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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 6
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Ostini, Fritz von: Zum Tode Adolf Bayersdorfers
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0295

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2ÖI

Zum Tode Adolf Bayersdorfers.

Als am 21. Februar Adolf Bayersdorfer in München
die Augen schloss, um von langen, qualvollen Leiden
auszuruhen, da ging ein Wehklagen von seltener Ein-
mütigkeit durch die ganze deutsche Kunstwelt. Künstler
und Laien, Sammler, Kunstgelehrte und die Fachleute
der Museen — Alle hatten einen schweren Verlust zu
beklagen, obwohl der Mann, den wir verloren hatten,
eigentlich produktiv so gut wie nicht thätig gewesen
— und das will was heissen in unserer Zeit, in der
die Kunstschreiberei schon bald zur Landplage geworden
ist! Aber trotzdem — oder eben darum: welche sym-
pathische und reiche Persönlichkeit musste in einem
Mann hingegangen sein, der, ohne Bücher zu schreiben,
in einer bescheidenen Stellung, ohne jede Lust und
Fähigkeit, sich in den Vordergrund zu stellen, solchen
Einfluss gewinnen konnte auf die Werdenden und Ge-
wordenen, auf alle Fördernden und Wollenden in der
deutschen Kunst! Ein durch fabelhaftes Gedächtnis
gestütztes, enormes Wissen, eine selbstlose Begeisterung
und Opferwilligkeit für das Schöne und eine erworbene
und instinktive Kennerschaft ohne Gleichen wirkten
da Hand in Hand mit einem scharfen, klaren Geiste,
der Ordnung hielt im Gedränge der mannigfaltigsten
Interessen, die in diesem Kopfe zusammenkamen. Es
gab kaum ein Lebendiges in der Kunst, und Wissen,
für das er nichts übrig gehabt hätte; Kunstgeschichte
war es natürlich vor allem, was er betrieb, aber sie
schloss für ihn nicht mit dem Alten ab, sondern mit
der letzten guten Arbeit eines Jungen, die er gesehen,
und er hat reichlich die Kunstgeschichte seiner Zeit
machen helfen; für Musik hatte er ein tiefes Ver-
ständnis, ein gleiches für Litteratur; er war einer der
besten Schachspieler Deutschlands und, was Problem-
kunst betrifft, sagt man, ohne Konkurrenz; er be-
schäftigte sich eingehend mit psychologischen Fragen
und war der Freund Karl du Preis. Dabei ist Bayers-
dorfer nicht etwa ein trockener Polyhistor gewesen,
»in sein Museum gebannt«, sondern ein durch und durch
moderner Mensch, umgänglich, ein guter Kamerad, von
sprühendem, zur rechten Zeit etwas sarkastischem Witz.
Sein Wissen und Können war lebendige Kraft und dass
diese Schätze mit seinem Tode verloren sind, diese
Klage war so allgemein, wie die über seinen Tod über-
haupt. Er hat sich selbst wohl ein lebendiges Conver-
sationslexikon genannt und ein guter Teil von dessen
Inhalt ist unwiederbringlich dahin, —- rettungslos dahin
ist vor allem das Viele, das er zum Kapitel Bö c kl in
zu sagen hatte, als der Freund und werkthätige Förderer
des grossen Malers, dem er so bald nachgestorben ist.
Aber es sind noch Andere genug, deren Entwicklung
unter der Sonne seiner Freundschaft gedieh. Und un-
gezählt sind diejenigen, welche sich bei ihm Rat ge-
holt, ältere und jüngere Kunstschriftsteller. Sie haben
ihm wohl Alle bedingungslos vertraut und getrost nach
Hause getragen, was er ihnen gab, Anregungen und
Auskünfte. Es ist sehr fraglich, ob das Schicksal dies
Leben hätte noch fruchtbarer machen können, wenn es
Bayersdorfer auf einen hervorragenderen Platz gestellt
hätte. Vielleicht war er so stärker und nützlicher, denn
als Träger irgend eines Amtes, das mehr von seiner
Kraft und seiner Zeit in Anspruch genommen hätte.
Die äusseren Lebensschicksale A. Bayersdorfers

