Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Bassermann-Jordan, Ernst von: Hundert Jahre altbayerischer Kunstgeschichte: Resumé des Inhalts eines soeben erschienen Werkes: Die dekorative Malerei der Renaissance am bayerischen Hofe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0097

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
83

Hundert Jahre altbayerischer Kunstgeschichte.
Resume des Inhalts eines soeben erschienenen Werkes:
Die dekorative Malerei der Renaissance am bayerischen Hofe.
Von
Dr. Ernst Bassermann-Jordan.*)

Der mir vorliegende stattliche Band gehört zu
jenen seltenen Büchern, deren Bekanntschaft gemacht
zu haben uns aufrichtig freut, zu denen wir immer und
immer wieder gern zurückgreifen. Schon die ganze
vornehme Ausstattung, die den schönen Publikationen
der Fratelli Alinari in b'lorenz würdig an die Seite
tritt, ist rühmend anzuerkennen. Ein ganz besonderer
Werth liegt in dem Illustrationsschmuck: 11 Voll-
bilder und 100 Textillustrationen, keine Abklatsche
von Cliches, die sich in so und so vielen Hand-
büchern und Leitfaden der Kunstgeschichte finden
und allen Ikonophilen längst bekannt sind, sondern
fast durchgängig Reproductionen von Originalauf-
nahmen des Verfassers, hergestellt in der wohlrenom-
mierten graphischen Kunstanstalt Brendamöur, Sim-
hart & Co., München. Gehen wir auf den Kern der
Sache selber ein, so können wir die Arbeit als die
Behandlung eines bisher vernachlässigten Kapitels der
Kunstgeschichte begrüssen, sie entspricht auf das
Beste einem Desideratum aller Interessenten für die
Geschichte der Renaissance in Deutschland und speciell
in Bayern. Was wir in dieser Hinsicht bisher hatten,
war Weniges, um nicht zu sagen PTagmentarisches,
und dazu ernsteren Ansprüchen durchaus nicht ge-
nügend. Lübke, der der ganzen Renaissancekunst in
Bayern nur 40 Seiten widmen konnte, ist wie bei
seiner Kritik der Gothik, so auch hier zu sehr Teutone,
misst Alles mit dem falschen, weil zu sehr nationalist-
ischen Maasstabe der »deutschen« Renaissance. Sig-
hart ist, obgleich er, einer Mahnung Kugler’s folgend,
die Kunstbestrebungen und Kunstschätze Altbayerns
zum Gegenstände seiner speciellen Studien und Schil-
derungen machte, doch zu sehr in Romanismus und
Gothik befangen, um zu einer gerechten Würdigung
der Kunst der Renaissance gelangen zu können. Die
Litteratur über diese Epoche der bayerischen Kunst-
geschichte forderte durch ihre groben Irrtümer zu
einer Prüfung und Sichtung der Denkmäler und Tra-
ditionen geradezu heraus. »Was schreiben nicht die
Münchener alles ihrem Peter Candid zu : die Residenz,
den Bau sowohl wie die gleichzeitige Innenausstattung,
die Bronze-Portalfiguren, das Kaiser Ludwig-Grab, an

Bronzewerken überhaupt so ziemlich alles, was die
ganze Zeit geschaffen hat.« Dr. Bassermann-Jordan
machte sich nun zur Aufgabe, diese Irrtümer zu
beseitigen, das Bild der Entwicklung der dekorativen
Malerei am bayerischen Hofe der Renaissancezeit
aufzureissen auf Grund stilkritischer Untersuchungen.
Eine Beschreibung der in Betracht kommenden
Baudenkmäler und ausführliche Schilderung aller
Räume, die durch dekorative Malereien geschmückt
waren oder sind, konnte der Autor dabei freilich
nicht umgehen. Da sich aber überall das Bild zum
Wort auf das Prächtigste gesellt, so werden wir keines-
wegs ermüdet, wenn wir ihn in den Residenzen zu
München, Landshut, in der Trausnitz, im Fuggerhaus
zu Augsburg, etc. aus einem Saal in den andern be-
gleiten. Das Resume der Untersuchungen des Ver-
fassers ergiebtdurch nachstehende Gruppierung seiner
eigenen Ausführungen folgendes Bild:
Auch in Altbayern war die dekorative Malerei
schon zur Zeit der Spätgothik viel verbreiteter, als
man auf Grund der erhaltenen Denkmäler annehmen
zu können glaubt. An erhaltenen Werken der kirch-
lichen Kunst sind zu nennen die Wandmalereien zu
Blutenburg, Pipping, Linden, Moosburg, Landshut
hl. Geist, St. Jodok, Straubing St. Jakob, Wandge-
mälde aus dem Leblinghause zu München (Bayer.
Nationalmuseum). Weit kleiner ist die Zahl erhaltener
profaner Dekorationsmalereien jener Zeit, zu nennen
ist ein Wandgemälde von ca. 1470 aus dem »Alten
Hofe« zu München (Bayer. Nat.-Mus.). Der Autor
zieht Werke der benachbarten Kunstprovinzen (Schloss
zu Füssen, Augsburger Weberhaus, Tiroler Schlösser)
zur Bereicherung und Vervollständigung des Bildes
heran. Ein merkwürdiges Dokument für das Ein-
dringen neuer Elemente in Altbayern ist der Rot-
marmor-Grabstein des Ulrich Aresinger in der Peters-
kirche zu München, gefertigt von Erasmus Grasser 1482.
(Das Mittelrelief zeigt starken Anklang an Brixener
Grabsteine, die malerische Behandlung der zwei Relief-
figuren Petrus und Katharina verraten Beeinflussung
durch italienische Gemälde, der auf dem obern Ab-
schlüsse sitzende mandolinespielende Engel ist direkt

*) München, Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., MCM. 16 nicht numni. u. 180 nuinm. SS. hoch 4°. In elegantem Leinwandband. Mk. 18.—.
 
Annotationen