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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 6
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Ostini, Fritz von: Zum Tode Adolf Bayersdorfers
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0296

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2Ö2

Preisen meist nur gehört, wenn sie der Kunsthandel
erzielte —, als ihm für seine »Venus genitrix« ein grosser
Posten, ich glaube 60,000 Mark, blank aufgezählt wurde,
da war Bayersdorfer vielleicht seliger, als der Maler
selbst, der sich immerhin auch freute, zum erstenmale,
als Lohn seiner Arbeit, so viel Geld auf einem Haufen
zu sehen. Der Generation von heute, die gelernt hat,
Böcklin zu verstehen, oder der doch gelehrt wurde,
dass man ihn schätzen müsse, ist’s freilich nicht
wunderbar, dass ein Kunstverständiger das grosse Genie
erkannte. Aber dies Genie ist vor dreissig Jahren noch
weidlich verlacht und verkannt worden, und der Ver-
kannte und Verlachte war es, um den sich Bayersdorfer
annahm und für den er sich schlug. Verkannt und
verlacht ist auch der Hans Thoma worden vom Gros
des deutschen Publikums und zwar bis um das Jahr
1890 herum, und auch für ihn hat Bayersdorfer sich
stets bemüht und gesorgt; verkannt und verlacht haben
sie schliesslich sogar noch länger den Karl Haider, den
Künstler mit dem grossen und reinen Kinderherzen,
und wieder war es Adolf Bayersdorfer, der ihn fand
und liebgewann und seine Bilder an den Mann brachte
und in jeder Art sich mühte, ihn aus dem Bann drücken-
der Verhältnisse zu befreien. Und ebenso thatkräftig
war seine Freundschaft für Martin Greif, den Dichter,
für welchen er das Höchste that, was er überhaupt
thun konnte, für den er sogar — schrieb und zwar
einen Aufsatz: Martin Greif, ein elementarer Lyriker.
Sich selber in Carriere und Wirtschaft besonders
zu fördern, dazu ist Bayersdorfer, der so viel für die
Andern und für die Kunst zu thun hatte, begreiflicher-
weise nicht recht gekommen. Nach seiner Rückkehr
aus Italien trat er in den bayerischen Staatsdienst und
zwar zunächst als Conservator der Schleissheimer Ge-
mäldegalerie. 1885 siedelte er nach München über,
wo er als Conservator der alten Pinakothek bald eine
sehr nutzbringende, nach allen Seiten anregende Thätig-
keit entfaltete. Er hatte den Catalog der Schleiss-
heimer Galerie ausgearbeitet und hat an dem trefflichen
Catalog der Alten Pinakothek starken Anteil; die zu-
letzt durchgeführte Anordnung dieser Sammlung, die
wohl mustergiltig ist, darf als sein Werk gelten. Als
Kenner alter Kunst hatte Bayersdorfer einen weit-
bekannten Namen, und Männer wie Jos. Burckhardt y
in Basel wussten ihn hoch zu schätzen. Er galt als
Autorität im Bestimmen von Bildern und sein Urteil
ging dabei oft recht weit ab von der landläufigen
Meinung. Es existiert von ihm ein italienisches Tage-
buch mit kurzen skizzenhaften Bemerkungen über italie-
nische Kunst, das hoffentlich bald der Oeffentlichkeit
übergeben wird. Man wird dann sehen, wie selbständig,
wie vollkommen emanzipiert von überlieferten Meinungen
Bayersdorfer urteilte. Vielleicht werden manche von
der Zunft Zeter schreien wegen einiger dieser Bemerk-
ungen, die mit eminentem Geist und kühner Bestimmt-
heit hingesetzt sind; anderen aber wird das Buch eine
Quelle von Anregungen beim Studium jener Kunst-
schätze bieten, auch wenn es Irrtümer enthalten sollte.
In der Kunstwissenschaft sind Irrtümer bekanntlich
nichts allzu Seltenes und es kommt meist nur darauf
an, welcher Irrtum näher an die Wahrheit heranreicht.
Gegen das Schreiben hatte, wie gesagt, Bayers-
dorfer im Grossen und Ganzen eine seltsame Aversion.
Er war mehr Beobachter, als produktiver Arbeiter, er