bieten nicht viel des Aussergewöhnlichen für seinen
Biographen. Er wurde am 7. Juni 1842 zu Erlenbach
bei Aschaffenburg geboren. Sein Vater war dort Re-
vierförster. Mit einem ältern Bruder, der jetzt als Justiz-
beamter im Ruhestand zu München lebt, besuchte er
in Münnerstadt die Lateinschule, siedelte dann später
mit seiner Mutter, die sich als Witwe nochmals ver-
mählte, nach München über, wo er das Gymnasium
durchmachte und 1862 die Universität bezog. Erst
widmete er sich dem Studium der Medicin, bald aber
zog ihn seine Neigung zum Studium der Kunstgeschichte.
Die Professoren Brunn und Messmer gehörten zu seinen
Lehrern. Sein bester Lehrer ist er aber wohl selbst
gewesen, sein starker Wissensdrang führte ihn auf alle
erdenklichen Gebiete und seine sichere Auffassung, sein
ungewöhnliches Gedächtnis sorgten dafür, dass er trotz
alledem in seinem Streben gründlich und gediegen blieb.
Er studierte die Münchener Kunstschätze und trat zu
den lebenden Künstlern in enge Beziehung, namentlich
zu der Gruppe, die sich um Viktor Müller gebildet
hatte und deren Genossen sich stets seiner ganz be-
sondern Förderung erfreuten. Viktor Müller selbst,
dessen Persönlichkeit nach allem, was man hört, etwas
seltsam Fascinierendes gehabt haben muss, stand ihm
als Freund nahe und weiter verkehrten in diesem Kreise
Du Prel, Martin Greif, Hans Thoma, Wilhelm Leibi f,
Karl Haider, der junge Trübner, Steinhausen, Otto Fröh-
licher f, Stäbli, Oberländer. Auch mit Böcklin wurde
Bayersdorfer bekannt, und als jener 1874 nach Italien
ging, reiste auch Bayersdorfer in das gelobte Land der
Kunst. Er war nicht nur einer der ersten, sondern auch
einer der ehrlichsten und gründlichsten Bewunderer des
Böcklin’schen "Genius und hat den grossen Baseler in
sechsjährigem Verkehr zu Florenz bis in alle Tiefen
seines Wesens kennen gelernt. Wer diesen liebt und
die Verhältnisse kennt, kann nur mit schmerzlichem
Verlangen an das Buch über Böcklin denken — das
Bayersdorfer nicht geschrieben hat. Er hätte so un-
endlich viel des Positiven mitzuteilen gehabt, während
jetzt die zeitgenössische Kunstlitteratur das Bild des
Grossen in einem wahren Ozean von unberufenen Redens-
arten zu ertränken droht. Bayersdorfer zog es vor,
auf andere Weise für seinen Freund und Meister zu
wirken; er wurde nicht müde, auf jede Weise daran
zu arbeiten, dass Böcklin endlich verstanden werde,
als das, was er war, nicht als ein merkwürdiger und
schrullenhafter, recht talentvoller Künstler, sondern als
der grosse Maler deutschen Stammes, dessen Genius
dazu berufen war, einem ganzen Menschenalter die
Signatur zu geben. Wir haben freilich von dieser Epoche
erst einen kleinen Teil durchlebt, aber den Rest wird
uns die Kunstentwicklung in Deutschland nicht schuldig
bleiben Bayersdorfers Wirken für Böcklin war, als er
1880 nach Deutschland zurückgekehrt war, ein stetes.
Jeder, der über den Baseler etwas zu sagen oder zu
schreiben hatte, holte sich bei jenem seine Auskünfte,
die Sammler erfuhren durch ihn Gelegenheit, Böcklin-
sche Werke zu kaufen und Bayersdorfer hat so auf
das materielle Wohlergehen des Freundes oft genug
fördernd Einfluss genommen. Als Böcklin endlich ein-
mal dazu kam, hohe Preise für seine Bilder selbst
zu erhalten —- bis dahin hatte er von diesen hohen
 
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