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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 7
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Walcher von Molthein, Alfred: Ein interessanter Emenskrug
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0329

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293

wählte auch aus diesem Grunde ein Ornament, welches
auf der damals gangbarsten Krugform, dem Fasskrug
mit kurzem Hals, Anwendung finden konnte. Dass gegen
Hilgers oft gesündigt wurde, beweist uns die sinnlose
unkünstlerische Anbringung seines Reliefs auf der er-
wähnten Siegburger Schnabelkanne. Dasselbe wurde
eben für den Hals und nicht für den Bauch der Krüge
geschaffen.
Der Nachweis für die Hilgersche Provenienz d. h.
für den Meister HH liegt in zwei nur iJ/2 mm hohen
Buchstaben H, welche knapp unterhalb des beginnenden
Rankenstengels, auf der unteren Einfassungslinie auf-
sitzend, sichtbar sind.
Selbe sind bei dem hier beschriebenen Krug so
deutlich, dass jeder Zweifel ausgeschlossen scheint und
ich bin gewiss, dass sich dieselben auf allen Krügen
mit dem gleichen Ornament vorfinden, denn sie waren
mit in die Form eingeschnitten, ebenso wie die Jahres-
zahl 1595.
Der Zierschild blieb von Hilgers Hand frei und
war bestimmt, die Namen der verschiedenen Töpfer
aufzunehmen. — Wir ersehen dies ganz deutlich am
vorliegenden Exemplar, wo durch das Eindrücken des
Stempels: »Jan Allers«, die untere Einfassungslinie des
Zierschildes tief herabgedrückt wurde.
Ob es gerade mir vergönnt war, mit Bestimmtheit
und auf so einfache Art den Meister HH am obigen
Relief nachzuweisen, oder ob dies schon Sammlern be-
kannt war, erscheint hier nebensächlich, wichtiger da-
gegen, dass hiedurch Jan Allers vom Formschneider,
also vom Künstler, zum Töpfer herabsinkt.
Ueber Jan Allers schreibt Solon in seinem berühm-
ten, für uns Sammler massgebenden Werk : “The Ancient
Art Stoneware”, erschienen London 1892, recht viel
Interessantes. — Er bezeichnet ihn als einen wandernden
Künstler, welcher jedenfalls zuerst für Raeren, hierauf
aber auch für andere Erzeugungsstätten gearbeitet haben
soll, nachdem Solon auch auf fremden Erzeugnissen
teils seinen vollen Namen, teils die Buchstaben J A,
welche ihm mit einiger Berechtigung zugeschrieben
werden dürfen, findet. — Solon sagt weiters, dass seine
Arbeiten vorzüglich sind und dass dies auch seine Mit-
menschen anerkannten, indem sie seinen Namen löschten
und den ihrigen einsetzten, wie z. B. »Leven Collin«.
Für mich ist Allers einfach Töpfer in Raeren, denn
es ist nicht anzunehmen, dass er als Künstler, fremde
Arbeit sich auf solche Weise angeeignet hätte. Auch
glaube ich, dass sein Name nicht gelöscht wurde; der
Schild war eben frei für jedermann, d. h. für jeden
Töpfer zur Bezeichnung seiner Ware bezw. für jeden
Privatmann zur Bezeichnung seines Eigentumes, wie es
der Fall Leven, welche als eine der berühmtesten
Familien in Köln eine Sammlung alter Steinwaren an-
legte, zur Genüge beweist.
Nun wieder zum vorliegenden Krug ! Der um die
Bauchwand laufende Fries wird durch auf Karyatiden
ruhende Renaissancebögen in neun Felder geteilt, welche
eine Reihe von stofflich zusammenhängenden Spottbildern
auf das zu jener Zeit üppig ins Kraut geschossene
Mönchswesen enthalten. Diese Reliefs geben uns das
Bild eines überaus rührigen und künstlerisch hochstehen-
den Schaffens; ungemein scharf ausgeführt, sind sie im
figürlichen und landschaftlichen Teil hochinteressant,
speziell die Tracht erscheint zierlich durchgebildet.

