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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 6
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263

Bibliographische Rundschau.

Mitgeteilt von Günther Koch.

Fuchs, Ed., u. H. Kraemer, Die Karikatur der
europäischen Völker vom Altertum bis zur Neu-
zeit. (Ein Band in hoch-40, mit 450 Illustrationen,
und 50 Beilagen in kunstvollster Ausführung, vier-
fachem Farbendruck und anderen Reproductions-
arten, in 20 Heften ä Mk. —.75 im Verlage von
A. Hofmann & Co., Berlin erscheinend, Heft 1
liegt vor). [1230
* Durch Text wie Illustrationsapparat ver-
spricht dieses prächtige Werk eine wertvolle Be-
reicherung unserer kunst- und kulturgeschichtlichen
Litteratur zu werden und der Verlag von A. Hof-
mann & Co. in Berlin, der rühmlichst bekannte
Verlag des Kladderadatsch, verbürgt an sich schon,
dass die nachfolgenden Hefte alles das erfüllen,
was das vorliegende erste verspricht. Das ist in
der That ausserordentlich viel: Es bedeutet nichts
weniger als die Erschliessung eines bis heute von
der internationalen Kunstkritik arg vernachlässigten
Gebietes, auf dem sich doch so ausserordentlich
viele kostbare und interessante Schätze heben
lassen, es bedeutet den ersten Versuch einer aus
den Quellen aufgerissenen Gesammtdarstellung der
verschiedenen Manifestationsarten der gezeichneten
Satire von den Zeiten frühester Bethätigung des
Kunsttriebes bis auf die Meisterleistungen eines
Felicien Rops, Beardsley, Nicholson, Th. Th. Heine
etc. Dabei beschränkt sich dieses neue Werk
durchaus nicht auf das Gebiet der politischen Cari-
catur, sondern zieht vielmehr auch die gesellschaft-
lichen wie die Spottbilder auf Kunst (Lisztwut,
Wagnertaumel, Theatergrössen) und Wissenschaft
(z. B. auf die Gall’sche Schädeltheorie) in ihr Be-
reich und verfolgt mit der gleichen eifrigen Chro-
nistenpflicht die interessantesten Denkmale der
erotischen Caricatur, der Satire auf Auswüchse
der Moden, auf die einst so gern gegeisselte
Leidenschaft des Tabakrauchens und Cafehaus-
laufens, aufMöncherei und pietistische Schwärmerei,
kurz es soll hier Alles gegeben werden, »was auf
dem weiten Felde der Caricaturkunst von den
grossen Meistern aller Zeiten und aller europäischen
Völker geschaffen worden ist«.
Das ist in der That eine Riesenaufgabe, die
mir identisch erscheint mit der Darstellung der
Geschichte der öffentlichen Meinung in früheren
Jahrhunderten, mit der Schilderung des Empfindens
der besten Intelligenz in den Zeiten drakonischer
Censur, kurz mit einem Gesammtbilde des Lebens

des öffentlichen Gewissens der Völker, wie es sich
durch die Mittel der bildenden Kunst documen-
tiert hat.
Sehen wir zu, wie das vorliegende erste Heft
sich zu diesem umfassenden Programm stellt, so
muss ich bekennen, dass ich noch kein Lieferungs-
werk in meinem langjährigen Verkehr mit den
Erzeugnissen der internationalen Bücherproduction
kennen gelernt habe, dessen erstes Heft in so glück-
licher, harmonischer Weise das Gesammtbild des
Ganzen in sich beschliesst. Dieses erste Heft ent-
hält nur die »Einleitung«. Aber diese hat nichts
gemein mit jenen Vorworten, Vorbemerkungen etc.,
die zumal in der deutschen Litteratur so häufig,
so breit und so devot sind, dass man fast glaubt,
der Autor suche sich zu entschuldigen, dass er
überhaupt geboren ist: Hier haben wir in der
That die »Einführung« in das Ganze, die archi-
tektonisch prächtig abgeschlossene Vorhalle des
Gesammtwerkes. In kurzen Deductionen werden
Begriff und Wesen der Caricatur, ihre verschiede-
nen Manifestationen in den verschiedenen Epochen
des europäischen Kulturlebens erörtert, und der
Nachweis erbracht, dass die Caricatur trotz ge-
legentlicher Ausschreitungen (der Autor denkt
zum Beispiel an den billigen Spott mittelmässiger
Köpfe auf Goethes und Schillers Xenienkampf)
»mit ihren stärksten Thaten, mit ihren herrlichsten
Namen stets auf der Seite des Schönen und Guten
stand«. Diesem Text, der erstmalig die verschiede-
nen Aeusserungen der gezeichneten Satire analy-
sieren will, entspricht vorzüglich der dem Hefte
beigegebene Illustrationsschmuck. Da ist schon
die Umschlagzeichnung hervorzuheben, in der der
Meister des Kladderadatsch, G. Brandt, das Wesen
der Caricatur ganz herrlich interpretiert. Inner-
halb des Heftes treffen wir dann neben Denkmalen
frühester Kunstübung Meister wie Hans Holbein,
Lucas Cranach, Leonardo da Vinci und dann die
gottbegnadeten Künstler des verflossenen Saeculums
James Gillray, Andre Gill, Honore Daumier und
ferner die Zeitgenossen Felicien Rops, Beardsley,
C. D. Gibson, Otto Eckmann und viele andere.
Es ist leicht erfindlich, dass ein solches Unter-
nehmen nur aufgebaut werden konnte auf jahre-
langem Sammeln und unermüdlichen Studien:
So scheint mir auch die Mitarbeiterschaft Hans
Kraemers, des Herausgebers des »XIX. Jahrhun-
derts in Wort und Bild« in der That nur secun-
 
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