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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 2
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Helbing, Hugo: Lose Blätter zur Geschichte der vervielfältigenden Künste, 1, Der Meister E. S.
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Helbing, Hugo: Lose Blätter zur Geschichte der vervielfältigenden Künste, 2, Pfalzgraf Rupprecht der Cavalier
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0108

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auf den Kupferstich und die Tafelmalerei entschieden
ein. Diese flandrische Kunstweise, vermählt mit der
tiefen Empfindung und reichen Phantasie oberdeutschen
Wesens, liessen unsern E. S. zu einem Künstler werden,
der neue Bahnen wies und ungemein befruchtend auf
die deutschen Stecherschulen jener Zeit wirkte.
Das hier abgebildete Blatt weist alle die Züge
auf, die M. Lehrs auf Grund sorgfältigster Vergleich-
ungen als Kriterien der Jugendzeit des Meisters auf-
gestellt hat: »die unverhältnismässig grossen, etwas
oblongen Nimben, die stereotype Kopfneigung nach
der linken oder rechten Schulter, die fingerartig langen
Zehen und stark eingezogenen Hüften«. Für die
frühe Zeit des Meisters spricht vielleicht auch die
strenge Beobachtung der für die Darstellung des Cruci-
fixes damals überlieferten Typik z B. die besondere
Magerkeit des Leibes des Heilands, die den Ausdruck

des schmerzvollen Leidens verdolmetschen soll (vgl.
Didron, Iconographie chretienne p. 266). Der Ge-
sichtsausdruck der Figuren des in Rede stehenden
Blattes ist der für E. S. bezeichnende, von Lippmann
also charakterisierte »Gesichtstypus mit langrückiger,
etwas eingebogener, unten kolbig endender Nase, runder
hoher Stirne und kleinem gekniffenem Munde.«
Ueber die Technik unseres Meisters hat schon
Bartsch folgendes Resume aufgestellt. »Son burin est
extremement delicat. II a forme ses ombres avec des
traits fins, entrecoupes, rarement courbes, toujours tres
serres. Ces ombres se perdent vers les clairs par des
points de burin extremement fins. Dans les tons plus
forts, la premiere hachure est couverte d’une seconde
qui forme une losange tres pointue. Jamais les tailles
ne se croisent par rectangles.«

II.
Pfalzgraf Rupprecht der Cavalier.
Der Henker mit dem Haupte des hl. Johannes, genannt der grosse Henker.
De Laborde p. 207, Le Blanc No. 10, Andresen No. 6.

Pfalzgraf Rupprecht der Cavalier, auch der »er-
findungsreiche« Fürst genannt*), geboren zu Prag
17. Dezember 1619, war der 3. Sohn Friedrich V.
von Kurpfalz und der schönen Elisabeth Stuart, der
»Perle von England«, der einzigen Tochter Jakobs I.
und Enkelin der unglückseligen Maria Stuart. In
Rupprecht finden wir unbedingt eine der interessante-
sten Gestalten jener sturmbewegten Zeit, in der ein
ßojähriges Kriegsunglück Deutschlands Fluren ver-
wüstete, England von den Wirrsalen des Bürger-
krieges heimgesucht wurde, PSuropa allerorten von
Waffenlärm erklang. In solchen Zeiten konnte sich
das Wittelsbacher Soldatenblut nicht verläugnen
und musste einen Jüngling von den Anlagen
Rupprechts zum Soldaten, zum Helden zu Land
und zur See bilden. Erst 14 Jahre alt, über-
nahm er das Commando eines Regiments (Warburton
a. a. O. T. I. p. 44); 1643 wurde er Herzog
von Cumberland, ein Jahr darauf Generalissimus aller
k. grossbritannischen Armeen und 1648 Grossadmiral
von England. Was er für die Entwickelung der engli-
schen Seemacht geleistet, kann hier ebenso wenig ge-
*) Ueber ihn vgl. Eliot Warburton, Memoirs of Prince Bupert
and the Cavaliers 1849 — Dr. Karl von Spruner, Pfalzgraf Rupert der
Cavalier. E. Lebensbild aus dem XVII. Jahrhundert (Festrede zur Feier
des Geburtsfestes S. M. des Königs in der k. Akademie München 1854).
— Eva Scott (Late Scholar of Somerville College, Oxford), Rupert Prince
Palatine 1900. Ausserdem : The Antiquities of St. Peters’ or the Abbey
Church of Westminster, London 1713, ]). 119 IT. Haeutle, Genealogie des
erlauchten Stammhauses Wittelsbach. 1870. S. 65. Ueber die in England
vorhandenen Porträts des Prinzen: Spruner a. a. O. S. 164, Note 52.
Ueber seine Kinder: Chr. v. Strambergs Der Rheinische Antiquarius,
Abt. II Bd. VI S. 179. Dazu Spruner a. a. O. S. 48 ff.
Ueber des Prinzen Kunstleistungen und seinen Platz in der
Kunstgeschichte vgl. Leon de Laborde, Histoire de la Gravüre en
maniere noire. Andresen, der deutsche Peintre - Graveur Bd. V p. 91.
M. Ch. Le Blanc, Manuel del’Amateur d’Estampes vol. III p. 382. Naglers
Künstler-Lexikon vol. XIV. Naglers Monogrammisten Bd. IV No. 3756, 3800.
Lippmann, Dei- Kupferstich 1893.

würdigt werden, wie seine Kriegsthaten *), die gleich
grosse Tapferkeit wie Unerschrockenheit bekunden, und
ihm einen Ehrenplatz unter den Ersten der Heerführer
des 17. Jahrhunderts sichern.
Uns interessiert hier nur des Prinzen Liebe für
Kunst und Wissenschaft; sie lag ebenfalls im Blute
der Familie. Elisabeth war die Tochter des »wunder-
lich gelehrten Pedanten« Jakobs L, und auch ihr Gatte
freute sich inmitten aller Wechselfälle des Krieges
über jeden geistigen Fortschritt seiner Kinder.
Rupprechts Schwester Louise Marie, geboren im Haag
am 28. April 1622, daher auch die Holländerin ge-
nannt, war nicht nur eine Freundin der Kunst, sondern
auch schaffende Künstlerin, indem sie als Schülerin
G. Honthorst’s historische Bilder malte, die ein grosses
Talent bekunden. (Vergl. Nagler’s Künstlerlexikon XI,
S. 205.) Sie trat zur katholischen Kirche über und
starb als Aebtissin des Cistersienserkloster Maubisson
bei Pontoise, 87 Jahre alt.
In den Niederlanden aufgewachsen, gewann Rup-
precht frühzeitig Fühlung mit dem holländischen
Kunstleben; schon in früher Jugend befasste er
sich mit den graphischen Künsten. Zeugen dieser
frühesten Beschäftigungen sind seine Radierungen,
deren Andresen vier, Le Blanc acht Blatt beschreibt.
Nicht alle sind datiert, die frühesten Daten sind 1636
und 1637. Erstere Jahrzahl trägt das Blatt mit den
beiden Soldaten. (Le Blanc und Andresen No. 2,
Nagler Monogr. V, N. 3756). 1637 kommt auf dem
»bärtigen Bettler« vor (Andresen und Le Blanc Nr. 3).
Nachdem der Prinz in der unglücklichen Schlacht
*) Am Besten aus den Quellen dargestellt vom K. B. Major
Dr, Karl von Spruner in der oben citierten Schrift.
 
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