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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 3
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Halm, M.: Die Plastik des Quattrocento in der Ausstellung der "Sezession"
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145

Die Plastik des Quattrocento in der Ausstellung der „Sezession“.
Von Dr. Ph. M. Halm.

Solange wir hier in München nicht das heissersehnte
Institut eines Gipsmuseums der mittelalterlichen und
neueren Bildwerke entstanden sehen, müssen wir das
Unternehmen mit dem die »Sezession« uns in diesem
Winter zum zweiten Male erfreut, in dankbarer Weise
als eine künstlerische wie kunsthistorische That be-
grüssen. Ohne auch nur im Geringsten den zweiten
Teil der Ausstellung, die Darbietung der trefflichen
Reproduktionen nach Werken von Rembrandt und Hals
unterschätzen zu wollen, scheint mir die Exposition
der plastischen Schöpfungen dankenswerter. Erwägen
wir nur, dass wir den grossen Holländer in der könig-
lichen älteren Pinakothek doch an etwa zehn Werken
studieren können, Hals freilich nicht an einem einzigen,
so empfinden wir in unseren Sammlungen den Mangel
fast jeglichen Werkes der italienischen Plastik doch
noch schmerzlicher und um so willkommener muss uns
der dargebotene Ersatz sein.
Hatte man im vorigen Winter zusammenhanglos
uns die herbe Künstlerschaft des gewaltigen Naturalisten
Donatello vorgeführt, so können wir dies Mal fast die
ganze Plastik des Quattrocento in ihrer Entwikelung
und in den einzelnen Künstlerindividuen — und in
letzteren unterscheidet ja die heraufdämmernde und
wachsende Renaissance sich wesentlich von dem Mittel-
alter -— verfolgen, ja wir erhalten zu dieser Kunstge-
schichte noch eine Einleitung durch einige Werke der
Pisaner, wie uns andererseits ein Ausblick auf die Spät-
renaissance gewährt wird.
Von der noch der romanischen Zeit angehörenden
Büste einer süditalischen Fürstin abgesehen steht chrono-
logisch Giovanni Pisano an der Spitze der Ausstellung
mit der Madonna della Cintola des Domes zu Prato
und dem Geburtsrelief der Kanzel von Siena von 1265,
statt dessen es angezeigter gewesen wäre, das gleiche
Relief Niccolos der Pisaner Kanzel 1260 mit der juno-
nischen Maria zu bringen, die nun doch einmal als un-
entbehrlicher Merkstein zu betrachten ist.
Dem Trecento gegenüber reihen sich freilich mit
einem etwas grossen Sprunge einige Arbeiten Donatel-
los vorzugsweise Madonnenreliefs an; der ihm im Katalog
vindizierte lachende Bambino (Wien, Coll. E. v. Miller)
ist — man vergleiche ihn nur mit den benachbarten
Bambini und dem Pariser (Coll. Dreyfuss ?) — dem Desi-
derio zuzuschreiben.
Dankbar sind wir für die Terracottabüste S. Lorenzo’s.
Wichtiger aber wäre es gewesen, nochmals uns des

Medizeergegners Niccolo da Uzzanos unübertreffliche
Büste zu bieten. So wäre die florentinische Porträt-
plastik in ihren Höhenpunkten und Meisterwerken voll-
zählig gewesen, so hätte sich die mit der Natur ringende
und kämpfende Kunst Donatellos mit der sich des
sicheren Besitzes der Errungenschaften schon freuen-
den Kunst eines Mino, Desiderio, Benedetto u. a. in
reizvollen Vergleich setzen lassen. Unbedingt gehörte
aber dann die ganze Büste Uzzano’s mit der roten
Toga, nicht wie im Vorjahre der Kopf allein, gegeben.
Denn nicht zum Wenigsten beruht die prickelnde Wir-
kung der Quattrocentobüsten auch auf der Art, wie
der Kopf auf den Schultern sitzt, ob wir es nun mit
dem schwärmerischen oder sittsamen Neigen des Hauptes
einer urbiner oder florentiner Prinzessin oder mit dem
emporzuckenden Adlerhaupt des Uzzano oder dem
schwer beweglichen fetthalsigen Haupte des Niccolo
Strozzi von Mino .zu thun haben. Die Meister des
feinen Stils, als welche sie Wölfflin dem herben Lehrer
und Führer gegenüberstellt, sind alle vertreten. Um nur
einiges zu nennen: Desiderio mit der schelmischen
Marietta Strozzi (Berlin), der sogenannten Prinzessin
von Urbino (Berlin), der Dame mit Schmuckrosette in
den Haaren und dem berückenden Lächeln (Museo
Nazionale in Florenz); Benedetto da Majano mit der
Pariser Marmorbüste seines Gönners Fil. Strozzi und
mit dem überzeugend naturwahren ehrwürdigen Kopfe
Pietros Mellini’s, der durch den Meister die Kanzel in
Santa Croce ausführen liess. Mino da Fiesoie, der
weniger sich in den Organismus und die Seele Ver-
tiefende, mit der edlen Matrone Isotta da Rimini (Pisa),
mit dem jungen Mädchen (Berlin), bei deren klugen
Blick man geneigt ist, sich die geistreiche Cosa des
Paradiso degli Alberti vorzustellen. Antonio Rossellino
wird repräsentiert durch den fast unangenehm realisti-
schen Kopf des Matteo Palmieri mit seinen narben-
artigen Gesichtsfalten (Florenz) und den sympathischeren
Franc. Sassetti. Es hiesse Bode’s Verdienst schmälern,
wollte ich hier auf diesem knappen Raume eine flüchtige
Charakteristik eines einzelnen Meister oder der ganzen
florentinischen Porträt-Künstlergemeinde geben. Und
doch kann ich mir nicht versagen, wenigstens auf etwas
rein Aeusserliches, aber nur wenig Beachtetes hinzu-
weisen, auf die Eleganz, Noblesse und das Sittsame
der Flaartracht der Principessen. Man vergesse nie,
eine solche Büste sich im Profil zu besehen, nament-
lich jene Desiderio’s da Settignano. Wie duftig ist das
 
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