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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 2
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Bassermann-Jordan, Ernst von: Hundert Jahre altbayerischer Kunstgeschichte: Resumé des Inhalts eines soeben erschienen Werkes: Die dekorative Malerei der Renaissance am bayerischen Hofe
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0098

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von Carpaccio oder Giovanni Bellini entlehnt.) Diese
Spur der Renaissance— ‘eine der allerfrühesten Aeusser-
ungen des neuen Geistes auf deutschem Boden —
bleibt für München und Altbayern vorerst ohne Be-
achtung und Nachwirkung. Erst um 1510 beginnt
die starke Aufnahme italienischer Formen, besonders
in der Ornamentik. Jedenfalls war auch in Altbayern
die neue Art der Buchausstattung mit Titelblättern,
Randleisten und Vignetten etc. eines der besten Ver-
breitungsmittel der neuen Formen. Die Architektur
blieb der Gothik treu bis gegen 1530 und 40 hin.
In der figürlichen Plastik beginnt seit ca. 1520 ein
eigenartiger, in einzelnen Zügen stark naturalistischer
Stil sich zu entwickeln, der gegen 1540 seinen Höhe-
punkt erreicht z. B. bei Figuren des Moosburger .Hoch-
altars starke Einwirkung der graphischen Kunst auf
Stilisirung der Gewandfalten, Bart- und Kopfhaare).
Dies war der ungefähre Stand der Kunst in Altbayern
um die Jahre 1530—1540.
Wir kommen nun zu einem Werke, dessen Kontrast
zu allem damals Bestehenden nicht grösser gedacht
werden kann, zur Residenz in Landshut (1536—43
erbaut). Aus den hochinteressanten Vergleichen des
Autors zwischen Mantuaner Bauten (Palazzo ducale und
Palazzo del T) und diesem Denkmale der Renaissance-
baukunst in Bayern ergiebt sich, dass, jedenfalls auf
ausdrücklichen Wunsch des Herzogs, die eben in
Mantua neu eingeführte Richtung Giulio Romanos
hier in Landshut angewandt und streng durchgeführt
wurde, wesshalb sich weniger Parallelen mit dem
Palazzo ducale finden, der noch eine Stilmischung
zeigt, als mit dem ganz einheitlich von Giulio Romano
entworfenen und vollendeten Palazzo del T. Die de-
corativen Malereien sind eingehend erörtert, ebenso
die Ueberlieferungen der Landshuter Chronisten über
die in Betracht kommenden Künstler auf das Sorg-
fältigste untersucht. Das Resultat aller dieser Unter-
suchungen lässt sich dahin zusammenfassen: Die Re-
sidenz zu Landshut documentiert den directen Import
italienischer Malerei, engsten Anschluss an die Werke
Giulio Romanos in Mantua und den Stil der spätrömi-
schen Schule, der im Ornamentalen noch Raffael folgte,
in der Zeichnung sich Michel Angelo zum Vorbild
nahm. Die Italiener brachten das Neueste, das Mo-
dernste nach Landshut, fühlten sich dort als die einzigen
Meister in der Kunst, führten das grosse Wort und
hielten die deutschen Maler (Hans Bocksberger der
Aeltere, Ludwig Reftinger, Hermann Posthumus), mit
deren manchem sie wohl schon in Mantua zusammen-
gearbeitet hatten, unter ihrem Banne. Für die Ent-
wicklung der bayerischen Renaissancekunst ist die
Landshuter Residenz belanglos geblieben.
Wir kommen dann zu den Denkmälern der ein-
heimischen Kunst, wie sie von Albrecht V. gepflegt
wurde: einerseits kommt in Betracht die Decoration
der Neuveste zu München, in Bassermann’s Werke
veranschaulicht in dem St. Georgssaale nach einem
Stich von Nicolaus Solis in der Beschreibung der
Hochzeit Herzog Wilhelms mit Renata von Loth-
ringen, andererseits die Innenausstattung des Schlosses
zu Dachau (Meister der Malereien ist Hans Donauer
der Aeltere). Dei' Saal des Dachauer Schlosses und
der Georgssaal in der Münchener Neuveste geben uns
ein gutes Bild, in welcher Gestalt die Renaissance

