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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 1
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Voll, Karl: Die Jahrhundertausstellung der französischen Malerei in Paris, 1
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Stettner, Thomas: Vom Sammeln: eine Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0045

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31

der ersten Periode erklärt. Darum sei es hier gestattet,
noch einmal in die älteren Zeiten zurückzukehren, ob-
wohl uns Corot bereits sehr weit heraufgeführt hat.
Zwischen den Werken der Meister von Weltruf hängen
einige von Männern, die der Allgemeinheit wenig oder
auch nicht bekannt sind und es sind mitunter gerade
ihre Bilder, die uns am meisten im Gedächtnis haften.
Da war z. B. von Joseph Desire Court ein männliches
Porträt von ausserordentlich eleganter Haltung da,
das noch in das 4. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts ge-
hört, das aber leider etwas diskreditiert wurde durch
eine herzlich schwache arkadische Szene von demselben
Künstler. Nicht ohne Bedauern sah man endlich die
Werke des 1848 im Alter von 24 Jahren verstorbenen
Trutat, mit dem ein grosses Talent zu früh dahin-
gegangen ist. Für uns Deutsche ist endlich Flandrins
sitzender Jünglingsakt, der sich vom blauen Himmel
wirkungsvoll genug abhebt, nicht uninteressant. Flandrin
hat nicht selten dieses Motiv behandelt, das auch von
Hans Thoma, z. B. im »Verlorenen Sohn« so gern auf-
gegriffen wird. Man ist sogar so weit gegangen, Thoma
des Plagiates zu zeihen und doch welch ein Unterschied!
Aeusserlich gleichen sich die Darstellungen der beiden
Maler allerdings in hohem Grade; aber der künstlerische
Geist ist so verschieden, dass von einer wirklichen
Uebereinstimmung gerade in der Hauptsache keine Rede
sein kann. Bei Flandrin begegnen wir noch durchaus
dem Streben, die Natur nach der Antike zu korrigieren,
während bei Thoma nichts von derartigen klassizisti-
schen Rücksichten zu finden ist; umgekehrt fehlt aber
bei Flandrin die persönliche Stimmung, in die Thoma
seine Werke zu tauchen pflegt.
Kehren wir aber zu Corot und seiner Epoche

zurück. Ein jüngerer Zeitgenosse von ihm war Courbet,
der als der Begründer der modernen Malerei genannt wird.
Wie stattlich und vorsichtig ausgewählt seine Kollektion
auch sein mag, so kann doch keines seines ausgestellten
Werke dieses Urteil rechtfertigen. Die Unmittelbarkeit der
Beobachtung, die wir heute verlangen, fehlt so sehr, dass
Courbet nicht als der Reformator der neueren Malerei
betrachtet werden kann. Seine altmeisterlichen Gewohn-
heiten stehen in gar zu starkem Widerspruch mit un-
seren Begriffen von modern, als dass wir diesen Wider-
spruch übersehen könnten. Wenn man nun in Erkenntnis
dieser Tatsache gesagt hat, dass seine mündliche Lehre
mehr als seine malerische Thätigkeit die Umgestaltung der
französischen Kunst bewirkt habe, so hat man allerdings
den grössten Teil der Wahrheit über Courbets histori-
sche Stellung gesagt. Und doch muss in seinen Ge-
mälden auch etwas von dem zu finden sein, was seinen
Ruf als Reformator erklärt. Hierüber gibt uns eines der
ausgestellten Bilder sehr erwünschten Aufschluss. Es
stellt einige Herren dar, die sich auf freiem Feld be-
gegnen und grüssen. Der Horizont ist so niedrig ge-
wählt, dass die Figuren sich vom grauen Himmel über-
raschend klar abheben. An der emailartig glänzenden
Behandlung der Farbe erkennt man ohne weiteres die
ältere Schule, aber es spricht sich im Ganzen so sehr
der Wunsch aus, nicht mehr ein Atelierbild zu malen,
die Personen vielmehr in der Beleuchtung zu malen,
wie sie ihnen im gegebenen Moment zukommt, dass von
hier aus andere Maler mit Notwendigkeit die modernen
Licht- und Luftprobleme erfassen mussten. Courbet hat das
wohl nicht gethan und hatte gar nicht die Fähigkeit dazu,
selbst diesen Schritt vorwärts zu thun; aber er hat die
Malerei bis an die Grenze ihres neuen Reiches geführt.

Vom Sammeln.
Eine Plauderei.

Wer sich der reizenden Aufgabe unterzöge, eine
Geschichte des Sammelns zu schreiben, der würde wohl
auch der Frage eine Betrachtung widmen, in welchem
Ansehen der Kunstsammler — denn nur von diesem
soll die Rede sein —- in den verschiedenen Zeiten bei
der Mitwelt stand. Dann müsste er aber wohl die That-
sache feststellen, dass dieser Name früher einen stol-
zeren Klang hatte als jetzt. Zur Zeit unserer Klassiker
z. B. verbindet sich mit ihm stets der Begriff des fein-
sinnigen Kunstkenners und Kunstliebhabers; sein Haus
ist eine Zierde der Stadt, der Zutritt zu seinen Schätzen
ist ein begehrter für Kunstfreunde und Künstler, oft
die einzige Möglichkeit für sie, von den Kunstschätzen
ferner Städte und Länder Kenntnis zu erlangen.
Jetzt hingegen liegt, wenn wir das Wort „Sammler“
aussprechen, leicht etwas mild Entschuldigendes darin,
als sei dies eine kleine, unschuldige Schwäche, die Lieb-
haberei eines weltentfremdeten Sonderlings. Drum
möchte diese Plauderei eintreten für den Verkannten.
Verschiedene Gründe haben zusammengewirkt, die
Liebe zum Sammeln und damit seine Wertschätzung
zu verringern. Unsere mehr dem Sport zuneigende
Zeit hat vor allem der Jugend andere Ziele ihrer Lieb-
haberei gewiesen. Die unglaubliche Vervollkommnung

der vervielfältigenden Künste hat den Wert der Originale
als Vorbild und Anregung für Künstler und Kunstfreunde
verringert — ebenso hat diese der Ausbau der staatlichen
und die Anlage localer Sammlungen allenthalben eman-
cipiert von den Sammlungen des Privaten. Aber trotzdem
blieb dem Einzelnen noch ein weites und segensreiches
Feld der Sammlerthätigkeit — vor allem aber blieb
die innere Befriedigung und Freudigkeit, die diese
Thätigkeit verleiht, unberührt vom Wechsel der Zeiten —
und hievon will ich nun erzählen.
Es ist Novemberabend.
Der Nebel hat sich auf die Strassen der Stadt
gesenkt; die Lampen brennen trübe, das Pflaster glänzt
feucht und die Schritte der Menschen klingen hastig
und unfroh, als habe das Grau des beginnenden Winters
sich auch ihnen in’s Herz gesenkt. Anders empfindet
der Sammler. Für ihn ist jetzt die Zeit gekommen,
wo er ohne Gewissensbedenken einen Teil des länger
gewordenen Abends seinen Zwecken widmen darf.
Wenn du ihm begegnest, wie er, seine erworbenen
Schätze vor der Nässe des Abends sorgfältig bergend,
fröhlich dahinschreitet, wie er eilig seiner Wohnung
zustrebt, — wenn du dann hörst, wie dort sein Schritt
von Treppe zu Treppe eiliger wird, bis die Thüre in’s
 
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