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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 3
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Halm, M.: Die Plastik des Quattrocento in der Ausstellung der "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0170

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Haar nach rückwärts zum Knoten geschürzt oder ge-
wunden, nur um die hohe reine Stirne noch freier klarer,
noch jungfräulicher zu gestalten! Wieviel könnte hier
die Gegenwart lernen! Ohne uns noch weiter in das
Detail verlieren zu wollen, gedenken wir noch einiger
Büsten und Reliefs des Civitale, Federighi, des Ant. del
Pollajuolo und des Dalmatiners Francesco Laurana mit
seiner vielleicht alle florentiner übertreffenden Büste
einer neapolitanischen Fürstin (Berlin).
Aehnlich wie die Porträtskulptur lässt auch das
Lieblingsmotiv der Frührenaissance, die Madonna —
im Relief -—■ sich in der Ausstellung durch die ver-
schiedenen Stadien der Entwickelung und der differen-
ten Künstleranschauungen verfolgen: der herbe monu-
mentale Charakter Donatellos, der zarte innige Zug
Civitales, die einschmeichelnderen Auffassungen Desi-
derios, Minos, Benedettos, die frommen, idealen Schöpf-
ungen der Robbia und die malerischen Werke Sanso-
vinos.
Lucca della Robbia ist überdies mit den Reliefs
der Sängertribüne vertreten. Wie dankbar wäre man,
könnte man Donatellos correspondierende Brüstung, die
im Vorjahre ausgestellt war, damit vergleichen, um die
Ausgelassenheit, Lebendigkeit und den Uebermut von
dessen Knaben mit den wohlerzogenen anmutigen, in
Freude erstrahlenden Gestalten Robbias ab wägen zu
können. Siena’s Plastik erblicken wir in den Bolo-
gneser Portalreliefs Quercias. Sein stürmisches Kämpfen
und Ringen nach Wahrheit und Dramatik spricht nament-
lich aus den seitlichen Reliefs des Portals, gegenüber
denen die Architravbilder entschieden zurücktreten. Des

Meisters Bedeutung für Michelangelo wird uns nament-
lich an der erhabenen Auffassung Gottvaters klar. Wie
verwandt erscheint Quercia’s Schöpfergestalt mit dem
Gottvater der Schöpfung Adams an der Decke der
Sixtina.
Den Reigen des Quattrocento schliesst in der Aus-
stellung eine Reihe von Werken des Andrea del Ver-
rocchio. Sein kindlicher und doch trotzig stolzer David,
der Thürhüter der Hochrenaissance, gemahnt uns am
meisten an das höhersteigende Gestirn der klassischen
Kunst. Ausserdem erfreuen wir uns einer Nachbildung
seines Brunnens im Palazzo Vecchio, zu dem ein eben-
falls ausgestellter Putto (Terrakotta) wohl als eine Skizze
angesprochen werden darf.
Was uns an Werken des Cinquecento geboten
wird, kann uns in dem Wenigen weder ein wahres
Bild geben, noch für sich allein betrachtet uns befriedigen.
Wie schwer hält etwa die Büste Papst Gregors XIII.
von Cellini oder gar die theatralischen Prunkwerke
eines Leone Leoni dem gesunden Realismus eines
Donatello oder irgend eines dieses Kreises stand! Es
ist etwas von einem das Auge berückenden Sonnen-
untergang in diesen späten Werken, aber wir vermissen
die belebende Wärme des steigenden und im Zenith
erstrahlenden Tagesgestirnes.
Möge die »Sezession«, bis wir mit dem neuen
Gipsmuseum vor einem fait accompli stehen, uns fürder-
hin so instruktive Rückblicke geben ; sie erfüllt damit
nicht minder in dankenswertester Weise die längst ge-
hegten Bedürfnisse der Künstler wie der Kunsthistoriker
und Kunstfreunde.
 
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