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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 10
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Ostini, Fritz von: Aus der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast, 2, Die Romanen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0449
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408

Aus der VIIL Internationalen Kunstausstellung im Münchener Glaspalast.
Von F. v. Ostini.
II. Die Romanen.

Die Kunst der Romanen hat freilich im Grunde
weniger inneren Zusammenhang, als die der germanischen
Nordländer; nur die bekannte Geschicklichkeitskunst
gewisser Italiener und das Wesen einer grossen Gruppe
spanischer Virtuosen weisen verwandte Züge auf, weil
jene Spanier ihre Schule meist in Rom genossen haben.
Sonst steht jede der drei romanischen Nationen für
sich: Frankreich mit seiner dekadenten Abgeklärtheit,
seiner etwas kühlen Internationalität, aber auch seiner
sehr hohen Kultur und reichen Ueberlieferung; Spanien
mit den beaux restes seiner brutalen Kraft, die einst
in den Kunstaustsellungen die spanischen Säle zu den
meist umstrittenen Abteilungen machte; und die moderne
italienische Malerei, meistlombardischer u. venetianischer
Schule, die unverkennbar von Norden her beeinflusst,
oft direkt germanisches Gepräge hat.
Die spät eröffnete französische Abteilung im Glas-
palaste, nach oder mit den Schweden das beste, was
wir dieses Jahr hier haben, füllt nur einen wenig dicht
behängten Saal und ein Kabinet. Im ersteren ist fast nur
Kunst ersten und allerersten Ranges vereinigt, wie sie
uns die französischen Maler in München schon lange
nicht mehr gezeigt, oder besser, wie sie die deutschen
Delegierten in Paris schon lange nicht mehr zusammen-
gebracht haben. Keine grossen Schlager, keine anderen
Sensationen, als solche der absoluten künstlerischen
Leistung! Nein! Die französische Kunst geht nicht zu-
rück, wie uns seit Jahren in allen Tonarten versichert
wird! Hier fehlt eine Menge der Besten — und dass
trotzdem diese Kollektion zusammengebracht werden
konnte, das zeigt eben, auf welcher Höhe jene künst-
lerische Kultur, das ererbte und selbstverständlich ge-
wordene, mit zähem Fleiss immer wieder und wieder
erworbene Können der Pariser Malerschaft steht. Das
Juwel dieser Sammlung ist schwer zu bestimmen —
es sind ihrer mehrere! Aber eins davon ist Paul Albert
Besnards „Geheimer Zauber“, wie im Katalog die
nicht gute Uebersetzung von „Fäerie intime“ lautet.
„Heimlicher Zauber“ wäre schon etwas besser, aber
auch diesen Worten fehlt etwas, etwas von Märchen-
pracht, was im Sinn des Wortes Feerie, wie im Sinn
des Bildes liegt. In halbverdunkeltem Boudoir ruht, tief
in einen Lehnstuhl zurückgelegt eine entkleidete Frau
von zierlicher, geschmeidiger Gestalt und neben ihr er-
blickt man das abgestreifte Gewand, ein blitzendes
Pailettes-Kleid — eine moderne Melusine, die ihre
schillernde Fischhaut abgestreift hat und nun im „könig-
lichen Hermelin der Schöpfung“ prangt, vielleicht vom
eigenen Reiz berauscht, vielleicht in der Sommerschwüle
eine wohlthuende Abkühlung geniessend, vielleicht auch
bereit zu heisser Liebesfeier. — Chi lo sa? Besnard hat

dieses Mal kein Farbenfeuerwerk losgebrannt und nur
einen weichen Zusammenklang von tiefem Schwarz und
Braun und dem lichten Fleischtone gegeben. Er hat
aber doch wohl noch kein farbigeres Bild gemalt. Ganz
anders und auch wieder „hochprima“ ist Jules Le-
febvres Frauenbildnis „Yvonne“, gewiss eine Arbeit
von akademischem Zug, aber auch von einer künst-
lerischen Vornehmheit ohne gleichen. Das Bild könnte
auch schlechthin „die Pariserin“ heissen, denn das ist
sie, wie sie leibt und lebt, mit ihrem durchmodellierten,
ausdrucks- und wandlungsfähigen, freien Gesicht, ihrer
Weltstadt morbidezza, ihrer ganzen wundervollen Misch-
ung von Stärke und Dekadenz, die Pariserin, die das
weiblichste von allen Weibern ist in so vielen Dingen
und um so viel stärker als der Mann! Einen anderen
Typus der gleichen Gattung behandelt P. A. Dagnan-
Bouveret in seiner freien, intimen, ein wenig rasse-
losen und müden Art und einen dritten, kaum minder
gut Ernest Laurent. Das durch den Pariser Kunst-
handel wieder galvanisierte Interesse für Manet findet
hier ebenfalls seine Rechnung durch des Künstlers Bild-
nis der Malerin Frl. Eva Gonzales. Ob Manet die
Augen verzeichnet hat, oder ob sie im Original von
der Natur verzeichnet waren, weiss ich nicht, jeden-
falls sind sie das wenigst Schöne am Bild. Aber
prächtig ist alles übrige gemalt, mit jener Kraft und
künstlerischen Eleganz und Sattheit der Farbe, die wir
erst heute wieder voll zu würdigen wissen und die
beweisen, dass jene Herren Impressionisten — Manet
gerade so! — die Alten, die Hals und Velasquez, mit
grossem Gewinn studirt haben. Auch ein Renoir ist
da, die flotte Skizze einer sitzenden Frau im Hemd,
von merkwürdig duftigem, graziösem Pinselstrich und
hübschem Perlmutter der Farbe. Hier und in Paris
mit einer Medaille ausgezeichnet wurde A. D^chenauds
„Bildnis seines Vaters“, eine Menschendarstellung von
so packender Lebendigkeit, als wäre der stattliche alte
Herr jeden Augenblick bereit, aus dem Rahmen zu
steigen. Das ist kein Werk einer verfallenden Kunst,
sondern eins, das nur im gesundesten Milieu entstehen
konnte. Und so ists auch mit J. E. Blanches be-
zauberndem Kinderbildnis „Erwachen“; mit der mon-
dänen Eleganz der Mache paart sich da ein breiter,
flüssiger Pinselstrich. Zu einem Vergleich mit den
betreffenden Bildnissen Lenbachs regt Benjamin-
Co n s t a n t s Bildnis Leos XIII. an. Der vornehme fran-
zösische Akademiker reicht an Kraft der Charakteristik
schwerlich an Lenbachs herbe und starke Bilder heran
und seine Harmonie roter Töne ist ein wenig süss.
Aber jene Müdigkeit und Weichheit, die dem Kopf des
Kirchenfürsten oft fast den Ausdruck eines alten Frauen-
 
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