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Monatshefte für Kunstwissenschaft
den doch das Buch bestimmt ist, müssen sie
falsche Vorstellungen erwecken. Ich verweise
nochmals auf das Beispiel der Hallenkirdie. Von
St. Martin in Landshut sagt der Verfasser: „Nie
vielleicht vor der Zeit des Eisenbaus ist ein so
weiter und hoher Raum mit so wenig Pfeiler-
und Wandmasse gestützt und umschlossen
worden wie hier". Das mag wohl richtig sein.
Daß indes im Anjou und Poitou Jahrhunderte
vor St. Martin nicht viel niedrigere und engere
Räume mit nicht viel weniger Pfeiler- und Wand-
massen gestützt und umschlossen wurden, daß
die italienischen Kirchen vom Typus des Floren-
tiner Domes trotz der größeren Wandflächen
viel weiträumiger wirken, das erwähnt der Ver-
fasser nicht.
Nun, das sind Einzelheiten. Den feinen Be-
merkungen Woermanns über Kupferstich und
Holzschnitt, über unsere Renaissancemaler, über
die Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts wird
jeder gerne beipflichten. Dem Laien wird das
reichhaltige und vorzüglich gewähltelllustrations-
material des Büchleins eine besondere Freude
bereiten.
Stuttgart. Julius Baum.
g
Paul Ferdinand Sdimidt. Frankfurt a.M.
(Stätten der Kultur, Band II.) Buchschmuck
von L. Pollitzer. Leipzig. Klinkhardt & Bier-
mann, 1907. 151 S.
Daß Sdimidt als Kunsthistoriker ein sehr
schätzenswertes Können besitzt, hat er durch
sein Buch über Kloster Maulbronn gezeigt. So
mag es Verwunderung erregen, wie wenig Kunst-
geschichtlidies in dieser Monographie enthalten
ist, die durch die Sammlungsbezeichnung „Stätten
der Kultur" nicht ganz vor dem Verlangen ge-
schützt wird, daß man nicht nur ein wenig Bau-
gesdiichte, Einiges über Burger, Thoma, Boehle
finden möchte. Der Verfasser gleicht einem Ge-
lehrten, der freiwillig das herkömmliche Rüstzeug
in die Ecke warf, um den bequemerenHausrock des
Historikers und Archivars anzulegen. Von vorn-
herein sei bemerkt, daß er die Aufgabe, in engem
Rahmen eine Stadt- und Kulturgeschichte Frank-
furts zu geben, ausgezeichnet gelöst hat, aber
Bücher wie diese rücken denn doch die Gefahr
nahe, vor der neulich auch Karl Voll in einer
Besprechung von Worringers Cranadibuch
(Beil, zur Allgem. Zeitung Nr. 221, 19. Dez. 1907)
warnte, daß die Kunstgeschichte, nachdem sie
sich endlich als Fachdisziplin freigemacht hat,
wiederum freiwillig älteren Schwestern den Vor-
tritt läßt. Auch darf nicht der Eindruck auf-
kommen, als ob man derartige Städtebilder an
der Hand der Quellen, Aktensammlungen, Me-
moiren und Handbücher bequem in seinem Studio
kompilieren könnte.
Dieses allerdings ist gerade in Schmidts Buch
nicht der Fall. Man merkt überall, wie eigene An-
schauung die Freskomalerei einer im wesentlichen
historischen Darstellung gleichsam mit einem an
guten Einfällen reichen, in lebhaften und lustigen
Farben ausgeführten Friesstreifen geschmückt hat.
