutenden Werkes der Bildhauerkunst das „zu dem Besten gehört, was
überhaupt in damaliger Zeit in Deutschland geschaffen wurde“, eine
schöne Abbildung in Lichtdruck bei.
 
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