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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 9
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Ostini, Fritz von: Von der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast, 1, Die Nordländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0403

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368

liehen Schnee. Von Harald Sohlberg ist die wunderbar
intime und friedliche Schilderung von Gärten und
Hinterhäusern „Aus einem Arbeiterquartier“; von Jakob
Glöersen Winterbilder von eisiger Frische; von Kitty
L. Kielland neben anderem ein norwegisches „Torf-
moor“, dessen Naturtreue sehr zu rühmen ist. Gudmund
Stenersen schildert mit gleicher Kunst des Land-
schafters wie des Menschendarstellers eine Gesellschaft,
welche in der „Johannisnacht“ aussen auf der Heide
musizierend um ein Feuer gelagert ist; Jakob Bratland
zeigt in seinem „Kranken Künstler“ mit packender Ehr-
lichkeit ein Stück aller Romantik entkleideten Boheme-
Lebens; Sven Jürgensen in seinem Bild „DieWittwe“
ein Familienidyll aus der Hütte der Armut. Von Halfdan
Ström sind allerlei gute Bilder, wie eine schöne, tonige
Flusslandschaft, ganz besonders stark aber ist das
Interieur einer Restauration minderer Art, das er mit
meisterhaft beobachteten Typen von Personal und Gästen,
mit einem Realismus und zugleich mit einem Reichtum
der Farbe darstellt, die stark an Slevogts beste Arbeiten
erinnern. Von unmittelbarer, rauher Lebendigkeit sind
Christian Krogh’s Schiffertypen, die beiden Seebären
„Am Posthaus“ und der alte, verwetterte und verwitterte
Kapitän in der Kajüte, dem „Unklares Fahrwasser“
schweres Kopfzerbrechen zu machen scheint. Eine
norwegische und eine bretonische Bauernstube stellt
Harriet Backer mit exquisiter Beherrschung der Ton-
werte dar, ein anderes, vorzüglich gesehenes Interieur
aus einer kleinbürgerlichen Wohnung hat Gustav
Wentzel gemalt und durch einen roten Plüschrahmen
von monumentaler Geschmacklosigkeit „verschandelt“.
Jörgen Sörensen lässt in dem Parkbild „Im Winter“
ein griechisches Tempelchen tief im Schnee stecken,
ein Widerspruch, durch welchen ein Gefühl des Fröstelns
ganz raffiniert geweckt wird. Von Otto Sinding ist eine
friesartige Darstellung tanzender Nymphen und Frauen
in der Dämmerung nicht sehr farbig, aber schön kom-
poniert; von Gerhard Munthe finden wir Dekorations-
entwürfe im Stile früherer Gotik, Szenen aus dem Leben
des Königs Sigurd Jorsalafarer. Die farbenfroh ge-
haltenen Szenen sind mit ungewöhnlichem Verständnis
für die Anschauungsweise jener Zeit erfunden und in
die entsprechende Form gebracht.
Auch ihr enfant terrible hat die norwegische Ab-
teilung, aber es ist kein liebenswürdiges enfant terrible,
das aus echter Naivität und ungebändigter Jugendkraft
Mama und Papa in Schrecken setzt, sondern eines,
das mit deutlicher Absichtlichkeit aller Welt die Zunge
zeigt und jedem nach den Schienbeinen schlägt. Edvard
Munch. Man erinnert sich wohl noch der Rundreise-
Ausstellung von Bildern Munchs, die vor etwa einem Jahr-
zehnt die deutschen Kunststädte unsicher machte und
ihren Autor um jeden Preis zum Genie stempeln sollte.
Aber auch die liberalsten Leute sahen in allem dem
nur Erzeugnisse einer unausgereiften Begabung, die
überdies durch Sensationslust verdorben war. Genau

auf diesem Standpunkt steht Munch noch heute.
Sieht man sein Hauptbild „Die Kranke“ an, so erkennt
man wohl im Grunde ein Talent, aber angesichts der
bizarren Grimassensammlung in „Angst“, der Strand-
bilder, auf denen die Steine wie angeschnittene Schinken
aussehen und die Menschen wie Caricaturen ohne
Humor sind, kommt man doch schliesslich dazu, den
ganzen Edvard Munch nicht ernst zu nehmen. Nur
jene Mischung von Snobism und Zigeunertum, die heute
in Kunstdingen allenthalben, zwar nicht die ausschlag-
gebende, aber die lauteste Stimme hat, konnte
solchen Experimenten vorübergehende Beachtung er-
ringen !
Dänemark! — Peter Severin Kröyer! Der
Mann malt Bilder, vor denen man nicht mit dem Hut
auf dem Kopfe stehen bleiben kann! Was er auch dar-
stellt, immer ist’s die gleiche, freilich nichts weniger
als monotone Güte der Arbeit, die uns zur Bewunderung
zwingt. So ist unvergleichliche Kraft und Liebens-
würdigkeit in der grossen Bildnisstudie, anheimelnde
Intimität und virtuose Bewältigung des Beleuchtungs-
problems in dem Doppelbildnis des Komponisten Grieg
und seiner Frau, die zusammen musizieren! Und ein
Kröyer ersten Ranges ist die „Heimkehr von der Jagd“
mit dem herrlichen Abendhimmel bei Sonnenuntergang.
Das ist so recht seine Stimmung, l’heure bleue, wenn
die sinkende Sonne oder der heraufsteigende Mond
heisse Streiflichter vom Horizont hersenden und
Himmel, Ferne und Schatten in blauem Duft schwimmen!
Die Luft hat überhaupt noch keiner besser gemalt wie
er, die Luft und das Licht und die Verklärung, die es
den Körpern giebt. Dieser klare, blaue, glanzdurch-
wobene Abendhimmel thut sich vor einem auf wie ein
Blick in eine jubelnde Seele! Knud Larsens „Sommer-
abend“ ist unter dem bestimmenden Einfluss Kröyers
gemalt, aber mit Talent und Fleiss; tiefer Friede liegt
über dieser halbentschlafenen Welt! Eine vornehme
Ruhe kennzeichnet auch die sympathischen Landschaften
G. Achens und Anchers Sommerabend. Knud Larsen
schickt eine hübsche Schilderung einer Sonnwend-
nacht mit auf allen Höhen aufflammenden Feuern, Otto
Bache einen famosen schwarzen Stier in grüner Land-
schaft. Lorenz Hinrichsen eine gute Hügellandschaft
in eigenartiger Beleuchtung, „Trübes Wetter“. Die
Bildnisse von August Jerndorf sind nicht eben modern
gemalt, aber von sorgsamer Durcharbeitung und recht
innerlich empfunden. Kr. Zahrtmann hat „Johanna die
Wahnsinnige“ mit einem grossen Aufwand von Können
und Arbeit, umgeben von massenhaftem Stillebendetail,
dargestellt, aber man hat auch von diesem Historien-
bilde wieder den Eindruck von verschwendeter Kraft.
Ohne eine umfangreiche „Legende“ wird dies Bild nur
der oder jener Geschichtskundige verstehen, und unsere
Zeit nimmt sich nun einmal nicht mehr gern die Mühe,
Bilderrätsel zu lösen, auch wenn sie von Meisterhand
gemalt sind!
 
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