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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 5
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Frimmel, Theodor von: Bilder von seltenen Meistern, 8, Zu Jan Lys
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0246

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sonnenverbrannter Modelle hinweisen. Dieses Werk des
Lys genoss in Venedig lange Zeit grosses Ansehen.
Oben führte ich Boschini’s Lob aus den „Minere della
pittura“ von 1664 an. Zanetti „Della pittura veneziana“
(1771) und Moschini’s Guida von 1815 beachten und
loben das Bild gleichfalls, obwohl es mittlerweile un-
scheinbar geworden war. E. Paoletti’s »II fiore di Venezia«
(III, 1840) kennt es noch. Zanotto in seiner Nuovissima
guida von 1856 geht schon darüber hinweg, wie sehr
er auch im Uebrigen gewöhnlich auf Vollständigkeit der
Angaben ausgeht. Nach Boschini’s Erwähnung machte
ich im Repertorium für Kunstwissenschaft von 1891
(XIV S. 83) neuerlich auf dieses Bild aufmerksam, das
mir damals noch nicht im Orginal bekannt war. 1895
brachte das venezianische Tagesblatt ,,I1 Gazettino“ vom
28. Februar und I. März) einen Artikel über San Nicolo
dei Tolentini. Es war eine anregende Arbeit, die auch
den Jan Lys erwähnte. Seither habe ich das Bild an
Ort und Stelle studiert und dort die oben mitgeteilten
beschreibenden Angaben zu Papier gebracht.
3. Ein Bild „Der verlorene Sohn“ in der Acca-
demia zu Venedig: Gesellschaft im Freien bei einem
Hause. In der Mitte steht ein junger Mann, der einem
Mädchen an die Brust greift. Wamms und Strümpfe
sind weiss, die kurzen Hosen zinnoberrot. Das Mäd-
chen trägt ein blaugrünes Kleid. Links sitzt ein Herr,
dessen lichtgelbes, geschlitztes Wamms hell beleuchtet
ist. Galt als »scuola fiaminga«, später als J. Olis, bis
mein Artikel »Kunstgeschichtliche Nachrichten aus
Venedig« (abgedruckt in der »Wiener Zeitung« vom
17. u. 18. Juli 1896) in der Accademia bekannt wurde
und den Namen Jan Lys nannte.*)
Eine alte Kopie, vielleicht eine Wiederholung, be-
findet sich in den Uffizien zu Florenz, eine andere in
der Wiener Akademie, wo sie als Werk des J. B. Weenix
galt. Das Bild in Florenz ist als Werk des »Jean Liis
de Oldembourg« behandelt in Zacchirolis „Description
de la Galerie royale de Florence“ (1783 II. S. 71). Die
Darstellung ist als Werk des Jan Lys durch einen Stich
von P. Monaco beglaubigt. Dieser Stich ist wohl sicher
nach dem Exemplar hergestellt, das jetzt in der Acca-
demia zu Venedig bewahrt wird. Nach Monacos Be-
merkung auf dem Stiche zu schliessen, war dieses Ge-
mälde um 1740 bei einem Herrn N. H. Constantin
Franceschi in Venedig (»pittura di Giovanni Lys,
posseduta dal N. H. Costan-110 Francheschi a SS. Gio.
e Paulo«. Das Blatt gehört zur Reihe der Stiche nach
Bildern aus venezianischen Sammlungen, weshalb
bei Giovanni e Paolo nur an die Kirche und den um-
liegenden Stadtteil Venedigs zu denken ist).
4. Nach einem weiteren Stiche von Pietro Monaco
aus dem Jahre 1739 ist ein überhöhtes Bild mit drei
Figuren zu erwähnen, das damals der Familie Vidman
a S. Canziano gehörte. Es stellte Judith mit dem Haupte
des Holofernes dar. (»Giuditta con la testa di Oloferne«).
Ich weiss den gegenwärtigen Aufbewahrungsort dieses
Gemäldes nicht anzugeben.
*) Diesem Artikel sind zahlreiche Bilderbenennungen entnommen
worden, was mich sehr freuen würde, wenn der Urheber dabei genannt
worden wäre. So aber muss ich die Gelegenheit ergreifen, mich gegen
derlei Plünderungen zu wehren, die auch anderwärts vorgekommen
sind. Ich wäre neugierig gewesen, zu sehen, wie lange man in Venedig
z. B. noch den fabelhaften ,, PI eine! “ fortgeführt hätte, wenn man nicht
durch mich auf Paul Juvenel hingeführt worden wäre. Und ähnliche
Fälle wären noch mehr anzuführen. — Zu den oben erwähnten Bildern
mit dem verlorenen Sohne in Venedig, Florenz und Wien vergl. Bep.
für Kunstwissenschaft XIV. S. 83.