Die Bilderfolge, von links beginnend, zeigt uns im
ersten Bogen den armen Mann. —- Er ist mit dem
knechtischen Harnisch und der Sturmhaube ausgerüstet
und zieht das Schwert, wahrscheinlich einen Zweihänder,
auf der rechten Schulter tragend, ins Feld, während
sein Weib bereits, mit der Blume in der Linken, ein
Zeichen zum gegenüberliegenden im zweiten Bogen dar-
gestellten Kloster gibt.
Auf dem letzten Bilde ist der Klosterbruder ge-
zwungen , sich von der Rache des betrogenen Gatten
durch eine hübsche Summe Geldes loszukaufen. Er
zählt dieselbe auf einen runden Tisch — im Beisein
der Ehebrecherin, welche, ihrer Schuld bewusst, die
Blicke seitwärts wendet. Die Darstellungen auf den
Feldern 2—8 erklären sich, dieses Stück Sittengeschichte
in einer höchst aufrichtigen Weise ergänzend, von selbst.
Die Aufschriften über den einzelnen Darstellungen
lauten : L ARME • MAN.‘)
2. PAPEN • WENKEN.2)
3. PAPE • BICHT • IS • LIST 3)
4. PAPE • GRANIEREI.4) IS • BOVEREI.s)
5. PAPEN • KOPEDI.6) DIE • DI FRAIKEN • AF.7)
6. PAPEN • VERLEIDEN.8)
7. PAPEN • BAURETTREN.9)
8. PAPEN • BOLEREN.
9. PAPEN • LEIEN • GELT.
') Hier die Bedeutung: Gatte. 2) Winkend. 3) Hier: Kunstgriff
■*) Kramerei. 5) Arm, bedürftig, 6) Abkaufen. 7) Verführend. 8) Zechend
») Buhlend.
Der flämische Text ist dadurch erklärt, dass Raeren,
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zur niederländischen
Provinz Limburg gehörig, grösstenteils für die Nieder-
lande als das beste Absatzgebiet arbeitete. Dies gab
auch so lange Zeit zu der falschen Bezeichnung : »gres
Flamand« für niederrheinische Ware Anlass, bis dieser
Irrtum erst vor wenigen Jahrzehnten aufgeklärt wurde.
In der oberen Hälfte der sechsten Darstellung,
welche uns das Paar auf dem Wege zum Kloster zeigt,
befinden sich die Initialen J E, jene des berühmten
Formschneiders Jan Emens (Emonts). Er war vielleicht
auch gleichzeitig Töpfer, denn seine Initialen werden
auch häufig zur Seite eines Wappens gefunden, welches
einen Arm und einen von diesem gehaltenen Krug
darstellt.
Wie es nun kommt, dass sich auf diesem Krug
drei Namen bezw. deren Initialen finden, ist so zu er-
klären: Allers war Krugbäcker in Raeren, er ist als
der eigentliche Verfertiger des Kruges zu bezeichnen. —
Von Hilgers in Siegburg entlehnte er das Ornament
für den Hals, vom Formschneider Emens in Neudorf
den schönen Fries. Wir finden eine ähnliche Vereini-
gung von Arbeiten beider Künstler wiederholt und zwar,
was das Interessanteste ist, in der Regel nur bei vor-
züglichen Krügen.
Der Deckel, dem letzten Drittel des 17. Jahrhun-
derts angehörig, trägt die eingravierten Worte: »Der.
aus . diesen . hundertjährigen . Krug . trinken wil . der .
zahle . 3 . Seitel . dan . hin . ein . gehet . so . vil .«
Am meisten verwandt ist dieser Krug mit jenem,
bereits von Solon beschriebenen, in der Sammlung
Figdor und dürfte von der gleichen Jahreszahl, welche,
wie schon erwähnt, nie massgebend sein kann, abgesehen,
nach allgemeiner Form sowie nach Durchführung des
dekorativen Teiles, demselben Datum angehören.
Alfred Ritter Walcher von Molthein.
 
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