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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 2
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Fred, W.: Wiener Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0096

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82

Er knüpft an die alte Tradition englischen Hausrathes
an. Seine Möbel sind schwer, wuchtig, haben den
Charakter englischer Schlösser. Seine Metallgeräthe
und sein Schmuck sind durch die Wahl des Materials
hochinteressant, es ist meist Silber in allerlei Bearbeit-
ungen; als Edelsteine sind vielerlei sonst wenig ver-
wendete Steine, so Topas, Opal, Chrysopras u. a. be-
nützt. Die von Ashbee geleitete »Guild of Handicraft«
hat ausserdem eine besondere Wichtigkeit für die in
London geübte Erziehung zur Kunst. (Darüber mögen
Interessenten im Wiener »Kunst und Kunsthandwerk«
III. Jhrg. 4. Heft nachlesen.) Die ausgezeichnete fran-
zösische Schmuckkunst ist durch Dufrene und Manuel
Orazi vertreten, zwei feine Künstler, wenn auch nicht
vom Range Laliques. Einem schottischen Ehepaar
Chas. R. Mackintosh und Margaret Macdonald-
Mackintosh ist ein eigenes Interieur eingeräumt worden,
das in ungemein geistreicher Art hell, einfach und
freundlich eingerichtet ist. Einzelne Gegenstände fallen
durch die Kunst auf, wie mit den primitivsten Materi-
alien, Blei und Schmiedeeisen, gute Wirkung geübt wird.
Seltsamerweise vermengen sich damit allerlei japani-
sierende Friese und Applikationsarbeiten. — Von den
Wiener Künstlern sind als Möbelarchitecten Professor
J. Hoffmann und Prof. K. Moser in allererster Reihe
zu nennen. Eine ganze Reihe von Salonkästen, Kredenzen,
Blumenständern etc. zeugen für grosse Erfindungsgabe,
Reichtum an Geist in constructiven Details. Bedauer-
lich ist nur, dass nicht Interieurs, sondern nur einzelne
Stücke ausgestellt sind. Das moderne Kunstgewerbe
zeigt doch seine höchsten Vorzüge in dem harmonischen
Gestalten bewohnbarer Räume. Von K. Moser sind auch
Gläser und Bucheinbände vorzüglicher Art zu nennen.
Bronzen (besonders Lampen) von G. Gurschner und
Fayencen aus der Wiener Kunstgewerbeschule verdienen

Erwähnung. — Als erfreulich ist anzumerken, dass
schon heute vier Tage nach der Eröffnung etwa achtzig
Werke, also der 5. Theil der gesamten Ausstellung
verkauft ist
Auch das Künstlerhaus hat nun seine erste dies-
jährige Ausstellung eröffnet. Sie verdient kein Interesse,
findet auch keines, und wenn sie am Tage nach der
Verninage geschlossen worden wäre, es wäre nicht
schade gewesen. Man sucht jetzt, nachdem zwei Tage
vergangen sind, vergeblich in der Erinnerung nach
halbwegs Bedeutendem. Man findet nichts. Der Katalog,
den man zu Rate zieht, weist ein paar ärmliche Bleistift-
striche bei den Wienern W. Unger, dem feinen Radierer,
Hans Temple, L. H. Fischer, L. Holub auf. Ein Schlachten-
gemälde des böhmischen Malers Sochor zeichnet sich
durch wenig anderes als durch eminente Grösse aus. An
die trostlose Wiener Ausstellung ist eine mittelmässige
belgische angegliedert; Juliette Wytsman fällt durch
feine Luft- und Lichtmalerei auf, Gustav Max Stevens
durch praeraphaelitische äusserliche Manier, Henri Meunier
durch expressive Porträts in Kohle und Plakate. Cari-
caturen von beispielloser Brutalität, in der einfachsten
Technik, — vor allem scharf conturierte Flächen ohne
Detail in der Linie oder Tönung in der Fläche —
stammen seltsamer Weise von einer Dame Leo Jo.
Ihr Sujet ist Darstellung der menschlichen Roheit, des
Kontrastes zwischen tierischer Natur und äusserlicher
Kultur. Ich nenne noch eine — allerdings alte —
Plaque von Professor St. Schwartz, »Elegie« betitelt
und in der That stimmungsvoll, und ich finde nichts,
gar nichts der leisesten Erwähnung Wertes mehr. Die
Herren im Künstlerhaus sollten grössere Zeiträume
zwischen die Eröffnungstage der Secession und die ihrer
Expositionen legen. Ein Vergleich ist zu traurig für
die »Genossenschaft«.
 
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