Es scheint ein Grundsatz des Verlages zu sein,
bei der Auswahl der Monographen nicht Ein-
heimische, sondern eingewanderte oder ganz
fremde Gelehrte zubevorzugen; eine Unbefangen-
heit des Urteils wird dadurch erreicht, die einen
an sich löblichen, aber literarisch fast immer un-
genießbaren Lokalpatriotismus so gut wie aus-
schließt. Der Verfasser hat lange genug in
Frankfurt gelebt, um, was Frankfurt war, ver-
stehen, würdigen und lieben zu können, aber
nicht lange genug, um, was Frankfurt ist, un-
befangen mit dem Vergangenen in lebendige Be-
ziehung zu setzen. Er vergleicht; und das Re-
sultat ist für ihn nur sterile Nachahmung im
heutigen architektonischen Schaffen, besonders
in dem der Behörden; Kopie, überall Kopie, wo
eine gebärtüchtige Vorzeit schuf und erfand. Man
fühlt die Enttäuschung, die dieser sehr leiden-
schaftliche Gegner jedes Stileklektizismus bei sei-
nem Rundgang durch das neue,Frankfurt empfand,
und erlaubt sich, seine in starken Worten zutage
tretende Erbitterung manchmal ein wenig über-
hitzt zu finden. Schmidt hat Recht, der neue Römer
ist kein Meisterstück. Aber wo ist es anders in
Deutschland? Die Pseudo-Gotik des neuen
Münchner Rathausanbaues, das noch unvoll-
endete Stadthaus in Hannover .... Ach, die
zornigen Worte nützen hier so wenig! Ein
Königreich für mutige Bauherren und geniale
Architekten! Und was der Frankfurter Magistrat
auf diesem Gebiete gesündigt haben mag, das
hat er auf anderem, dem des Museumswesens
beispielsweise, wieder gut gemacht. Das hätte
Schmidt erwähnen sollen (ausführlicher, als es
auf S. 146 geschehen ist), um nicht in den Ver-
dacht einer gewissen Animosität zu kommen.
Vielleicht liegt es an diesen scharfen An-
griffen, daß man jetzt in Frankfurt den Versuch
zu machen scheint, das unbequeme Buch tot-
zuschweigen. Das ist schade. Denn die Frank-
furter können sich kaum besser über das Werden
und Wachsen ihres Gemeinwesens unterrichten,
als durch die Lektüre dieser aus zuverlässigen
Quellen schöpfenden und dazu flott und lebendig
geschriebenen, außerdem sehr interessant illu-
strierten Abhandlung.
Walter Cohen.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
den doch das Buch bestimmt ist, müssen sie
falsche Vorstellungen erwecken. Ich verweise
nochmals auf das Beispiel der Hallenkirdie. Von
St. Martin in Landshut sagt der Verfasser: „Nie
vielleicht vor der Zeit des Eisenbaus ist ein so
weiter und hoher Raum mit so wenig Pfeiler-
und Wandmasse gestützt und umschlossen
worden wie hier". Das mag wohl richtig sein.
Daß indes im Anjou und Poitou Jahrhunderte
vor St. Martin nicht viel niedrigere und engere
Räume mit nicht viel weniger Pfeiler- und Wand-
massen gestützt und umschlossen wurden, daß
die italienischen Kirchen vom Typus des Floren-
tiner Domes trotz der größeren Wandflächen
viel weiträumiger wirken, das erwähnt der Ver-
fasser nicht.
Nun, das sind Einzelheiten. Den feinen Be-
merkungen Woermanns über Kupferstich und
Holzschnitt, über unsere Renaissancemaler, über
die Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts wird
jeder gerne beipflichten. Dem Laien wird das
reichhaltige und vorzüglich gewähltelllustrations-
material des Büchleins eine besondere Freude
bereiten.
Stuttgart. Julius Baum.
g
Paul Ferdinand Sdimidt. Frankfurt a.M.
(Stätten der Kultur, Band II.) Buchschmuck
von L. Pollitzer. Leipzig. Klinkhardt & Bier-
mann, 1907. 151 S.