bei der Innendecoration von Räumen am Münchener
Hofe zwischen 1550 und 1570 auftrat.
Um den grossen Umschwung zu verstehen, der
mit der Heirat Wilhelms V. und seiner Thronbesteig-
ung wieder italienischen Einfluss zur Geltung bringt,
macht Dr. Bassermann-Jordan einen Excurs nach Augs-
burg. Während der ganzen Renaissance war Augsburg
für alle Künstler und künstlerischen Einflüsse, die ihren
Weg von Italien nach Bayern nahmen, als Zwischen-
station von hoher Bedeutung. Das grosse Kunst-
verständnis mehrerer Mitglieder der Familie Fugger
hatte die bayerischen Herzöge, besonders Albrecht V.
bestimmt, sich der Fugger als Vermittler bei ihren
Kunsterwerbungen in Italien zu bedienen; und nicht
nur den Ankauf von Kunstobjecten vermittelten die
Fugger, sondern auf ihre Empfehlungen hin traten
auch Künstler in den Dienst des bayerischen Hofes.
Für die Kunst, wie sie sich unter diesen Einflüssen
am herzoglichen Hofe entwickelte, sind die zwei so-
genannten Badezimmer im Rückgebäude des Fugger-
hauses in Augsburg mit ihren decorativen Malereien
besonders bezeichnend, sie werden daher von unserem
Autor umfassend beschrieben und einer stilkritischen
Würdigung unterzogen. Das Facit derselben ist fol-
gendes: Was bei decorativen Werken der Renaissance
so selten, ist hier der Fall: Die Malereien, die so wohl
erhalten auf uns gekommen sind, tragen neben der
Datierung die Bezeichnung des Meisters: Antonio
Ponzano. Also bedeutet die Ausschmückung der beiden
Fuggerzimmer einen directen Import italienischer
Kunstweise. Dass Ponzano, der einmal ein Schüler
Tizians genannt wird, die Werke der damaligen grossen
Venetianer gekannt und eingehend studiert hat, kann
aus den figürlichen Malereien der Badezimmer mit
Sicherheit geschlossen werden. Die Gesamtauffassung
seiner Figuren weist nach Venedig. Für das System
der zahlreichen Grotesken aber ist nicht mehr, wie
in der Landshuter Residenz, Mantua massgebend,
sondern die eigenartige Ausbildung, die diese Orna-
mentgattung in Florenz erfahren hat. Die beiden
beschriebenen Räume sind im Auftrag jenes Hans
Jacob Fugger entstanden, der Albrecht V. in seinen
antiquarischen Bestrebungen durch die Handelsbezieh-
ungen nach Italien seine ausgedehnte Unterstützung
zu teil werden lassen konnte. Wir wissen, dass sich
der Herzog durch Fuggers Vermittlung von Jacopo
Strada Pläne italienischer Paläste besorgen liess. In
Verbindung mit den Kunstwerken, die Mitglieder der
Familie Fugger durch italienische Künstler ausführen
liessen, ist diese Thatsache von besonderer Bedeutung.
Denn hierdurch ist die Wandlung, die jetzt die deco-
rative Malerei am bayerischen Hofe erfährt, in erster
Linie begründet. Der grosse Umschwung findet statt
unter der Aegide eines Meisters, der für das Kunst-
schaffen am bayerischen Hofe seit etwa 1575 von
der grössten Bedeutung war: Friedrich Sustris.
Um 1526 in Amsterdam geboren, bekundet sich seine
deutsch-niederländische Abstammung trotz aller italien-
ischer Bildung noch in seinen spätesten Arbeiten.
Von seinem Vater, dem Maler Lambert Sustris, er-
hielt er den ersten Unterricht, dann ging er um 1560
nach Italien, wo er in Florenz mit Vasari zusammen
arbeitete. Später scheint er sich auch in Padua auf-
gehalten zu haben, worauf sein Beiname Paduano
 
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