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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 2
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Fred, W.: Wiener Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0095

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8i

Wiener Ausstellungen.
Von W. Fred.

Die vornehmste Wirkung, die von der »Wiener
Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs, Secession«
in den vier Jahren ihres Bestandes ausgeübt wurde,
liegt in dem revolutionären Charakter, der künstlerischen
Frische ihrer Thaten. Ob die einzelnen Expositionen
Gutes oder Schlechtes brachten, sie bildeten immer
kräftigen Sauerteig für das Wiener Kunstleben. Das
Publikum und die Kritik sind aufgerüttelt worden,
tausend neue Interessen geweckt. Fremde Kunst, die
uns verborgen blieb, wurde gezeigt, der neue Stil im
Kunstgewerbe zur Geltung gebracht. Die vor wenigen
Tagen eröffnete VIII. Ausstellung beschäftigt sich vor-
wiegend mit dem Kunstgewerbe und den Klein-Künsten.
Die Oelmalerei ist ausgeschlossen. Auch von dieser
Exposition wird man vor allem sagen müssen, dass
sie unerhört viele und verschiedenartige Anregungen
bringt. Geistreich im Ornament und den Farben ist
die Innendekoration, ein Werk der Prof. Hoffmann,
Moser und Arch. Leop. Bauer. Erfreulich und wohl
der erste Grund des Erfolgs der Raumausstattung ist
die Fähigkeit der genannten Künstler, die Bekleidung
von Plafond, Decke und Boden in einfachen Farben
harmonisch zusammenzupassen. — Von ausländischen
Malern auf dem Continente am wenigsten bekannt ist
wohl Nico Jungmann (London). Es sind zwei Bilder
von ihm da: »Die Wallfahrt nach Kevlaar« und
»Mutterschaft«, beide vor allem koloristisch bedeutend,
ruhig, satt im Tone, leuchtend in der Farbe. Beide
auch erfüllt von vieler, aber kräftiger Stimmung. »Die
Wallfahrt nach Kevlaar« ist gross angelegt und giebt
einen Blick auf den Zug der frommen Wallfahrer. Interes-
sant ist da die Wirkung, die die durch die Darstellung
ungemein zahlreicher Fackeln und Kerzen für den Ton
des Bildes erreicht wird. Hier ist in der Individuali-
sierung der einzelnen Figuren viel geleistet, ohne dass
das Gesamtbild aber unruhig geworden wäre. F. Khnopff
ist in Wien und auch wohl in Deutschland kein Fremder
mehr. Es ist wieder eine polychrome Maske von ihm da,
sowie einige farbige Blätter, dunkel, reich an Beziehungen
und sehr wirksam. Aus Paris sind Werke von Ryssel-
berghe, Aman-Jean, Gaston La Touche, Billotte, Lagarde
und Raffaelli gekommen. Die Ry sselberghe’schen
Blätter, in der Technik und Composition gleich interes-
sant, zeigen die höchste Fähigkeit für Auswahl von

Naturpartien. Die Erinnerung an Werke Turner’s und
insbesondere seines späten Epigonen Brabazon drängt
sich bei aller Verschiedenheit der Technik auf.
Bei Aman-Jean’s Pastellen — die Farben sind
matt, hingewischt, doch manchmal in ihrer Zusammen-
stellung geradezu aufreizend — zeigt sich die Freude
an der Bewegung des nackten Leibes. Jedes der Stücke
— es sind keine Akte — hat irgend eine sonderbare,
geistreiche Linie des Nackens, der Brust oder der Arme.
— Aus Deutschland wird äusser Gemälden von Boecklin
und Menzel ein sehr schönes Thiergartenbild Lieber-
manns, das eine feine Luftstimmung hat, sowie ein
merkwürdiges Bild von Max Klinger erwähnt werden
müssen. Es ist ein Genrebild, »Villa in Steglitz«, ein
Landhaus, mit schöner Perspective in den Garten und
auf ein fernes kleines Häuschen, ein Hund kläfft im
Vordergründe — kurz man würde trotz der hohen
Künstlerschaft der Technik auf viele Maler eher als
auf Klinger rathen. — Von Wiener Künstlern fällt dies-
mal äusser dem greisen Landschafter R. Alt und dem
Pariserischen Wiener E. Jettei, Max Kurzweil,
E. Stöhr, W. List und F. Andri auf. Kurzweil
hat insbesondere in seinem »Rothen Schlafrock« viel
Pariserisches; allein kleine Landschaftstudien, die eine
hohe Begabung für das Sehen und Wiedergeben von
Naturstimmungen zeigen, beweisen das hohe Talent des
Künstlers. Andri, der übrigens vorzügliche Litho-
graphien schafft, gibt der Landluft, bäuerischen Typen
sowohl im Inhaltlichen als auch in einer körnigen, sonder-
baren Technik schönen Ausdruck. E. Stöhr ist der
Poet unter den Malern, ihn reizt das Mondlicht, das
durch den Wald huscht und Mädchenkörpern allerlei
fleckige Farben und Schatten gibt, oder eine Baum-
gruppe, die nur in indirektes Licht gebadet ist. Auch
geistreiche, lustige Zeichnungen von St o Iba werden
verdiente Anerkennung finden. Es sei noch hinzugefügt,
dass in diesem Berichte nur jene Werke Erwähnung
fanden, die meist von wenig gekannten Malern her-
rührend, ein aussergewöhnlich hohes, über normale
Ausstellungsbilder weit hinausreichendes Niveau haben.
In dem Bereiche des Kunstgewerbes und der Klein-
künste ist von fremden Gästen äusser v. d. Velde der
Londoner C. R. Ashbee bemerkenswerth, einer der
allerfeinsten modernen Architecten und Dekorateure.
 
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