hatte unendlich Vieles in sich und gab das schwer und
ungern auf dem Umweg über die Druckerpresse heraus.
Im Prinzip hat er sich zu mancher Arbeit bereit er-
klärt, die er später nicht ausführte und es kam ihm
nicht darauf an, z. B. die Berichterstattung über eine
Kunstausstellung für ein Blatt zu übernehmen, das später
keine Zeile von seiner Hand sah. Man war darauf wohl
gefasst und nahm es ihm nicht weiter übel. Die Menschen,
die ihn verstanden, haben ihn eben sehr hoch gewertet;
gegen anspruchsvolle Unfähigkeit liess er freilich gern
eine vernichtende Ironie spielen und die Kunst, Leute
von solcher Qualität grausam zu schrauben, verstand er
aus dem ff. Wer so zu lieben und zu bewundern wusste,
wie er, der konnte sich das schon leisten.
Zusammen mit dem Direktor der Alten Pinakothek,
Franz v. Reber, gab er den »Klassischen Bilderschatz«
(Bruckmannsche Verlagsanstalt) heraus, ferner ist er
Verfasser eines Schriftchens über die Madonna des
Bürgermeisters Meyer von Holbein, »der Holbeinstreit«,
welches die Darmstädter Tafel als das Original und
die Dresdener als Copie feststellte (1872) und einer
kleinen Biographie Karl Rottmanns (1873) gewesen.
Auch ein Bändchen humoristischen Inhalts, das wenig
bekannt wurde, hat er herausgegeben. Dies und einige
publizistische Arbeiten, u. a. über Münchener Kunst-
verhältnisse in den 70 er Jahren — das ist seine litera-
rische Produktion. Er schrieb seine Bücher nicht, er
sprach sie. Und mit Meisterschaft, mit so überlegenem
Witz und so überzeugender Sicherheit, dass es ein
Glück war, ihm zuzuhören. Wer eine Stunde mit ihm
verplaudert hat, der hat mehr daran gehabt, wie wenn
er ein paar hundert Seiten gelesen hätte. Genussfähig,
heiter und vorurteilslos stand er unserm ganzen modernen
Leben gegenüber, ein so potenzierter Culturmensch,
wie es nur wenige gibt, dabei unendlich anspruchslos
und einfach, was ihn selber anging. Er war auch ein
fröhlicher Bechergenosse und die mit ihm die Abende
beim feurigen Veltliner in der Schillerstrasse zu München
verbrachten, werden ihr Leben lang an dieser Erinne-
rung zehren. In der Zeit der grossen Umwälzungen
in der modernen Kunstanschauung, so um das Jahr 1888
herum, stand Bayersdorfer selbstverständlich auf Seite
des Fortschritts und der Bewegung. So tief er die
Alten kannte und so sehr er sie schätzte — Niemand
wusste besser, reiner, dass alle Emanzipation von der
dogmatischen Altmeisterei für die Kunst neue Hoffnung,
neuen Boden bedeutete. Er wusste eben auch, dass
seine künstlerischen Freunde, deren Namen wir oben ge-
nannt haben, schon zwanzig Jahre vorher in neue Wege
eingeschwenkt haben, in Wege, die inzwischen längst zu-
sammengelaufen sind mit der Bahn der »Neuen Kunst«.
Seit anderthalb Jahren war Bayersdorfer, der stets
eine zarte Gesundheit besessen, schwer, bald hoffnungs-
los leidend. Ein Aufenthalt im Süden, im Winter 1900,
brachte ihm die erhoffte Heilung nicht, er kam kränker
zurück, als er gegangen. Aber er sah im Süden seinen
Freund Böcklin noch einmal — zum letztenmale nach
fast vierzigjähriger Freundschaft. Die letzte Zeit seiner
Krankheit war entsetzlich, sein Bewusstsein bereits ver-
dunkelt. Sein sterblich Teil ist in Jena verbrannt, seine
Asche auf dem nördlichen Friedhof in München bei-
gesetzt worden und die imposante Trauerfeier, die ihm
wurde, zeugt davon, wie viel die Besten seiner Zeit
von ihm hielten. P. v. 0.
 
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