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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 3
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Stettner, Thomas: Das Münchner Künstlerfest von 1840: Eugen Neureuther. Gottfried Keller
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0168

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tollen Durcheinander eines Maskenzuges ; man sieht ihnen
die ausgelassene Fröhlichkeit an, der die Zeit vom
Morgen bis zum Abend nicht genügte, den Becher der
Freude bis zum Grund zu leeren.
Die Ausführung des Blattes ist keine hervorragend
künstlerische, fast möchte man, da der Zeichner des-
selben, A. Seyss, sonst unbekannt zu sein scheint, die Hand
eines Dilettanten in ihr vermuten, aber dennoch ist die
Grundstimmung des Ganzen gar vortrefflich getroffen:
das rasche Dahinziehen in kühler Morgenluft, das Drängen
und Rufen. Es ist uns, als ständen wir abseits vom
Wege und es zögen die bunten Gestalten an uns vor-
bei mit Lärmen und Singen. Nun ist der Zug vorbei-
gerauscht — in der Ferne verklingt Lachen und Schellen-
geklingel und wir stehen allein am stillen Waldessaum.
Da weckt uns der Lärm des Tages aus unserem
Traum und giebt uns dem drangvoll bewegten Leben
unserer Tage zurück.
Den Künstler fes t e n hat auch dieses nichts von
ihrer überschäumenden Fröhlichkeit geraubt. Wohl

aber ist dem Künstler 1 e b e n unserer Tage der Hauch
von Frühling allzusehr abhanden gekommen, der durch
das freudige, nur vom inneren Drang, nicht von Rück-
sicht auf Erfolg und Anerkennung geleitete Schaffen
jener Künstler weht. Denn die ausschliessliche Freude
am technischen Problem beim Künster, das nur ver-
standesmässige Interesse, das beim Laien die frühere
unmittelbare Genussfreudigkeit vor dem Kunstwerk er-
setzt, haben eher etwas vom kühlen Herbst an sich.
Möchten doch unsere Künstler, statt immer nur
die Mängel der Farbengebung und manche Züge von
Unselbständigkeit in den Werken jener Zeit zu betonen,
sich wieder liebevoll in ihre Gemütstiefen versenken.
Würden sie zu dem bewunderungswürdigen Können
unserer Tage den innerlichen Reichtum jener Zeit fügen,
dann würde wohl ein neuer schöner Frühling anbrechen
für die Welt der Künstler und die Freunde der Kunst.
Und dann wollten wir froh ein neues Dürerfest
feiern.
 
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