Daß Sdimidt als Kunsthistoriker ein sehr
schätzenswertes Können besitzt, hat er durch
sein Buch über Kloster Maulbronn gezeigt. So
mag es Verwunderung erregen, wie wenig Kunst-
geschichtlidies in dieser Monographie enthalten
ist, die durch die Sammlungsbezeichnung „Stätten
der Kultur" nicht ganz vor dem Verlangen ge-
schützt wird, daß man nicht nur ein wenig Bau-
gesdiichte, Einiges über Burger, Thoma, Boehle
finden möchte. Der Verfasser gleicht einem Ge-
lehrten, der freiwillig das herkömmliche Rüstzeug
in die Ecke warf, um den bequemerenHausrock des
Historikers und Archivars anzulegen. Von vorn-
herein sei bemerkt, daß er die Aufgabe, in engem
Rahmen eine Stadt- und Kulturgeschichte Frank-
furts zu geben, ausgezeichnet gelöst hat, aber
Bücher wie diese rücken denn doch die Gefahr
nahe, vor der neulich auch Karl Voll in einer
Besprechung von Worringers Cranadibuch
(Beil, zur Allgem. Zeitung Nr. 221, 19. Dez. 1907)
warnte, daß die Kunstgeschichte, nachdem sie
sich endlich als Fachdisziplin freigemacht hat,
wiederum freiwillig älteren Schwestern den Vor-
tritt läßt. Auch darf nicht der Eindruck auf-
kommen, als ob man derartige Städtebilder an
der Hand der Quellen, Aktensammlungen, Me-
moiren und Handbücher bequem in seinem Studio
kompilieren könnte.
Dieses allerdings ist gerade in Schmidts Buch
nicht der Fall. Man merkt überall, wie eigene An-
schauung die Freskomalerei einer im wesentlichen
historischen Darstellung gleichsam mit einem an
guten Einfällen reichen, in lebhaften und lustigen
Farben ausgeführten Friesstreifen geschmückt hat.
Es scheint ein Grundsatz des Verlages zu sein,
bei der Auswahl der Monographen nicht Ein-
heimische, sondern eingewanderte oder ganz
fremde Gelehrte zubevorzugen; eine Unbefangen-
heit des Urteils wird dadurch erreicht, die einen
an sich löblichen, aber literarisch fast immer un-
genießbaren Lokalpatriotismus so gut wie aus-
schließt. Der Verfasser hat lange genug in
Frankfurt gelebt, um, was Frankfurt war, ver-
stehen, würdigen und lieben zu können, aber
nicht lange genug, um, was Frankfurt ist, un-
befangen mit dem Vergangenen in lebendige Be-
ziehung zu setzen. Er vergleicht; und das Re-
sultat ist für ihn nur sterile Nachahmung im
heutigen architektonischen Schaffen, besonders
in dem der Behörden; Kopie, überall Kopie, wo
eine gebärtüchtige Vorzeit schuf und erfand. Man
fühlt die Enttäuschung, die dieser sehr leiden-
schaftliche Gegner jedes Stileklektizismus bei sei-
nem Rundgang durch das neue,Frankfurt empfand,
und erlaubt sich, seine in starken Worten zutage
tretende Erbitterung manchmal ein wenig über-
hitzt zu finden. Schmidt hat Recht, der neue Römer
ist kein Meisterstück. Aber wo ist es anders in
Deutschland? Die Pseudo-Gotik des neuen
Münchner Rathausanbaues, das noch unvoll-
endete Stadthaus in Hannover .... Ach, die
zornigen Worte nützen hier so wenig! Ein
Königreich für mutige Bauherren und geniale
Architekten! Und was der Frankfurter Magistrat
auf diesem Gebiete gesündigt haben mag, das
hat er auf anderem, dem des Museumswesens
beispielsweise, wieder gut gemacht. Das hätte
Schmidt erwähnen sollen (ausführlicher, als es
auf S. 146 geschehen ist), um nicht in den Ver-
dacht einer gewissen Animosität zu kommen.
Vielleicht liegt es an diesen scharfen An-
griffen, daß man jetzt in Frankfurt den Versuch
zu machen scheint, das unbequeme Buch tot-
zuschweigen. Das ist schade. Denn die Frank-
furter können sich kaum besser über das Werden
und Wachsen ihres Gemeinwesens unterrichten,
als durch die Lektüre dieser aus zuverlässigen
Quellen schöpfenden und dazu flott und lebendig
geschriebenen, außerdem sehr interessant illu-
strierten Abhandlung.
Walter Cohen.