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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 1
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Stettner, Thomas: Vom Sammeln: eine Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0046

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32 —

Schloss fällt und in seinem Zimmer der Schein der
Lampe aufzuckt —- dann hast du das Gefühl, dass er
eine Quelle von Lebensfreude und Frische besitzt, der
des Novembers Düsterheit nichts anzuhaben vermag.
Zwei Arten von Sammlern unterscheiden sich scharf.
Der eine spricht mit aufdringlichem Stolz von den gros-
sen Summen, die er auf seinen Besitz von Kunstwerken
verwendet, — aber diese sind ihm nur Aushängestücke,
nur ein äusserlicher Schmuck seiner Räume, mit dessen
innerem Wesen er nichts zu thun hat: das ist nicht der
echte Sammler, denn er sammelt nicht mit dem Herzen.
Wie anders der zweite! Kaum gibst du ihm durch eine
Frage Anlass und Recht dazu, so beginnt er voll Freude
dir von all’ den Herrlichkeiten zu erzählen, die er be-
sitzt. Mit schlauem, siegesbewusstem Lächeln erzählt
er dir die Geschichte ihres Erwerbes, eine Odyssee von
Wanderungen über zahllose Treppen, von ungezählten
Gängen in die entlegensten Gassen der Vorstadt. Seine
Begeisterung erreicht aber den Höhepunkt, wenn er dir
von dem Hauptereignis für die Sammlerzunft von nah
und fern erzählt — von der »Dult«, die zweimal im
Jahr in Bayerns Hauptstadt die kleinen Händler bis aus
den entlegensten Dörfern vereinigt: mit leuchtendem
Auge schildert er dir, wie da unter einem dünnen Schleier
von Staub die schönsten Bilder an den Wänden hängen,
wie unter wertlosem Vielerlei kostbares Porcellan und
andere Meisterwerke alter Kunstfertigkeit stecken —
wie in vermoderten Mappen die seltensten Stiche, ja
manches verloren geglaubte Blatt sich findet (— du
selbst hast vielleicht bei einem Besuche dieses Wunder-
landes nur altes Gerümpel und zerbrochenen Hausrat
gesehen! —). Und stets hat er einen glücklichen Fang
gemacht, stets zu kleinem Preis das Wertvolle erworben.
Zur gleichen Stunde aber erzählt vielleicht in seiner
Stube der kleine Händler einem Bekannten mit dem
gleichen Lächeln des Triumphes, was er dem Sammler
aufgehängt: so sind also zwei Glückliche mehr auf der
Welt!
Nun sei aber vor Allem der allgemein verbreitete
Irrtum, als sei der Besitz grosser Mittel Grundlage und
Vorbedingung des Sammelns, zurückgewiesen. Spitzer,
vielleicht der grösste Sammler des verflossenen Jahr-
hunderts, der arm in Paris einwanderte und im Besitz
vieler Millionen starb, tritt ausdrücklich dieser Meinung
entgegen und verlangt als Eigenschaften des Sammlers
vier ganz andere Dinge: »das Auge des Falken, die
Schenkel des Hirsches, die Ruhe des Philosophen und
die Zeit des Privatiers.« Und selbst hievon möchte ich
die letzte Forderung einschränken; denn erstens hat nach
meiner Erfahrung unter allen Sterblichen der Privatier
am wenigsten Zeit, und zweitens verleiht gerade die
Nötigung, den knapp zugemessenen freien Stunden die
Zeit für seine Liebhaberei abzustehlen, dem Sammler
das Gefühl eines kleinen Martyriums für eine gute Sache,
was ihn erhebt und nicht müde werden lässt.
Natürlich muss er aber strenge Selbstzucht üben
und nie, mag auch sein Herz daran hängen, ein Ding
erwerben über seinem wirklichen Wert: so bewahrt er
sich vor Uebersättigung sowohl, wie vor der Gefahr
materiellen Schadens. Gerade die Eigentümlichkeit, dass
nicht der innere Schönheitswert der Dinge, sondern ihre
Seltenheit und die Mode ihren Preis bestimmt, ermög-
licht ihm ja, ohne grosse Opfer eine Fülle von Schönem
zu erwerben. So hat, diese Selbstzucht vorausgesetzt,