5. Gleichfalls verschollen ist meines Wissens ein
Bild, das vielleicht von Jan Lys gemalt war und
das in Ridolfis „Maraviglie“ von 1648 (II. S. 47) als
Werk von »Nis« Erwähnung findet. Es gehörte der
Sammlung Francesco Bergoncio in Venedig an,
die auch sonst allerlei Niederländer enthalten hat, z. B.
zwei Werke des Pieter van Laar und einen Van Dyck.
Das Bild, das uns des Besonderen angeht, wird mit
folgenden Worten erwähnt »Lot con le figliuole del
Nis«, d. i. also eine Darstellung Loths bei seinen Töch-
tern von Nis. Einen Figurenmaler Nis kennt die Kunst-
geschichte nicht, und die Vermutung liegt nahe, dass
in dem druckfehlerreichen Buche des Ridolfi statt »Nis«
Lis zu lesen ist- An Nys, an Neyts und an den Still-
lebenmaler de Nis (Denis) ist kaum zu denken.*) Wohl
aber würde die Darstellung des zechenden Loth zu den
Gegenständen passen, die Jan Lys nicht selten darge-
stellt hat.
6. In der Galerie der C ä B o n f a d in a zu Venedig
befand sich nach Angabe der »Carta del navegar pitto-
resco« von M. Boschini (1660, S. 567) eine „Magdalena“
von Jan Lys. Boschini beschreibt dieses Bild mit fol-
genden schwülstigen venezianischen Versen: »De Gian
Lis Madalena dolorosa / Che l’Anzolo socore; e in tun
canton / Ghe quela maledeta tentacion / ehe studia in
darno a farla ambiciosa«. Sie lassen sich schwer wört-
lich übertragen. Doch ist der Sinn dieser gereimten
Beschreibung vollkommen klar. »Anzolo« ist ja nichts
als: agnolo der Engel, der herbeikommt, um die guten
Vorsätze der Magdalena zu unterstützen, und eine Ver-
führung zur Eitelkeit ist deutlich genug ausgedrückt.
Das Bild, das Boschini also bespricht, ist nach meiner
Ansicht dasselbe, das seit spätestens 1765 der Dres-
dener Galerie gehört. Diese Meinung habe ich in
Lützow-Seemanns »Kunstchronik« von 1897 (VIII. Sp. 200)
ausgesprochen. Bisher ist mir kein Einspruch gegen
meine Ausführungen über jenes Bild zugekommen, und
die jüngste Auflage des Woermannschen Kataloges der
Dresdener Galerie stimmt meiner Ansicht bei. Heinecken
nennt das Magdalenenbild 1782 unter dem Namen Lys.
7. Der „Lautenspieler“ in der Dresdener Galerie,
der dem Jan Lys zugeschrieben wird, ist unter dieser
Benennung 1744 aus Venedig nach Dresden gelangt
(Woermanns Katalog Nr. 1841).
8. Durch seinen Stil deutet auf Venedig ein „Ecce
homo“ in der Galerie zu Buda-Pest. Es ist ein figuren-
reiches farbenfrisches Bild, das ich in den 80 er Jahren
zuerst auf Jan Lys bezogen habe und das seither als
ein Werk des genannten Künstlers inventarisiert ist.**)
Sollte dieses Gemälde wirklich eine Arbeit des Jan Lys
sein, so wäre es dasjenige, das die meisten venezianischen
Einflüsse verraten würde. Daraus bestimmte Schlüsse
zu ziehen, wäre unvorsichtig.
9. Ein verschollener „Jan van Lis“ stellte dar
den „St. Marcus-Platz zu Venedig.“ Er wird in der
Hoet’schen Katalogsammlung (II, 344) als Bestandteil
der Merian’schen Versteigerung zu Frankfurt a. Main
verzeichnet. Wird sich dieses Stück wieder finden ?
10. In den Nachträgen zu Füssli’s grossem Lexikon
werden mehrere Blätter nach Bildern des Lys erwähnt,
*) Zu diesen Namen vergl. die Künstlerlexica und De Groot’s Hou-
brakenbuch S. 152.
**) Vergl. Frimmel „Kleine Galeriestudien“ 1. S. 15t f. Im Ver-
zeichnis der Gemälde in der Nationalgalerie zu Buda-Pest von 1897 führt
das Bild Nr. 366.
 
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