das Sammeln einen erziehlichen Wert: der Reiche erhält
durch dasselbe einen Massstab, an dem er den Wert
des Geldes ermessen lernt, — der mit Glücksgütern
minder Gesegnete aber sieht, dass Beharrlichkeit und
Geduld diese Ungleichheit aufzuheben geeignet ist, und
fühlt sich reich in seinem Erwerben. Denn nicht wie
Fafner darf er auf seinen Schätzen »liegen und besitzen,«
— tot ist der Besitz, der Erwerb lebendig; kein Wandern
auf eintöniger Ebene darf es sein, sondern ein stetes
Aufsteigen zu höheren Zielen.
Anfangs wird alles gekauft, was dem Auge gefällt;
das sind die Flitterwochen des Sammelns. Die Dar-
stellung gibt den Ausschlag; jeder Tag bringt einen
Fund, jedes Stück enthält seinen eigenen Reiz, und rasch
füllen sich Wände und Schränke. So lange ist man
nur Sammler. Allmählich aber lernt man sich be-
schränken — man bevorzugt eine Richtung, sei es
des Stoffes, sei es der Technik; es beginnt ein zähes
Umsetzen des nicht mehr für würdig Erachteten gegen
Besseres —- man ist zum Kunstliebhaber geworden.
Jetzt wartet man auch nicht mehr auf den Zufall, der
Passendes entgegen bringt, sondern das sicherer gewor-
dene Auge entdeckt jetzt in den Beständen der Kunst-
händler und im Kaleidoscop der Auktionen das Gesuchte.
Immer mehr bildet sich das Auge: der Funke des
Genies, der den grossen Künstler vom Heer der andern
unterscheidet, leuchtet ihm entgegen oft aus flüchtigen
Strichen, aus einem einzelnen Zug in sonst wertloser
Umgebung, adelt ihm ein sich nicht einschmeichelndes
Blatt ■— er hat das schönste Ziel erreicht, er ist zum
Kunstkenner geworden. Wie mancher, dem die Natur
die Gabe künstlerischen Schaffens versagt hat, ist auf
diesem Wege zu so feinfühligem Kunstverständniss ge-
langt, dass auch der Künstler gern sein Urteil hört
und bei ihm Anregung sucht!
Ist so die ganze Zeit für ihn mit angenehmen
Eindrücken erfüllt, so sind doch seine schönsten Stunden
die des Abends. „Wenn in der engen Zelle die Lampe
freundlich wieder brennt“, dann versinkt ihm des Tages
lautes Treiben, die Sorge und Müdigkeit des Berufs,
und eine selbstgebaute Welt steigt um ihn auf. Sein
stilles Zimmer bevölkert sich mit den buntesten Gestalten:
längst verschollener Menschen und Zeiten Freud’ und
Leid wird vor seinen Augen wieder lebendig -— aus
den Werken von Künstlern, deren Streben die Welt
verkannt, klingt’s an sein Ohr: „rett’ unser Anden-
ken!“ — vergessener Grössen Bilder bitten ihn: „erzähl’
von uns!“ — und erlischt dann die Lampe, so begleiten
ihn freundliche Gestalten hinüber in den Schlaf, und sieg-
haftes Lächeln spielt um seine Lippen, wenn er im Traum
den grossen Fund macht, von dem er im Wachen träumt.
„Träumt“ wiederholst du! Aber ist nicht unseres
Glückes Hauptteil der Zusatz vom Träumen, der uns
im Wachen bleibt?
Fragst du mich nun, ob nicht auch Schatten auf
des Sammlers Wege fallen, so muss ich auch von ihnen
erzählen: gar manche unruhige Stunde der Erwartung,
gar manche Enttäuschung und vereitelte Hoffnung bleibt
ihm nicht erspart, aber vor dem ersten Erfolge ver-
schwindet dieErinnerung daran — ein leichtes Gewölk.
So meine ich denn, dass gerade unsere hastende
Zeit nicht mit Lächeln, sondern mit leisem Neid auf
den sehen sollte, der im unruhigen Strom der Zeit
ein Eiland der Ruhe gewonnen hat. 77z. Stettner.
 
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